Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.Frauenstimmrecht.
zu gelangen, ist Klassenegoismus, oder -- Furcht.1)In den westafrikanischen Gebieten kommt es vor, dass die Männer den armen, geplagten Weibern, die ihre Arbeits- sklaven sind, das Essen von Hühner-, Schaf- und Ziegen- fleisch, des Besten, was sie haben, "aus Religionsgründen" verbieten, um es für sich behalten zu können. So ist es heute noch vielfach unter uns. Die Frauen sind selbst überzeugt, dass sie nicht gleichberechtigt seien und sein können, nachdem man ihnen das lange vorgesagt hat und ihr ganzes Streben nach Emanzipation geht auf die Ehe. Und mit welchem Resultat? In den grösseren romanischen Ländern ist die Frau von Rechtswegen Sklavin, so gut und oft mehr noch als im Orient.2) Sie herrscht vielleicht durch 1) Der Klavier-Virtuose Hans von Bülow war z. B. ein solcher Gegner der Frauenrechte und hatte vielleicht Ursache dazu. Dem muss man immer zuerst nachfragen, wenn Jemand gegen irgend eine Befreiung lebhaft auftritt. Sehr viele männliche Gegner derselben haben schlimme Erfahrungen im eigenen Hause gemacht und ebenso ist bei den weiblichen die Opposition oft nichts, als eine an sich lobenswerthe Selbsterkenntniss, die aber von sich auf alle Andern schliesst. 2) Uebrigens gehen auch die orientalischen Staaten gerade an der
Geringschätzung der Frauen zu Grunde. Die Türken würden ihren Staat in Europa erhalten können ohne dieselbe. Aber auch bei uns giebt es Männer, welche die Frau wie ein hübsches Thier betrachten, dem man eine Halfter umwirft und es willenlos wegführt wohin man will, und füttert, so lange man es gern haben will. In einer Bericht- erstattung eines angesehenen deutschen Blattes über einen grossen Kongress vom Jahre 1897 konnte man z. B. folgenden Passus lesen: "In dem mit den Zierrathen und Emblemen des feuchtfröhlichen Münchener Bierlebens überreich geschmückten kleinen Saal des kgl. Hofbräuhauses, der aus diesem Anlass durch eine ebenso fröhliche als trinkfeste Corona seiner eigentlichen Bestimmung übergeben wurde, fand Abends die übliche Begrüssung der Gäste statt. Wie Frauenstimmrecht.
zu gelangen, ist Klassenegoismus, oder — Furcht.1)In den westafrikanischen Gebieten kommt es vor, dass die Männer den armen, geplagten Weibern, die ihre Arbeits- sklaven sind, das Essen von Hühner-, Schaf- und Ziegen- fleisch, des Besten, was sie haben, «aus Religionsgründen» verbieten, um es für sich behalten zu können. So ist es heute noch vielfach unter uns. Die Frauen sind selbst überzeugt, dass sie nicht gleichberechtigt seien und sein können, nachdem man ihnen das lange vorgesagt hat und ihr ganzes Streben nach Emanzipation geht auf die Ehe. Und mit welchem Resultat? In den grösseren romanischen Ländern ist die Frau von Rechtswegen Sklavin, so gut und oft mehr noch als im Orient.2) Sie herrscht vielleicht durch 1) Der Klavier-Virtuose Hans von Bülow war z. B. ein solcher Gegner der Frauenrechte und hatte vielleicht Ursache dazu. Dem muss man immer zuerst nachfragen, wenn Jemand gegen irgend eine Befreiung lebhaft auftritt. Sehr viele männliche Gegner derselben haben schlimme Erfahrungen im eigenen Hause gemacht und ebenso ist bei den weiblichen die Opposition oft nichts, als eine an sich lobenswerthe Selbsterkenntniss, die aber von sich auf alle Andern schliesst. 2) Uebrigens gehen auch die orientalischen Staaten gerade an der
Geringschätzung der Frauen zu Grunde. Die Türken würden ihren Staat in Europa erhalten können ohne dieselbe. Aber auch bei uns giebt es Männer, welche die Frau wie ein hübsches Thier betrachten, dem man eine Halfter umwirft und es willenlos wegführt wohin man will, und füttert, so lange man es gern haben will. In einer Bericht- erstattung eines angesehenen deutschen Blattes über einen grossen Kongress vom Jahre 1897 konnte man z. B. folgenden Passus lesen: «In dem mit den Zierrathen und Emblemen des feuchtfröhlichen Münchener Bierlebens überreich geschmückten kleinen Saal des kgl. Hofbräuhauses, der aus diesem Anlass durch eine ebenso fröhliche als trinkfeste Corona seiner eigentlichen Bestimmung übergeben wurde, fand Abends die übliche Begrüssung der Gäste statt. Wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="292"/><fw place="top" type="header">Frauenstimmrecht.</fw> zu gelangen, ist <hi rendition="#g">Klassenegoismus</hi>, oder — <hi rendition="#g">Furcht</hi>.