Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Frauenstimmrecht.

Ob es daneben weiblicher, oder "schamhafter" (was hie
und da auch noch angerufen wird) ist, wenn die Mädchen bloss
zur Jagd auf Männer destinirt werden, das wollen wir dem
"weiblichen Gefühl" zur Beurtheilung überlassen, welches an
diesem Punkte der "Unweiblichkeit" der Frauen -- Emanzi-
pationsbestrebungen den grössten Anstoss nimmt.1)

Eigenthümlich ist es auch, dass diejenigen, welche die
Beschäftigung mit Staatsangelegenheiten für unweiblich halten,
oder überhaupt von der freieren Stellung der Frauen in
Bezug auf Berufswahl Unglück für dieselben befürchten
(was ja in Bezug auf einige Berufsarten richtig sein könnte),
ihnen gerade diejenigen Berufsarten ungehindert ge-
statten, die wirklich in den allermeisten Fällen ein Unglück
für sie sind. Darüber sagt ein sehr berufener Zeuge

Als die Frau des Sokrates ihn in seinem Gefängniss weinend be-
suchte, halle dieser weiseste aller Männer für sie nur das eine Ab-
schiedswort: "Schafft mir das Weib vom Halse".
1) Etwas Unweiblicheres, als die Art wie diese jungen Wesen
oft von ihren Müttern zu einem Ball, oder einer Hofpräsentation, man
darf fast nicht mehr sagen angekleidet werden, giebt es überhaupt
nicht, und die Damen der englischen Aristokratie, welche das Stimm-
recht unweiblich finden, dürften sich auch das ein wenig über-
legen. Eine amerikanische Zeitung sagte darüber im letzten Jahre:
"When the question of woman suffrage was up in Albany last winter,
there were more women who appeared against it, than in favour of
it. It was the old cry. that for women to vote would unsex them.
I am not here to advocate on this platform woman suffrage, hut I
have seen hundreds of women educating and caring for their children
and maintaining worthless husbands. The only thing I have known
those husbands to do was to vote. I know ladies who manage large
properties, carry on extensive charities, employ great numbers of
men as superintendents, gardeners and workmen, and yet the super-
intendents, the gardeners and the workmen enact the laws which
govern and tax the woman, whose, income, energy, activity and in-
telligence support them all, and she has no voice in the matter."
Frauenstimmrecht.

Ob es daneben weiblicher, oder «schamhafter» (was hie
und da auch noch angerufen wird) ist, wenn die Mädchen bloss
zur Jagd auf Männer destinirt werden, das wollen wir dem
«weiblichen Gefühl» zur Beurtheilung überlassen, welches an
diesem Punkte der «Unweiblichkeit» der Frauen — Emanzi-
pationsbestrebungen den grössten Anstoss nimmt.1)

Eigenthümlich ist es auch, dass diejenigen, welche die
Beschäftigung mit Staatsangelegenheiten für unweiblich halten,
oder überhaupt von der freieren Stellung der Frauen in
Bezug auf Berufswahl Unglück für dieselben befürchten
(was ja in Bezug auf einige Berufsarten richtig sein könnte),
ihnen gerade diejenigen Berufsarten ungehindert ge-
statten, die wirklich in den allermeisten Fällen ein Unglück
für sie sind. Darüber sagt ein sehr berufener Zeuge

