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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
Fall ist, aber ohne dass alle weiblichen Individuen an dieser
bevorzugten Stellung Theil nehmen1).

Die Bibel motivirt die geringere Stellung der Frau
theils mit einer späteren Erschaffung derselben, theils mit einer
grösseren Empfänglichkeit für eine Verleitung zu Abirrungen
von dem rechten Lebenswege2). Dessenungeachtet enthält

Verbesserung ihres Loses ernstlich beschäftigen wollen, müssten
unseres Erachtens sich vor allen Dingen von allem Naturalismus
ganz entschieden abwenden, der ihnen nur schaden kann und sie
in der Achtung der sittlichen Männer herabsetzt. Die anderen
allerdings lieben das um so mehr, aber aus egoistischen Gründen.
Die Frauen sind geborne und prädestinirte Idealisten und wenn sie
davon selber abgehen, verlieren sie leicht den Boden, auf dem sie
allein mit Erfolg für ihr Recht eintreten können, sowie ganz
sicher
die ihnen vorläufig noch unentbehrliche Bundesgenossenschaft
der Besten des anderen Geschlechts, die ihnen nicht durch den
Beifall der Uebrigen ersetzt wird. Eine Frau, die für Zola oder
Ibsen schwärmt, oder Darwin und Schopenhauer studirt, und davon
eine Besserung in der Stellung ihres Geschlechts erhofft, verkennt
die Natur der Frage und ihren Beruf darin und wird niemals das
wirkliche Ziel einer Frauenbewegung erreichen, oder auch nur
dessen Erreichung befördern, sondern das Misstrauen gegen diese
Bestrebungen, das ohnehin in weiten Kreisen besteht, verstärken
helfen.
1) Bei den Bienen ist die Königin das einzige weibliche Wesen,
das für die Nachkommenschaft sorgt, weibliche Anführer kommen
aber unseres Wissens auch bei anderen Thiergattungen vor. Ebenso
fand Stanley bei den innerafrikanischen Zwergvölkern eine Königin.
Vergl. auch I. Kön. X.; Ap.-Gesch. VIII, 27.
2) I. Mose II, 18. 23; III, 16. Die sehr schlagfertige Frau Booth
antwortet jedoch einem englischen Theologen auf diese Citation mit
der Gegenbemerkung, die unbestreitbar ist, dass lauter Männer den
Heiland verrathen, verurtheill und gekreuzigt hätten, während eine
Frau davor warnte. (Ev. Matth. XXVII, 10.) Sie hätte noch beifügen
können, was uns schon in unserem geistlosen Jugend-Religionsunter-
richt auffiel, dass von den beiden Sündern im Paradiese der männ-

Frauenstimmrecht.
Fall ist, aber ohne dass alle weiblichen Individuen an dieser
bevorzugten Stellung Theil nehmen1).

Die Bibel motivirt die geringere Stellung der Frau
theils mit einer späteren Erschaffung derselben, theils mit einer
grösseren Empfänglichkeit für eine Verleitung zu Abirrungen
von dem rechten Lebenswege2). Dessenungeachtet enthält

