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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
Frankreich, wo die Handelsfrauen seit 1889 an den Wahlen
der Handelsrichter Theil nehmen dürfen. In diesem Jahre
(1897) hat der französische Senat das Recht der Frauen zur
Zeugnissabgabe, von Strafsachen auf alle bürgerlichen Rechts-
sachen ausgedehnt. In der ersten Revolution waren die Frauen
nahe daran die Rechtsgleichheit zu erlangen, in einzelnen
Sektionen von Paris nahmen sie sogar regelmässig an den
Verhandlungen Theil und hatten berathende Stimme1). Im
Jahre 1885 verlangten, wohl in Erinnerung daran, zwei
Damen in Paris einfach die Eintragung in die Wähler-
listen auf Grund der Verfassungsbestimmung "jeder Franzose
ist Wähler", worüber der Kassationshof am 5. März 1885
in ablehnendem Sinne entschied2). Im schwedischen
Reichstag war 1884 vom Frauenstimmrecht die Rede, und
unterlag dasselbe mit nicht sehr grosser Mehrheit der Ver-
werfenden (53 gegen 44 in der zweiten Kammer); ebenso in
einer Prager Stadtverordneten-Sitzung von 1887. Auch
in Island, das eine eigene Volksvertretung besitzt (wäh-
rend die Faroer-Inseln in dem dänischen Volksthing mit-
vertreten sind), besteht für die Wahlen in dieselbe und die

1) Taine, Les origines de 1a France contemporaine, III. 292.
Singulärer Weise wurden die Frauen durch ein Dekret von 10./11.
Juni 1793 berufen an einer Abstimmung über die Gemeindegüter,
Theilung, Verkauf, Vermiethung etc. Theil zu nehmen, "tout individu
de tout sexe ayant droit au partage et age de 21 ans aura droit de
voter". Die Staatsmänner der Revolutionsperiode waren im Uebrigen
verschiedener Meinung. Condorcet war für das Frauenstimmrecht,
Mirabeau und Robespierre dagegen. Vergl. die Beilagen. That-
sächlich war der politische Einfluss der Frauen nicht unbedeutend,
Madame Roland war sogar der eigentliche leitende Genius der Giron-
disten-Partei.
2) Aehnliche Gerichtsentscheidungen sind auch in Amerika mehr-
fach vorgekommen.

Frauenstimmrecht.
Frankreich, wo die Handelsfrauen seit 1889 an den Wahlen
der Handelsrichter Theil nehmen dürfen. In diesem Jahre
(1897) hat der französische Senat das Recht der Frauen zur
Zeugnissabgabe, von Strafsachen auf alle bürgerlichen Rechts-
sachen ausgedehnt. In der ersten Revolution waren die Frauen
nahe daran die Rechtsgleichheit zu erlangen, in einzelnen
Sektionen von Paris nahmen sie sogar regelmässig an den
Verhandlungen Theil und hatten berathende Stimme1). Im
Jahre 1885 verlangten, wohl in Erinnerung daran, zwei
Damen in Paris einfach die Eintragung in die Wähler-
listen auf Grund der Verfassungsbestimmung «jeder Franzose
ist Wähler», worüber der Kassationshof am 5. März 1885
in ablehnendem Sinne entschied2). Im schwedischen
Reichstag war 1884 vom Frauenstimmrecht die Rede, und
unterlag dasselbe mit nicht sehr grosser Mehrheit der Ver-
werfenden (53 gegen 44 in der zweiten Kammer); ebenso in
einer Prager Stadtverordneten-Sitzung von 1887. Auch
in Island, das eine eigene Volksvertretung besitzt (wäh-
rend die Faroer-Inseln in dem dänischen Volksthing mit-
vertreten sind), besteht für die Wahlen in dieselbe und die

1) Taine, Les origines de 1a France contemporaine, III. 292.
Singulärer Weise wurden die Frauen durch ein Dekret von 10./11.
Juni 1793 berufen an einer Abstimmung über die Gemeindegüter,
Theilung, Verkauf, Vermiethung etc. Theil zu nehmen, «tout individu
de tout sexe ayant droit au partage et âgé de 21 ans aura droit de
voter». Die Staatsmänner der Revolutionsperiode waren im Uebrigen
verschiedener Meinung. Condorcet war für das Frauenstimmrecht,
Mirabeau und Robespierre dagegen. Vergl. die Beilagen. That-
sächlich war der politische Einfluss der Frauen nicht unbedeutend,
Madame Roland war sogar der eigentliche leitende Genius der Giron-
disten-Partei.
2) Aehnliche Gerichtsentscheidungen sind auch in Amerika mehr-
fach vorgekommen.
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[263/0023] Frauenstimmrecht. Frankreich, wo die Handelsfrauen seit 1889 an den Wahlen der Handelsrichter Theil nehmen dürfen. In diesem Jahre (1897) hat der französische Senat das Recht der Frauen zur Zeugnissabgabe, von Strafsachen auf alle bürgerlichen Rechts- sachen ausgedehnt. In der ersten Revolution waren die Frauen nahe daran die Rechtsgleichheit zu erlangen, in einzelnen Sektionen von Paris nahmen sie sogar regelmässig an den Verhandlungen Theil und hatten berathende Stimme 1). Im Jahre 1885 verlangten, wohl in Erinnerung daran, zwei Damen in Paris einfach die Eintragung in die Wähler- listen auf Grund der Verfassungsbestimmung «jeder Franzose ist Wähler», worüber der Kassationshof am 5. März 1885 in ablehnendem Sinne entschied 2). Im schwedischen Reichstag war 1884 vom Frauenstimmrecht die Rede, und unterlag dasselbe mit nicht sehr grosser Mehrheit der Ver- werfenden (53 gegen 44 in der zweiten Kammer); ebenso in einer Prager Stadtverordneten-Sitzung von 1887. Auch in Island, das eine eigene Volksvertretung besitzt (wäh- rend die Faroer-Inseln in dem dänischen Volksthing mit- vertreten sind), besteht für die Wahlen in dieselbe und die 1) Taine, Les origines de 1a France contemporaine, III. 292. Singulärer Weise wurden die Frauen durch ein Dekret von 10./11. Juni 1793 berufen an einer Abstimmung über die Gemeindegüter, Theilung, Verkauf, Vermiethung etc. Theil zu nehmen, «tout individu de tout sexe ayant droit au partage et âgé de 21 ans aura droit de voter». Die Staatsmänner der Revolutionsperiode waren im Uebrigen verschiedener Meinung. Condorcet war für das Frauenstimmrecht, Mirabeau und Robespierre dagegen. Vergl. die Beilagen. That- sächlich war der politische Einfluss der Frauen nicht unbedeutend, Madame Roland war sogar der eigentliche leitende Genius der Giron- disten-Partei. 2) Aehnliche Gerichtsentscheidungen sind auch in Amerika mehr- fach vorgekommen.

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/23>, abgerufen am 27.04.2024.