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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
wahlen in der Kolonie Nova-Scotia an der Ostküste von
Amerika (mit dem Hafen Halifax). Ebenso besteht seit 1881
das aktive Wahlrecht zu Gunsten selbständiger, grund-
besitzender Frauen für die Ständeversammlung (house of keys)
der Insel Man in der irischen See, die keine Abgeordneten
in das endliche Parlament schickt. Ein Hauptgrund hiefür
soll dort der gewesen sein, dass es sehr viele Wittwen auf
der den Stürmen ausgesetzten Insel giebt.

In England selbst besteht das Frauenstimmrecht zu
Gunsten selbständiger Frauen, die Steuern bezahlen, für die
Wahl der Schulräthe und nunmehr auch der Kirchspielräthe;
dagegen verwarf das englische Parlament schon mehrmals
(besonders 1873, 1885, 1888, 1891, 1892) Vorschläge, welche
das Frauenstimmrecht allgemein einführen, beziehungsweise
gegenüber den bestehenden Bestimmungen erweitern wollten.
Einmal jedoch geschah dies im Unterhaus mit der geringen
Mehrheit von 23 Stimmen1), ein anderes Mal, 1885, nahm das
Unterhaus sogar an und fiel die Bill nur im Oberhause durch.
Jetzt liegt die Frage wieder vor. Es ist dazu zu be-
merken, dass in England auch das allgemeine Stimmrecht
im gewöhnlichen,. auf die Männer beschränkten Sinne nicht
besteht, sondern erhebliche, sogar noch ökonomische Voraus-
setzungen, auch nach der letzten Reformbill, dazu gehören,
um in das Parlament zu wählen, oder gewählt zu werden2).

1) 1897 wurde die zweite Lesung des Vorschlags mit 228 gegen
157 Stimmen genehmigt. Immerhin ein Achtungserfolg. John Stuart
Mill proponirte das Frauenstimmrecht schon 1867 bei der zweiten
Reformbill, später bildete es das amendment Woodall zu der Glad-
stone'schen Wahlreform, noch später die bills Stuart, Rollit, Begg.
2) Aehnlich ist es auch in anderen Staaten, daher ist dort sehr
begreiflich die Zeit für das Frauenstimmrecht noch nicht gekommen,
das allgemeine männliche Stimmrecht muss vorausgehen.

Frauenstimmrecht.
wahlen in der Kolonie Nova-Scotia an der Ostküste von
Amerika (mit dem Hafen Halifax). Ebenso besteht seit 1881
das aktive Wahlrecht zu Gunsten selbständiger, grund-
besitzender Frauen für die Ständeversammlung (house of keys)
der Insel Man in der irischen See, die keine Abgeordneten
in das endliche Parlament schickt. Ein Hauptgrund hiefür
soll dort der gewesen sein, dass es sehr viele Wittwen auf
der den Stürmen ausgesetzten Insel giebt.

In England selbst besteht das Frauenstimmrecht zu
Gunsten selbständiger Frauen, die Steuern bezahlen, für die
Wahl der Schulräthe und nunmehr auch der Kirchspielräthe;
dagegen verwarf das englische Parlament schon mehrmals
(besonders 1873, 1885, 1888, 1891, 1892) Vorschläge, welche
das Frauenstimmrecht allgemein einführen, beziehungsweise
gegenüber den bestehenden Bestimmungen erweitern wollten.
Einmal jedoch geschah dies im Unterhaus mit der geringen
Mehrheit von 23 Stimmen1), ein anderes Mal, 1885, nahm das
Unterhaus sogar an und fiel die Bill nur im Oberhause durch.
Jetzt liegt die Frage wieder vor. Es ist dazu zu be-
merken, dass in England auch das allgemeine Stimmrecht
im gewöhnlichen,. auf die Männer beschränkten Sinne nicht
besteht, sondern erhebliche, sogar noch ökonomische Voraus-
setzungen, auch nach der letzten Reformbill, dazu gehören,
um in das Parlament zu wählen, oder gewählt zu werden2).

1) 1897 wurde die zweite Lesung des Vorschlags mit 228 gegen
157 Stimmen genehmigt. Immerhin ein Achtungserfolg. John Stuart
Mill proponirte das Frauenstimmrecht schon 1867 bei der zweiten
Reformbill, später bildete es das amendment Woodall zu der Glad-
stone'schen Wahlreform, noch später die bills Stuart, Rollit, Begg.
2) Aehnlich ist es auch in anderen Staaten, daher ist dort sehr
begreiflich die Zeit für das Frauenstimmrecht noch nicht gekommen,
das allgemeine männliche Stimmrecht muss vorausgehen.
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[261/0021] Frauenstimmrecht. wahlen in der Kolonie Nova-Scotia an der Ostküste von Amerika (mit dem Hafen Halifax). Ebenso besteht seit 1881 das aktive Wahlrecht zu Gunsten selbständiger, grund- besitzender Frauen für die Ständeversammlung (house of keys) der Insel Man in der irischen See, die keine Abgeordneten in das endliche Parlament schickt. Ein Hauptgrund hiefür soll dort der gewesen sein, dass es sehr viele Wittwen auf der den Stürmen ausgesetzten Insel giebt. In England selbst besteht das Frauenstimmrecht zu Gunsten selbständiger Frauen, die Steuern bezahlen, für die Wahl der Schulräthe und nunmehr auch der Kirchspielräthe; dagegen verwarf das englische Parlament schon mehrmals (besonders 1873, 1885, 1888, 1891, 1892) Vorschläge, welche das Frauenstimmrecht allgemein einführen, beziehungsweise gegenüber den bestehenden Bestimmungen erweitern wollten. Einmal jedoch geschah dies im Unterhaus mit der geringen Mehrheit von 23 Stimmen 1), ein anderes Mal, 1885, nahm das Unterhaus sogar an und fiel die Bill nur im Oberhause durch. Jetzt liegt die Frage wieder vor. Es ist dazu zu be- merken, dass in England auch das allgemeine Stimmrecht im gewöhnlichen,. auf die Männer beschränkten Sinne nicht besteht, sondern erhebliche, sogar noch ökonomische Voraus- setzungen, auch nach der letzten Reformbill, dazu gehören, um in das Parlament zu wählen, oder gewählt zu werden 2). 1) 1897 wurde die zweite Lesung des Vorschlags mit 228 gegen 157 Stimmen genehmigt. Immerhin ein Achtungserfolg. John Stuart Mill proponirte das Frauenstimmrecht schon 1867 bei der zweiten Reformbill, später bildete es das amendment Woodall zu der Glad- stone'schen Wahlreform, noch später die bills Stuart, Rollit, Begg. 2) Aehnlich ist es auch in anderen Staaten, daher ist dort sehr begreiflich die Zeit für das Frauenstimmrecht noch nicht gekommen, das allgemeine männliche Stimmrecht muss vorausgehen.

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/21>, abgerufen am 27.04.2024.