Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber die Sprachen sagt' ich lieber Vater?

Nur ein' ist da und keinem wird ein Wort
fehlen. Sieh! wie fein und lieblich ist's,
wenn Brüder einträchtlich bey einander woh-
nen wirds von Gedanken und von Worten
heißen. Es werden Zwillinge seyn, wie Nach-
bars Kinder werden sie zusammenhalten.

Hier fuhr er fort, lernen wir Spra-
chen um mit der Natur umgehen zu kön-
nen. Wir wollen uns ihr gerne bequemen
und da ihre Hofsprache unbekannt ist, halten
wir viele Sprachen in Bereitschaft, und
kommen, da kein Mensch mehr als eine Spra-
che recht wissen kann, mit einem Frachtwagen
voll Grammaticken und Wörterbüchern um
bey der Königin Natur mit Beyhülfe dieser
Dolmetscher Audienz zu haben!

Die Natur versteht wie Gott der Herr,
eben so gut deutsch als griechisch und latei-
nisch, auch sie will nicht mit Worten sondern
im Geist und in der Wahrheit verehret seyn.
Eine Sprache ist der Hauptstul das eigent-
liche Capital, die andern sind die Zinsen.

In dieser Welt sprachst du mit Gott
deutsch. Jachnis spricht lettisch mit ihm.
Wenn ein Deutscher französisch betet läßt
er sich vom lieben Gott französische Vocabeln

über-

Aber die Sprachen ſagt’ ich lieber Vater?

Nur ein’ iſt da und keinem wird ein Wort
fehlen. Sieh! wie fein und lieblich iſt’s,
wenn Bruͤder eintraͤchtlich bey einander woh-
nen wirds von Gedanken und von Worten
heißen. Es werden Zwillinge ſeyn, wie Nach-
bars Kinder werden ſie zuſammenhalten.

Hier fuhr er fort, lernen wir Spra-
chen um mit der Natur umgehen zu koͤn-
nen. Wir wollen uns ihr gerne bequemen
und da ihre Hofſprache unbekannt iſt, halten
wir viele Sprachen in Bereitſchaft, und
kommen, da kein Menſch mehr als eine Spra-
che recht wiſſen kann, mit einem Frachtwagen
voll Grammaticken und Woͤrterbuͤchern um
bey der Koͤnigin Natur mit Beyhuͤlfe dieſer
Dolmetſcher Audienz zu haben!

Die Natur verſteht wie Gott der Herr,
eben ſo gut deutſch als griechiſch und latei-
niſch, auch ſie will nicht mit Worten ſondern
im Geiſt und in der Wahrheit verehret ſeyn.
Eine Sprache iſt der Hauptſtul das eigent-
liche Capital, die andern ſind die Zinſen.

In dieſer Welt ſprachſt du mit Gott
deutſch. Jachnis ſpricht lettiſch mit ihm.
Wenn ein Deutſcher franzoͤſiſch betet laͤßt
er ſich vom lieben Gott franzoͤſiſche Vocabeln

uͤber-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="144"/>
Aber die Sprachen &#x017F;agt&#x2019; ich lieber Vater?</p><lb/>
        <p>Nur ein&#x2019; i&#x017F;t da und keinem wird ein Wort<lb/>
fehlen. Sieh! wie fein und lieblich i&#x017F;t&#x2019;s,<lb/>
wenn Bru&#x0364;der eintra&#x0364;chtlich bey einander woh-<lb/>
nen wirds von Gedanken und von Worten<lb/>
heißen. Es werden Zwillinge &#x017F;eyn, wie Nach-<lb/>
bars Kinder werden &#x017F;ie zu&#x017F;ammenhalten.</p><lb/>
        <p>Hier fuhr er fort, lernen wir Spra-<lb/>
chen um mit der Natur umgehen zu ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Wir wollen uns ihr gerne bequemen<lb/>
und da ihre Hof&#x017F;prache unbekannt i&#x017F;t, halten<lb/>
wir viele Sprachen in Bereit&#x017F;chaft, und<lb/>
kommen, da kein Men&#x017F;ch mehr als eine Spra-<lb/>
che recht wi&#x017F;&#x017F;en kann, mit einem Frachtwagen<lb/>
voll Grammaticken und Wo&#x0364;rterbu&#x0364;chern um<lb/>
bey der Ko&#x0364;nigin Natur mit Beyhu&#x0364;lfe die&#x017F;er<lb/>
Dolmet&#x017F;cher Audienz zu haben!</p><lb/>
        <p>Die Natur ver&#x017F;teht wie Gott der Herr,<lb/>
eben &#x017F;o gut deut&#x017F;ch als griechi&#x017F;ch und latei-<lb/>
ni&#x017F;ch, auch &#x017F;ie will nicht mit Worten &#x017F;ondern<lb/>
im Gei&#x017F;t und in der Wahrheit verehret &#x017F;eyn.<lb/>
Eine Sprache i&#x017F;t der Haupt&#x017F;tul das eigent-<lb/>
liche Capital, die andern &#x017F;ind die Zin&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>In die&#x017F;er Welt &#x017F;prach&#x017F;t du mit Gott<lb/>
deut&#x017F;ch. Jachnis &#x017F;pricht letti&#x017F;ch mit ihm.<lb/>
Wenn ein Deut&#x017F;cher franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch betet la&#x0364;ßt<lb/>
er &#x017F;ich vom lieben Gott franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Vocabeln<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">u&#x0364;ber-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0152] Aber die Sprachen ſagt’ ich lieber Vater? Nur ein’ iſt da und keinem wird ein Wort fehlen. Sieh! wie fein und lieblich iſt’s, wenn Bruͤder eintraͤchtlich bey einander woh- nen wirds von Gedanken und von Worten heißen. Es werden Zwillinge ſeyn, wie Nach- bars Kinder werden ſie zuſammenhalten. Hier fuhr er fort, lernen wir Spra- chen um mit der Natur umgehen zu koͤn- nen. Wir wollen uns ihr gerne bequemen und da ihre Hofſprache unbekannt iſt, halten wir viele Sprachen in Bereitſchaft, und kommen, da kein Menſch mehr als eine Spra- che recht wiſſen kann, mit einem Frachtwagen voll Grammaticken und Woͤrterbuͤchern um bey der Koͤnigin Natur mit Beyhuͤlfe dieſer Dolmetſcher Audienz zu haben! Die Natur verſteht wie Gott der Herr, eben ſo gut deutſch als griechiſch und latei- niſch, auch ſie will nicht mit Worten ſondern im Geiſt und in der Wahrheit verehret ſeyn. Eine Sprache iſt der Hauptſtul das eigent- liche Capital, die andern ſind die Zinſen. In dieſer Welt ſprachſt du mit Gott deutſch. Jachnis ſpricht lettiſch mit ihm. Wenn ein Deutſcher franzoͤſiſch betet laͤßt er ſich vom lieben Gott franzoͤſiſche Vocabeln uͤber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/152
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/152>, abgerufen am 21.11.2024.