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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Dichter hat das kleinste Donum docendi setze
ihn auf einen Lehrstuhl auf welchen du wilst.
Er wirft Strahlen allein die meiste Zeit ist
er umwölckt. Aratus hat ein berühmtes
Gedicht über die Astronomie geschrieben, ohne
daß er sie verstand. Er würde kein Gedicht
wenigstens kein berühmtes darüber geschrie-
ben haben wenn er sie verstanden hätte. So
nachläßig der Anzug eines Dichters ist; so
sieht's auch mit seinem Wissen aus. Da
fehlt ein Hemdeknöpfchen da hat das Kleid
einen Coffeeflecken und an den Beinkleidern
fehlt vorzüglich bei jedem Dichter was. Bitt'
ihn sein Stubenfenster zu zumachen; er rie-
gelt nichts zu, er zieht nur an. Es ist kein
gemeines sondern ein heiliges Dunckel so den
Dichter umgiebt. Eine schöne Dämmerung
und nach Bewandnis der Umstände Morgen
oder Abend --

Wer vielerley weiß ist biegsam wer einer-
ley weiß ist stolz. Jener sieht ein, wie
viel ihm fehlt, dieser ist ein Hahn auf dem
Miste.

Haben wir mehr Wege zur Seele als
Empfindung und Reflexion? Wer dies die
hohe und jenes die untere Schule nennt hat
sich übel erkläret.


Das
N 4

Dichter hat das kleinſte Donum docendi ſetze
ihn auf einen Lehrſtuhl auf welchen du wilſt.
Er wirft Strahlen allein die meiſte Zeit iſt
er umwoͤlckt. Aratus hat ein beruͤhmtes
Gedicht uͤber die Aſtronomie geſchrieben, ohne
daß er ſie verſtand. Er wuͤrde kein Gedicht
wenigſtens kein beruͤhmtes daruͤber geſchrie-
ben haben wenn er ſie verſtanden haͤtte. So
nachlaͤßig der Anzug eines Dichters iſt; ſo
ſieht’s auch mit ſeinem Wiſſen aus. Da
fehlt ein Hemdeknoͤpfchen da hat das Kleid
einen Coffeeflecken und an den Beinkleidern
fehlt vorzuͤglich bei jedem Dichter was. Bitt’
ihn ſein Stubenfenſter zu zumachen; er rie-
gelt nichts zu, er zieht nur an. Es iſt kein
gemeines ſondern ein heiliges Dunckel ſo den
Dichter umgiebt. Eine ſchoͤne Daͤmmerung
und nach Bewandnis der Umſtaͤnde Morgen
oder Abend —

Wer vielerley weiß iſt biegſam wer einer-
ley weiß iſt ſtolz. Jener ſieht ein, wie
viel ihm fehlt, dieſer iſt ein Hahn auf dem
Miſte.

Haben wir mehr Wege zur Seele als
Empfindung und Reflexion? Wer dies die
hohe und jenes die untere Schule nennt hat
ſich uͤbel erklaͤret.


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N 4
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[197/0205] Dichter hat das kleinſte Donum docendi ſetze ihn auf einen Lehrſtuhl auf welchen du wilſt. Er wirft Strahlen allein die meiſte Zeit iſt er umwoͤlckt. Aratus hat ein beruͤhmtes Gedicht uͤber die Aſtronomie geſchrieben, ohne daß er ſie verſtand. Er wuͤrde kein Gedicht wenigſtens kein beruͤhmtes daruͤber geſchrie- ben haben wenn er ſie verſtanden haͤtte. So nachlaͤßig der Anzug eines Dichters iſt; ſo ſieht’s auch mit ſeinem Wiſſen aus. Da fehlt ein Hemdeknoͤpfchen da hat das Kleid einen Coffeeflecken und an den Beinkleidern fehlt vorzuͤglich bei jedem Dichter was. Bitt’ ihn ſein Stubenfenſter zu zumachen; er rie- gelt nichts zu, er zieht nur an. Es iſt kein gemeines ſondern ein heiliges Dunckel ſo den Dichter umgiebt. Eine ſchoͤne Daͤmmerung und nach Bewandnis der Umſtaͤnde Morgen oder Abend — Wer vielerley weiß iſt biegſam wer einer- ley weiß iſt ſtolz. Jener ſieht ein, wie viel ihm fehlt, dieſer iſt ein Hahn auf dem Miſte. Haben wir mehr Wege zur Seele als Empfindung und Reflexion? Wer dies die hohe und jenes die untere Schule nennt hat ſich uͤbel erklaͤret. Das N 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/205>, abgerufen am 24.11.2024.