Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.Frauenstimmrecht.
Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass in England dasFrauenstimmrecht einen Bestandtheil eines weiteren Reform- Wahlgesetzes bilden wird, sobald sich ein solches für den Grundsatz des allgemeinen Stimmrechts (a man a vote) auszusprechen wagt. Vorgearbeitet ist hiefür durch das wichtige Gesetz "married womans property act" von 1883, wodurch die englischen verheiratheten Frauen in ihren Ver- mögensverhältnissen selbständig geworden sind, während früher ihr Vermögen durch die Heirath in des Mannes Eigen- thum übergieng1). Aehnliche vorbereitende Gesetze sind in neuerer Zeit in einigen amerikanischen Staaten erlassen worden. In anderen Ländern sind unseres Wissens nur erste 1) Durch dieses Gesetz erhält die englische verheirathete Frau
den Alleinbesitz und die alleinige Verwaltung ihres Vermögens, so- wohl des in die Ehe gebrachten, als des während der Ehe erworbenen, und kann darüber allein verfügen; ebenso kann sie ihren ganzen Erwerb allein behalten. Der Ehemann hat nur so viel Rechte daran, als ihm die Frau jeweilen im Sinne einer Nutzniessung ein- räumen will. Früher konnte man nur durch ein sogenanntes "settlement", eine sehr kostspielige Prozedur, der heirathenden Tochter vor der Ehe das Vermögen sichern, sonst konnte ihr Gatte sie sogar durch Testament des Vermögens berauben, das sie in die Ehe gebracht hatte. Seit 1870 aber schon konnte sie mit Zustimmung des Ehegatten ihr Vermögen behalten. Dagegen haben englische Gerichtshöfe im Jahre 1889 die Wahl einer Lady Sandhurst in den Londoner Grafschaftsrath kassirt, mit der Begründung Seitens des Lord-Oberrichters, dass seit 1869 Frauen zwar an den Gemeinderathswahlen Theil nehmen, aber nicht selbst gewählt werden können, obwohl faktisch bereits mehrere Damen in dieser Behörde sassen, u. A. eine Tochter Cobden's. Frauenstimmrecht.
Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass in England dasFrauenstimmrecht einen Bestandtheil eines weiteren Reform- Wahlgesetzes bilden wird, sobald sich ein solches für den Grundsatz des allgemeinen Stimmrechts (a man a vote) auszusprechen wagt. Vorgearbeitet ist hiefür durch das wichtige Gesetz «married womans property act» von 1883, wodurch die englischen verheiratheten Frauen in ihren Ver- mögensverhältnissen selbständig geworden sind, während früher ihr Vermögen durch die Heirath in des Mannes Eigen- thum übergieng1). Aehnliche vorbereitende Gesetze sind in neuerer Zeit in einigen amerikanischen Staaten erlassen worden. In anderen Ländern sind unseres Wissens nur erste 1) Durch dieses Gesetz erhält die englische verheirathete Frau
den Alleinbesitz und die alleinige Verwaltung ihres Vermögens, so- wohl des in die Ehe gebrachten, als des während der Ehe erworbenen, und kann darüber allein verfügen; ebenso kann sie ihren ganzen Erwerb allein behalten. Der Ehemann hat nur so viel Rechte daran, als ihm die Frau jeweilen im Sinne einer Nutzniessung ein- räumen will. Früher konnte man nur durch ein sogenanntes «settlement», eine sehr kostspielige Prozedur, der heirathenden Tochter vor der Ehe das Vermögen sichern, sonst konnte ihr Gatte sie sogar durch Testament des Vermögens berauben, das sie in die Ehe gebracht hatte. Seit 1870 aber schon konnte sie mit Zustimmung des Ehegatten ihr Vermögen behalten. Dagegen haben englische Gerichtshöfe im Jahre 1889 die Wahl einer Lady Sandhurst in den Londoner Grafschaftsrath kassirt, mit der Begründung Seitens des Lord-Oberrichters, dass seit 1869 Frauen zwar an den Gemeinderathswahlen Theil nehmen, aber nicht selbst gewählt werden können, obwohl faktisch bereits mehrere Damen in dieser Behörde sassen, u. A. eine Tochter Cobden's. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="262"/><fw place="top" type="header">Frauenstimmrecht.