Verbesserung ihres Loses ernstlich beschäftigen wollen, müssten
unseres Erachtens sich vor allen Dingen von allem Naturalismus
ganz entschieden abwenden, der ihnen nur schaden kann und sie
in der Achtung der sittlichen Männer herabsetzt. Die anderen
allerdings lieben das um so mehr, aber aus egoistischen Gründen.
Die Frauen sind geborne und prädestinirte Idealisten und wenn sie
davon selber abgehen, verlieren sie leicht den Boden, auf dem sie
allein mit Erfolg für ihr Recht eintreten können, sowie ganz
sicher
die ihnen vorläufig noch unentbehrliche Bundesgenossenschaft
der Besten des anderen Geschlechts, die ihnen nicht durch den
Beifall der Uebrigen ersetzt wird. Eine Frau, die für Zola oder
Ibsen schwärmt, oder Darwin und Schopenhauer studirt, und davon
eine Besserung in der Stellung ihres Geschlechts erhofft, verkennt
die Natur der Frage und ihren Beruf darin und wird niemals das
wirkliche Ziel einer Frauenbewegung erreichen, oder auch nur
dessen Erreichung befördern, sondern das Misstrauen gegen diese
Bestrebungen, das ohnehin in weiten Kreisen besteht, verstärken
helfen.
1) Bei den Bienen ist die Königin das einzige weibliche Wesen,
das für die Nachkommenschaft sorgt, weibliche Anführer kommen
aber unseres Wissens auch bei anderen Thiergattungen vor. Ebenso
fand Stanley bei den innerafrikanischen Zwergvölkern eine Königin.
Vergl. auch I. Kön. X.; Ap.-Gesch. VIII, 27.
2) I. Mose II, 18. 23; III, 16. Die sehr schlagfertige Frau Booth
antwortet jedoch einem englischen Theologen auf diese Citation mit
der Gegenbemerkung, die unbestreitbar ist, dass lauter Männer den
Heiland verrathen, verurtheill und gekreuzigt hätten, während eine
Frau davor warnte. (Ev. Matth. XXVII, 10.) Sie hätte noch beifügen
können, was uns schon in unserem geistlosen Jugend-Religionsunter-
richt auffiel, dass von den beiden Sündern im Paradiese der männ-
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[247/0007] Frauenstimmrecht. Fall ist, aber ohne dass alle weiblichen Individuen an dieser bevorzugten Stellung Theil nehmen 1). Die Bibel motivirt die geringere Stellung der Frau theils mit einer späteren Erschaffung derselben, theils mit einer grösseren Empfänglichkeit für eine Verleitung zu Abirrungen von dem rechten Lebenswege 2). Dessenungeachtet enthält 1) 1) Bei den Bienen ist die Königin das einzige weibliche Wesen, das für die Nachkommenschaft sorgt, weibliche Anführer kommen aber unseres Wissens auch bei anderen Thiergattungen vor. Ebenso fand Stanley bei den innerafrikanischen Zwergvölkern eine Königin. Vergl. auch I. Kön. X.; Ap.-Gesch. VIII, 27. 2) I. Mose II, 18. 23; III, 16. Die sehr schlagfertige Frau Booth antwortet jedoch einem englischen Theologen auf diese Citation mit der Gegenbemerkung, die unbestreitbar ist, dass lauter Männer den Heiland verrathen, verurtheill und gekreuzigt hätten, während eine Frau davor warnte. (Ev. Matth. XXVII, 10.) Sie hätte noch beifügen können, was uns schon in unserem geistlosen Jugend-Religionsunter- richt auffiel, dass von den beiden Sündern im Paradiese der männ- 1) Verbesserung ihres Loses ernstlich beschäftigen wollen, müssten unseres Erachtens sich vor allen Dingen von allem Naturalismus ganz entschieden abwenden, der ihnen nur schaden kann und sie in der Achtung der sittlichen Männer herabsetzt. Die anderen allerdings lieben das um so mehr, aber aus egoistischen Gründen. Die Frauen sind geborne und prädestinirte Idealisten und wenn sie davon selber abgehen, verlieren sie leicht den Boden, auf dem sie allein mit Erfolg für ihr Recht eintreten können, sowie ganz sicher die ihnen vorläufig noch unentbehrliche Bundesgenossenschaft der Besten des anderen Geschlechts, die ihnen nicht durch den Beifall der Uebrigen ersetzt wird. Eine Frau, die für Zola oder Ibsen schwärmt, oder Darwin und Schopenhauer studirt, und davon eine Besserung in der Stellung ihres Geschlechts erhofft, verkennt die Natur der Frage und ihren Beruf darin und wird niemals das wirkliche Ziel einer Frauenbewegung erreichen, oder auch nur dessen Erreichung befördern, sondern das Misstrauen gegen diese Bestrebungen, das ohnehin in weiten Kreisen besteht, verstärken helfen.

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/7>, abgerufen am 28.04.2024.