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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
(Alexander Dumas, nach einer Mittheilung des "Figaro"):
"Madame! Wenn ein den niedrigsten Klassen der Gesellschaft
entstammendes Mädchen mich bittet, ihr den Eintritt in den
Bühnenberuf zu erleichtern, so gebe ich ihm die verlangte
Unterstützung, falls es hübsch und begabt ist. Aber einem
wohlgeborenen, ehrbaren, und mit Mitteln versehenen Fräulein
schlage ich das immer ab, in Anbetracht, dass für ein junges,
in solchen Verhältnissen lebendes Mädchen alles, selbst der
Tod, einem so abscheulichen Dasein vorzuziehen ist." Verbiete
man den Frauen also die theatralische Laufbahn, die jeden-
falls
ihnen, und durch sie Anderen, mehr schadet, als das
Stimmrecht. Es ist keine geringe Heuchelei bei dieser ganzen
Prophylaxe vorhanden. Im Uebrigen sind Stimmrecht und
völlig freie Berufswahl nicht unzertrennlich und die Frauen
können sich, wenn sie einmal das Stimmrecht besitzen,
selbst am allerbesten gegen diejenigen Berufe gesetzgeberisch
aussprechen, die sie für unweiblich, oder schädlich erachten,
worüber ihnen unseres Erachtens sogar das allein mass-
gebende Urtheil zusteht.

3. Manche Schriftsteller besorgen auch lebhaft, die Frauen
möchten durch die Beschäftigung mit dem Stimmzettel von
ihren weiblichen Arbeiten (will sagen von der Küche) abge-
halten werden. Darauf ist abermals zu erwidern, dass dies
nur der Fall sein könnte, wenn sie sich ausschliesslich mit
Politik beschäftigen würden, oder in Folge des passiven
Wahlrechts zu zeitraubenden politischen Stellungen gelangten.
Das wird stets eine grosse Ausnahme bleiben. Die Ausübung
der gewöhnlichen bürgerlichen Rechte nimmt selbst bei uns so
wenig Zeit in Anspruch, dass sogar an Abstimmungstagen die
Küche, oder die sonstige häusliche Bequemlichkeit der Ehe-
gatten, Väter und Brüder darunter nicht viel zu leiden haben
wird.

Frauenstimmrecht.
(Alexander Dumas, nach einer Mittheilung des «Figaro»):
«Madame! Wenn ein den niedrigsten Klassen der Gesellschaft
entstammendes Mädchen mich bittet, ihr den Eintritt in den
Bühnenberuf zu erleichtern, so gebe ich ihm die verlangte
Unterstützung, falls es hübsch und begabt ist. Aber einem
wohlgeborenen, ehrbaren, und mit Mitteln versehenen Fräulein
schlage ich das immer ab, in Anbetracht, dass für ein junges,
in solchen Verhältnissen lebendes Mädchen alles, selbst der
Tod, einem so abscheulichen Dasein vorzuziehen ist.» Verbiete
man den Frauen also die theatralische Laufbahn, die jeden-
falls
ihnen, und durch sie Anderen, mehr schadet, als das
Stimmrecht. Es ist keine geringe Heuchelei bei dieser ganzen
Prophylaxe vorhanden. Im Uebrigen sind Stimmrecht und
völlig freie Berufswahl nicht unzertrennlich und die Frauen
können sich, wenn sie einmal das Stimmrecht besitzen,
selbst am allerbesten gegen diejenigen Berufe gesetzgeberisch
aussprechen, die sie für unweiblich, oder schädlich erachten,
worüber ihnen unseres Erachtens sogar das allein mass-
gebende Urtheil zusteht.

3. Manche Schriftsteller besorgen auch lebhaft, die Frauen
möchten durch die Beschäftigung mit dem Stimmzettel von
ihren weiblichen Arbeiten (will sagen von der Küche) abge-
halten werden. Darauf ist abermals zu erwidern, dass dies
nur der Fall sein könnte, wenn sie sich ausschliesslich mit
Politik beschäftigen würden, oder in Folge des passiven
Wahlrechts zu zeitraubenden politischen Stellungen gelangten.
Das wird stets eine grosse Ausnahme bleiben. Die Ausübung
der gewöhnlichen bürgerlichen Rechte nimmt selbst bei uns so
wenig Zeit in Anspruch, dass sogar an Abstimmungstagen die
Küche, oder die sonstige häusliche Bequemlichkeit der Ehe-
gatten, Väter und Brüder darunter nicht viel zu leiden haben
wird.

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[286/0046] Frauenstimmrecht. (Alexander Dumas, nach einer Mittheilung des «Figaro»): «Madame! Wenn ein den niedrigsten Klassen der Gesellschaft entstammendes Mädchen mich bittet, ihr den Eintritt in den Bühnenberuf zu erleichtern, so gebe ich ihm die verlangte Unterstützung, falls es hübsch und begabt ist. Aber einem wohlgeborenen, ehrbaren, und mit Mitteln versehenen Fräulein schlage ich das immer ab, in Anbetracht, dass für ein junges, in solchen Verhältnissen lebendes Mädchen alles, selbst der Tod, einem so abscheulichen Dasein vorzuziehen ist.» Verbiete man den Frauen also die theatralische Laufbahn, die jeden- falls ihnen, und durch sie Anderen, mehr schadet, als das Stimmrecht. Es ist keine geringe Heuchelei bei dieser ganzen Prophylaxe vorhanden. Im Uebrigen sind Stimmrecht und völlig freie Berufswahl nicht unzertrennlich und die Frauen können sich, wenn sie einmal das Stimmrecht besitzen, selbst am allerbesten gegen diejenigen Berufe gesetzgeberisch aussprechen, die sie für unweiblich, oder schädlich erachten, worüber ihnen unseres Erachtens sogar das allein mass- gebende Urtheil zusteht. 3. Manche Schriftsteller besorgen auch lebhaft, die Frauen möchten durch die Beschäftigung mit dem Stimmzettel von ihren weiblichen Arbeiten (will sagen von der Küche) abge- halten werden. Darauf ist abermals zu erwidern, dass dies nur der Fall sein könnte, wenn sie sich ausschliesslich mit Politik beschäftigen würden, oder in Folge des passiven Wahlrechts zu zeitraubenden politischen Stellungen gelangten. Das wird stets eine grosse Ausnahme bleiben. Die Ausübung der gewöhnlichen bürgerlichen Rechte nimmt selbst bei uns so wenig Zeit in Anspruch, dass sogar an Abstimmungstagen die Küche, oder die sonstige häusliche Bequemlichkeit der Ehe- gatten, Väter und Brüder darunter nicht viel zu leiden haben wird.

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/46>, abgerufen am 28.04.2024.