</fw> Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass in England das<lb/> Frauenstimmrecht einen Bestandtheil eines weiteren Reform-<lb/> Wahlgesetzes bilden wird, sobald sich ein solches für den<lb/> Grundsatz des allgemeinen Stimmrechts (a man a vote)<lb/> auszusprechen wagt. Vorgearbeitet ist hiefür durch das<lb/> wichtige Gesetz «married womans property act» von 1883,<lb/> wodurch die englischen verheiratheten Frauen in ihren Ver-<lb/> mögensverhältnissen selbständig geworden sind, während<lb/> früher ihr Vermögen durch die Heirath in des Mannes Eigen-<lb/> thum übergieng<note place="foot" n="1)">Durch dieses Gesetz erhält die englische verheirathete Frau<lb/> den Alleinbesitz und die alleinige Verwaltung ihres Vermögens, so-<lb/> wohl des in die Ehe gebrachten, als des während der Ehe erworbenen,<lb/> und kann darüber allein verfügen; ebenso kann sie ihren ganzen<lb/> Erwerb allein behalten. Der Ehemann hat nur so viel Rechte<lb/> daran, als ihm die Frau jeweilen im Sinne einer Nutzniessung ein-<lb/> räumen will. Früher konnte man nur durch ein sogenanntes<lb/> «settlement», eine sehr kostspielige Prozedur, der heirathenden<lb/> Tochter vor der Ehe das Vermögen sichern, sonst konnte ihr Gatte<lb/> sie sogar durch Testament des Vermögens berauben, das sie in die<lb/> Ehe gebracht hatte. Seit 1870 aber schon konnte sie mit<lb/><hi rendition="#g">Zustimmung</hi> des Ehegatten ihr Vermögen behalten.<lb/> Dagegen haben englische Gerichtshöfe im Jahre 1889 die Wahl<lb/> einer Lady Sandhurst in den Londoner Grafschaftsrath kassirt, mit<lb/> der Begründung Seitens des Lord-Oberrichters, dass seit 1869 Frauen<lb/> zwar an den Gemeinderathswahlen Theil nehmen, aber nicht selbst<lb/> gewählt werden können, obwohl faktisch bereits mehrere Damen in<lb/> dieser Behörde sassen, u. A. eine Tochter Cobden's.</note>. Aehnliche vorbereitende Gesetze sind<lb/> in neuerer Zeit in einigen amerikanischen Staaten erlassen worden.</p><lb/> <p>In anderen Ländern sind unseres Wissens nur erste<lb/> Anfänge eines Frauenstimmrechts, oder hierauf bezügliche<lb/> Anträge vorhanden. So in <hi rendition="#g">Dänemark</hi>, wo sich das Volks-<lb/> thing im Jahre 1894 mit dieser Frage beschäftigte, und in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [262/0022]
Frauenstimmrecht.
Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass in England das
Frauenstimmrecht einen Bestandtheil eines weiteren Reform-
Wahlgesetzes bilden wird, sobald sich ein solches für den
Grundsatz des allgemeinen Stimmrechts (a man a vote)
auszusprechen wagt. Vorgearbeitet ist hiefür durch das
wichtige Gesetz «married womans property act» von 1883,
wodurch die englischen verheiratheten Frauen in ihren Ver-
mögensverhältnissen selbständig geworden sind, während
früher ihr Vermögen durch die Heirath in des Mannes Eigen-
thum übergieng 1). Aehnliche vorbereitende Gesetze sind
in neuerer Zeit in einigen amerikanischen Staaten erlassen worden.
In anderen Ländern sind unseres Wissens nur erste
Anfänge eines Frauenstimmrechts, oder hierauf bezügliche
Anträge vorhanden. So in Dänemark, wo sich das Volks-
thing im Jahre 1894 mit dieser Frage beschäftigte, und in
1) Durch dieses Gesetz erhält die englische verheirathete Frau
den Alleinbesitz und die alleinige Verwaltung ihres Vermögens, so-
wohl des in die Ehe gebrachten, als des während der Ehe erworbenen,
und kann darüber allein verfügen; ebenso kann sie ihren ganzen
Erwerb allein behalten. Der Ehemann hat nur so viel Rechte
daran, als ihm die Frau jeweilen im Sinne einer Nutzniessung ein-
räumen will. Früher konnte man nur durch ein sogenanntes
«settlement», eine sehr kostspielige Prozedur, der heirathenden
Tochter vor der Ehe das Vermögen sichern, sonst konnte ihr Gatte
sie sogar durch Testament des Vermögens berauben, das sie in die
Ehe gebracht hatte. Seit 1870 aber schon konnte sie mit
Zustimmung des Ehegatten ihr Vermögen behalten.
Dagegen haben englische Gerichtshöfe im Jahre 1889 die Wahl
einer Lady Sandhurst in den Londoner Grafschaftsrath kassirt, mit
der Begründung Seitens des Lord-Oberrichters, dass seit 1869 Frauen
zwar an den Gemeinderathswahlen Theil nehmen, aber nicht selbst
gewählt werden können, obwohl faktisch bereits mehrere Damen in
dieser Behörde sassen, u. A. eine Tochter Cobden's.
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(2013-07-12T09:45:20Z)
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Thomas Gloning, Melanie Henß: Bearbeitung der digitalen Edition.
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