Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855."Nicht zu mir. Doch war er oft unruhig und "Wir hatten einen Streit über ernste Dinge. Er Das Mädchen war nachdenklich geworden. Erst "Ja," sagte sie, "deine Mutter hielt nicht viel auf "Und du pflegst sie allein?" "Du wunderst dich, weil ich nicht sehen kann," sagte „Nicht zu mir. Doch war er oft unruhig und „Wir hatten einen Streit über ernſte Dinge. Er Das Mädchen war nachdenklich geworden. Erſt „Ja,“ ſagte ſie, „deine Mutter hielt nicht viel auf „Und du pflegſt ſie allein?“ „Du wunderſt dich, weil ich nicht ſehen kann,“ ſagte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0062" n="50"/> <p>„Nicht zu mir. Doch war er oft unruhig und<lb/> ſchwieg ſtundenlang, daß es auch der Mutter auf¬<lb/> fiel. Iſt er ſtreng gegen dich geweſen?“</p><lb/> <p>„Wir hatten einen Streit über ernſte Dinge. Er<lb/> fragte mich und ich konnte ihm meine Gedanken nicht<lb/> verſchweigen.“</p><lb/> <p>Das Mädchen war nachdenklich geworden. Erſt<lb/> als ſie in die freie Luft traten, erhellte ſich wieder<lb/> ihr Geſicht. „Iſt es nicht hübſch hier?“ fragte ſie und<lb/> breitete die Hände aus. „Wahrhaftig,“ ſagte er, „ich<lb/> erkenn' es nicht wieder; was haſt du aus dem kleinen<lb/> wüſten Fleck gemacht? Seit ich denken kann, ſtan¬<lb/> den hier nur die Obſtbäume und die wenigen Malven-<lb/> und Aſternbeete, und nun iſt es voll von Roſen.“</p><lb/> <p>„Ja,“ ſagte ſie, „deine Mutter hielt nicht viel auf<lb/> das Gärtchen, und nun freut ſie ſich auch darüber.<lb/> Der Schulzenſohn, der die Gärtnerei in der Stadt<lb/> gelernt hat, ſchenkte mir die erſten Roſenſtöcke und<lb/> pflanzte ſie ſelber ein. Dann fanden ſich die andern<lb/> dazu und nun iſt es ganz luſtig. Die ſchönſten blühn<lb/> aber noch nicht.“</p><lb/> <p>„Und du pflegſt ſie allein?“</p><lb/> <p>„Du wunderſt dich, weil ich nicht ſehen kann,“ ſagte<lb/> ſie heiter. „Ich verſtehe mich aber doch darauf was<lb/> den Pflanzen gut thut. Ich ſpür' es am Geruch,<lb/> ob eins welkt, oder im Aufgehn iſt, oder Waſſer be¬<lb/> darf. Es ſpricht ordentlich zu mir. Aber freilich,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0062]
„Nicht zu mir. Doch war er oft unruhig und
ſchwieg ſtundenlang, daß es auch der Mutter auf¬
fiel. Iſt er ſtreng gegen dich geweſen?“
„Wir hatten einen Streit über ernſte Dinge. Er
fragte mich und ich konnte ihm meine Gedanken nicht
verſchweigen.“
Das Mädchen war nachdenklich geworden. Erſt
als ſie in die freie Luft traten, erhellte ſich wieder
ihr Geſicht. „Iſt es nicht hübſch hier?“ fragte ſie und
breitete die Hände aus. „Wahrhaftig,“ ſagte er, „ich
erkenn' es nicht wieder; was haſt du aus dem kleinen
wüſten Fleck gemacht? Seit ich denken kann, ſtan¬
den hier nur die Obſtbäume und die wenigen Malven-
und Aſternbeete, und nun iſt es voll von Roſen.“
„Ja,“ ſagte ſie, „deine Mutter hielt nicht viel auf
das Gärtchen, und nun freut ſie ſich auch darüber.
Der Schulzenſohn, der die Gärtnerei in der Stadt
gelernt hat, ſchenkte mir die erſten Roſenſtöcke und
pflanzte ſie ſelber ein. Dann fanden ſich die andern
dazu und nun iſt es ganz luſtig. Die ſchönſten blühn
aber noch nicht.“
„Und du pflegſt ſie allein?“
„Du wunderſt dich, weil ich nicht ſehen kann,“ ſagte
ſie heiter. „Ich verſtehe mich aber doch darauf was
den Pflanzen gut thut. Ich ſpür' es am Geruch,
ob eins welkt, oder im Aufgehn iſt, oder Waſſer be¬
darf. Es ſpricht ordentlich zu mir. Aber freilich,
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