<note place="foot" n="1)">Der Klavier-Virtuose Hans von Bülow war z. B. ein solcher<lb/> Gegner der Frauenrechte und hatte vielleicht Ursache dazu. Dem<lb/> muss man immer <hi rendition="#g">zuerst</hi> nachfragen, wenn Jemand gegen <hi rendition="#g">irgend<lb/> eine Befreiung</hi> lebhaft auftritt. Sehr viele männliche Gegner<lb/> derselben haben schlimme Erfahrungen im eigenen Hause gemacht<lb/> und ebenso ist bei den weiblichen die Opposition oft nichts, als<lb/> eine an sich lobenswerthe <hi rendition="#g">Selbsterkenntniss</hi>, die aber von<lb/> sich auf alle Andern schliesst.</note><lb/> In den westafrikanischen Gebieten kommt es vor, dass die<lb/> Männer den armen, geplagten Weibern, die ihre Arbeits-<lb/> sklaven sind, das Essen von Hühner-, Schaf- und Ziegen-<lb/> fleisch, des Besten, was sie haben, «aus Religionsgründen»<lb/> verbieten, um es für sich behalten zu können. So ist es<lb/> heute noch vielfach unter uns. Die Frauen sind selbst<lb/> überzeugt, dass sie <hi rendition="#g">nicht</hi> gleichberechtigt seien und sein<lb/> können, nachdem man ihnen das lange vorgesagt hat und<lb/> ihr ganzes Streben nach Emanzipation geht auf die Ehe.<lb/> Und mit welchem Resultat? In den grösseren romanischen<lb/> Ländern ist die Frau von Rechtswegen Sklavin, so gut und<lb/> oft mehr noch als im Orient.<note xml:id="ID13" next="#ID14" place="foot" n="2)">Uebrigens gehen auch die orientalischen Staaten gerade an der<lb/> Geringschätzung der Frauen zu Grunde. Die Türken würden ihren<lb/> Staat in Europa erhalten können ohne dieselbe. Aber auch bei uns<lb/> giebt es Männer, welche die Frau wie ein hübsches Thier betrachten,<lb/> dem man eine Halfter umwirft und es willenlos wegführt wohin man<lb/> will, und füttert, so lange man es gern haben will. In einer Bericht-<lb/> erstattung eines angesehenen deutschen Blattes über einen grossen<lb/> Kongress vom Jahre 1897 konnte man z. B. folgenden Passus lesen:<lb/> «In dem mit den Zierrathen und Emblemen des feuchtfröhlichen<lb/> Münchener Bierlebens überreich geschmückten kleinen Saal des kgl.<lb/><hi rendition="#g">Hofbräuhauses</hi>, der aus diesem Anlass durch eine ebenso fröhliche<lb/> als trinkfeste Corona seiner eigentlichen Bestimmung übergeben<lb/> wurde, fand Abends die übliche Begrüssung der Gäste statt. Wie</note> Sie herrscht vielleicht durch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [292/0052]
Frauenstimmrecht.
zu gelangen, ist Klassenegoismus, oder — Furcht. 1)
In den westafrikanischen Gebieten kommt es vor, dass die
Männer den armen, geplagten Weibern, die ihre Arbeits-
sklaven sind, das Essen von Hühner-, Schaf- und Ziegen-
fleisch, des Besten, was sie haben, «aus Religionsgründen»
verbieten, um es für sich behalten zu können. So ist es
heute noch vielfach unter uns. Die Frauen sind selbst
überzeugt, dass sie nicht gleichberechtigt seien und sein
können, nachdem man ihnen das lange vorgesagt hat und
ihr ganzes Streben nach Emanzipation geht auf die Ehe.
Und mit welchem Resultat? In den grösseren romanischen
Ländern ist die Frau von Rechtswegen Sklavin, so gut und
oft mehr noch als im Orient. 2) Sie herrscht vielleicht durch
1) Der Klavier-Virtuose Hans von Bülow war z. B. ein solcher
Gegner der Frauenrechte und hatte vielleicht Ursache dazu. Dem
muss man immer zuerst nachfragen, wenn Jemand gegen irgend
eine Befreiung lebhaft auftritt. Sehr viele männliche Gegner
derselben haben schlimme Erfahrungen im eigenen Hause gemacht
und ebenso ist bei den weiblichen die Opposition oft nichts, als
eine an sich lobenswerthe Selbsterkenntniss, die aber von
sich auf alle Andern schliesst.
2) Uebrigens gehen auch die orientalischen Staaten gerade an der
Geringschätzung der Frauen zu Grunde. Die Türken würden ihren
Staat in Europa erhalten können ohne dieselbe. Aber auch bei uns
giebt es Männer, welche die Frau wie ein hübsches Thier betrachten,
dem man eine Halfter umwirft und es willenlos wegführt wohin man
will, und füttert, so lange man es gern haben will. In einer Bericht-
erstattung eines angesehenen deutschen Blattes über einen grossen
Kongress vom Jahre 1897 konnte man z. B. folgenden Passus lesen:
«In dem mit den Zierrathen und Emblemen des feuchtfröhlichen
Münchener Bierlebens überreich geschmückten kleinen Saal des kgl.
Hofbräuhauses, der aus diesem Anlass durch eine ebenso fröhliche
als trinkfeste Corona seiner eigentlichen Bestimmung übergeben
wurde, fand Abends die übliche Begrüssung der Gäste statt. Wie
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(2013-07-12T09:45:20Z)
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