Als die Frau des Sokrates ihn in seinem Gefängniss weinend be-
suchte, halle dieser weiseste aller Männer für sie nur das eine Ab-
schiedswort: «Schafft mir das Weib vom Halse».
1) Etwas Unweiblicheres, als die Art wie diese jungen Wesen
oft von ihren Müttern zu einem Ball, oder einer Hofpräsentation, man
darf fast nicht mehr sagen angekleidet werden, giebt es überhaupt
nicht, und die Damen der englischen Aristokratie, welche das Stimm-
recht unweiblich finden, dürften sich auch das ein wenig über-
legen. Eine amerikanische Zeitung sagte darüber im letzten Jahre:
«When the question of woman suffrage was up in Albany last winter,
there were more women who appeared against it, than in favour of
it. It was the old cry. that for women to vote would unsex them.
I am not here to advocate on this platform woman suffrage, hut I
have seen hundreds of women educating and caring for their children
and maintaining worthless husbands. The only thing I have known
those husbands to do was to vote. I know ladies who manage large
properties, carry on extensive charities, employ great numbers of
men as superintendents, gardeners and workmen, and yet the super-
intendents, the gardeners and the workmen enact the laws which
govern and tax the woman, whose, income, energy, activity and in-
telligence support them all, and she has no voice in the matter.»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0045" n="285"/>
          <fw place="top" type="header">Frauenstimmrecht.</fw>
          <p>Ob es daneben weiblicher, oder «schamhafter» (was hie<lb/>
und da auch noch angerufen wird) ist, wenn die Mädchen bloss<lb/>
zur Jagd auf Männer destinirt werden, das wollen wir dem<lb/>
«weiblichen Gefühl» zur Beurtheilung überlassen, welches an<lb/>
diesem Punkte der «Unweiblichkeit» der Frauen &#x2014; Emanzi-<lb/>
pationsbestrebungen den grössten Anstoss nimmt.<note place="foot" n="1)">Etwas Unweiblicheres, als die Art wie diese jungen Wesen<lb/>
oft von ihren Müttern zu einem Ball, oder einer Hofpräsentation, man<lb/>
darf fast nicht mehr sagen <hi rendition="#g">an</hi>gekleidet werden, giebt es überhaupt<lb/>
nicht, und die Damen der englischen Aristokratie, welche das Stimm-<lb/>
recht unweiblich finden, dürften sich <hi rendition="#g">auch das</hi> ein wenig über-<lb/>
legen. Eine amerikanische Zeitung sagte darüber im letzten Jahre:<lb/>
«When the question of woman suffrage was up in Albany last winter,<lb/>
there were more women who appeared against it, than in favour of<lb/>
it. It was the old cry. that for women to vote would <hi rendition="#g">unsex</hi> them.<lb/>
I am not here to advocate on this platform woman suffrage, hut I<lb/>
have seen hundreds of women educating and caring for their children<lb/>
and maintaining worthless husbands. The only thing I have known<lb/>
those husbands to do was to vote. I know ladies who manage large<lb/>
properties, carry on extensive charities, employ great numbers of<lb/>
men as superintendents, gardeners and workmen, and yet the super-<lb/>
intendents, the gardeners and the workmen enact the laws which<lb/>
govern and tax the woman, whose, income, energy, activity and in-<lb/>
telligence support them all, and she has no voice in the matter.»</note></p><lb/>
          <p>Eigenthümlich ist es auch, dass diejenigen, welche die<lb/>
Beschäftigung mit Staatsangelegenheiten für unweiblich halten,<lb/>
oder überhaupt von der freieren Stellung der Frauen in<lb/>
Bezug auf Berufswahl Unglück für dieselben befürchten<lb/>
(was ja in Bezug auf <hi rendition="#g">einige</hi> Berufsarten richtig sein könnte),<lb/>
ihnen <hi rendition="#g">gerade diejenigen</hi> Berufsarten ungehindert ge-<lb/>
statten, die wirklich in den allermeisten Fällen ein Unglück<lb/>
für sie <hi rendition="#g">sind</hi>. Darüber sagt ein sehr berufener Zeuge<lb/><note xml:id="ID12" prev="#ID11" place="foot" n="1)">Als die Frau des Sokrates ihn in seinem Gefängniss weinend be-<lb/>
suchte, halle dieser weiseste aller Männer für sie nur das eine Ab-<lb/>
schiedswort: «Schafft mir das Weib vom Halse».</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0045] Frauenstimmrecht. Ob es daneben weiblicher, oder «schamhafter» (was hie und da auch noch angerufen wird) ist, wenn die Mädchen bloss zur Jagd auf Männer destinirt werden, das wollen wir dem «weiblichen Gefühl» zur Beurtheilung überlassen, welches an diesem Punkte der «Unweiblichkeit» der Frauen — Emanzi- pationsbestrebungen den grössten Anstoss nimmt. 1) Eigenthümlich ist es auch, dass diejenigen, welche die Beschäftigung mit Staatsangelegenheiten für unweiblich halten, oder überhaupt von der freieren Stellung der Frauen in Bezug auf Berufswahl Unglück für dieselben befürchten (was ja in Bezug auf einige Berufsarten richtig sein könnte), ihnen gerade diejenigen Berufsarten ungehindert ge- statten, die wirklich in den allermeisten Fällen ein Unglück für sie sind. Darüber sagt ein sehr berufener Zeuge 1) 1) Etwas Unweiblicheres, als die Art wie diese jungen Wesen oft von ihren Müttern zu einem Ball, oder einer Hofpräsentation, man darf fast nicht mehr sagen angekleidet werden, giebt es überhaupt nicht, und die Damen der englischen Aristokratie, welche das Stimm- recht unweiblich finden, dürften sich auch das ein wenig über- legen. Eine amerikanische Zeitung sagte darüber im letzten Jahre: «When the question of woman suffrage was up in Albany last winter, there were more women who appeared against it, than in favour of it. It was the old cry. that for women to vote would unsex them. I am not here to advocate on this platform woman suffrage, hut I have seen hundreds of women educating and caring for their children and maintaining worthless husbands. The only thing I have known those husbands to do was to vote. I know ladies who manage large properties, carry on extensive charities, employ great numbers of men as superintendents, gardeners and workmen, and yet the super- intendents, the gardeners and the workmen enact the laws which govern and tax the woman, whose, income, energy, activity and in- telligence support them all, and she has no voice in the matter.» 1) Als die Frau des Sokrates ihn in seinem Gefängniss weinend be- suchte, halle dieser weiseste aller Männer für sie nur das eine Ab- schiedswort: «Schafft mir das Weib vom Halse».

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-12T09:45:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-12T09:45:20Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-07-12T09:45:20Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: ignoriert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: expandiert, markiert
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/45
Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/45>, abgerufen am 28.04.2024.