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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
Anwendung dieser Kenntnisse an einer Abstimmung, oder
Wahl theilzunehmen, an der viel weniger gebildete Klassen
von Männern oft genug den Ausschlag geben. Und noch
widersinniger wo möglich ist es, dass Mütter, die oft ganz
allein in der Familie für die Erziehung der Kinder sich
interessiren und darin etwelche Erfahrung haben, die Schul-
behörden und Lehrer nicht wählen und in den Schulbehörden
nicht vertreten sein dürfen, während oft Männer mit weit
geringerem Verständnisse für Schulsachen darin sitzen1).
Der Staat thut sich selbst einen grossen Schaden, wenn er
die ganze Hälfte seiner Bürger des Rechtes sich für die
öffentlichen Interessen zu interessiren und damit nothwendig
auch der Fähigkeit dazu beraubt, und es ist wunderbar,
dass dies Söhne von Müttern und Männer von Frauen
mitthun, die ganz genau wissen, dass das Beste, was sie an
Geist und Charakter in sich tragen, von diesen Frauen
herrührt.

Auf die besonders berühmten oder gelehrten
Frauen
, wie etwa im Alterthum2) Eudokia, Pamphila, Arete,
Hipparchia, Leontion, Hypatia, später Hroswitha, Catharina von
Siena, in neuerer Zeit Novella, Laura Bassi, Madame Dacier,
Madame du Chatelet, Frau von Stael, George Sand, Sonja
Kowalewska, Harriet Martineau, Frau Harriet Beecher-Stowe,
Frau Booth, namentlich auf die etwas zu genialen und emanzi-
pirten legen wir kein Gewicht; dieselben haben mitunter ihre
ausgezeichneten Eigenschaften auf Kosten ihres weiblichen
Wesens erlangt und ausgebildet, und würden uns eher von der
Gleichstellung der Frauen, wenn alle so wären, wie sie, ab-

1) Dieselben werden dann im besten Falle von ihren Frauen
zu Hause instruirt, was geschehen müsse.
2) Schon der Stoiker Appollonios stellt ein solches Verzeichniss
im ersten Jahrhundert n. Chr. auf.

Frauenstimmrecht.
Anwendung dieser Kenntnisse an einer Abstimmung, oder
Wahl theilzunehmen, an der viel weniger gebildete Klassen
von Männern oft genug den Ausschlag geben. Und noch
widersinniger wo möglich ist es, dass Mütter, die oft ganz
allein in der Familie für die Erziehung der Kinder sich
interessiren und darin etwelche Erfahrung haben, die Schul-
behörden und Lehrer nicht wählen und in den Schulbehörden
nicht vertreten sein dürfen, während oft Männer mit weit
geringerem Verständnisse für Schulsachen darin sitzen1).
Der Staat thut sich selbst einen grossen Schaden, wenn er
die ganze Hälfte seiner Bürger des Rechtes sich für die
öffentlichen Interessen zu interessiren und damit nothwendig
auch der Fähigkeit dazu beraubt, und es ist wunderbar,
dass dies Söhne von Müttern und Männer von Frauen
mitthun, die ganz genau wissen, dass das Beste, was sie an
Geist und Charakter in sich tragen, von diesen Frauen
herrührt.

Auf die besonders berühmten oder gelehrten
Frauen
, wie etwa im Alterthum2) Eudokia, Pamphila, Arete,
Hipparchia, Leontion, Hypatia, später Hroswitha, Catharina von
Siena, in neuerer Zeit Novella, Laura Bassi, Madame Dacier,
Madame du Châtelet, Frau von Staël, George Sand, Sonja
Kowalewska, Harriet Martineau, Frau Harriet Beecher-Stowe,
Frau Booth, namentlich auf die etwas zu genialen und emanzi-
pirten legen wir kein Gewicht; dieselben haben mitunter ihre
ausgezeichneten Eigenschaften auf Kosten ihres weiblichen
Wesens erlangt und ausgebildet, und würden uns eher von der
Gleichstellung der Frauen, wenn alle so wären, wie sie, ab-

1) Dieselben werden dann im besten Falle von ihren Frauen
zu Hause instruirt, was geschehen müsse.
2) Schon der Stoiker Appollonios stellt ein solches Verzeichniss
im ersten Jahrhundert n. Chr. auf.
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[253/0013] Frauenstimmrecht. Anwendung dieser Kenntnisse an einer Abstimmung, oder Wahl theilzunehmen, an der viel weniger gebildete Klassen von Männern oft genug den Ausschlag geben. Und noch widersinniger wo möglich ist es, dass Mütter, die oft ganz allein in der Familie für die Erziehung der Kinder sich interessiren und darin etwelche Erfahrung haben, die Schul- behörden und Lehrer nicht wählen und in den Schulbehörden nicht vertreten sein dürfen, während oft Männer mit weit geringerem Verständnisse für Schulsachen darin sitzen 1). Der Staat thut sich selbst einen grossen Schaden, wenn er die ganze Hälfte seiner Bürger des Rechtes sich für die öffentlichen Interessen zu interessiren und damit nothwendig auch der Fähigkeit dazu beraubt, und es ist wunderbar, dass dies Söhne von Müttern und Männer von Frauen mitthun, die ganz genau wissen, dass das Beste, was sie an Geist und Charakter in sich tragen, von diesen Frauen herrührt. Auf die besonders berühmten oder gelehrten Frauen, wie etwa im Alterthum 2) Eudokia, Pamphila, Arete, Hipparchia, Leontion, Hypatia, später Hroswitha, Catharina von Siena, in neuerer Zeit Novella, Laura Bassi, Madame Dacier, Madame du Châtelet, Frau von Staël, George Sand, Sonja Kowalewska, Harriet Martineau, Frau Harriet Beecher-Stowe, Frau Booth, namentlich auf die etwas zu genialen und emanzi- pirten legen wir kein Gewicht; dieselben haben mitunter ihre ausgezeichneten Eigenschaften auf Kosten ihres weiblichen Wesens erlangt und ausgebildet, und würden uns eher von der Gleichstellung der Frauen, wenn alle so wären, wie sie, ab- 1) Dieselben werden dann im besten Falle von ihren Frauen zu Hause instruirt, was geschehen müsse. 2) Schon der Stoiker Appollonios stellt ein solches Verzeichniss im ersten Jahrhundert n. Chr. auf.

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/13>, abgerufen am 27.04.2024.