des entspringt, Wahrheit ist die Ueberein- stimmung der Erkenntniß mit dem Gegen- stande. Wenn also gefragt wird, was ist Wahrheit? reine gediegene Wahrheit? so kann man nicht beßer drauf antworten, als Wahrheit ist Wahrheit. Wenn mir nicht ein Gegenstand gegeben wird; so kann ja auch keine Probe der Uebereinstimmung ge- zogen werden. Eine Erklärung der Wahr- heit in der Art zu geben, daß sie auf alle Objekte ohn' Unterschied paßt, ist unmöglich. Jeder hat seine Uhr, jeder seine Brille, je- der sein Pferd -- und jeder seinen Hund, seinen Argos, setzte Herr v. G. hinzu. Ein allgemeines Wahrheitsmerkzeichen, wo ist es? Eine Regel, die all' Objekte umfaßt und sie herzt und küßt, wo ist sie? Ich muß verglei- chen Erkenntniß und Gegenstand; wenn ich aber keinen Gegenstand habe, wie kann ich's? Vielleicht könnte sie, die Uebereinstimmung der Erkenntniß mit den Gesetzen des Verstan- des und der Vernunft heißen, und der Ir- thum, der Widerstreit der Erkenntniß mit den Gesetzen des Verstandes und der Ver- nunft -- vielleicht! -- --
Die Seel' in jeder Sache, oder dasje- nige in der Erkenntniß von ihr, was in al-
len
des entſpringt, Wahrheit iſt die Ueberein- ſtimmung der Erkenntniß mit dem Gegen- ſtande. Wenn alſo gefragt wird, was iſt Wahrheit? reine gediegene Wahrheit? ſo kann man nicht beßer drauf antworten, als Wahrheit iſt Wahrheit. Wenn mir nicht ein Gegenſtand gegeben wird; ſo kann ja auch keine Probe der Uebereinſtimmung ge- zogen werden. Eine Erklaͤrung der Wahr- heit in der Art zu geben, daß ſie auf alle Objekte ohn’ Unterſchied paßt, iſt unmoͤglich. Jeder hat ſeine Uhr, jeder ſeine Brille, je- der ſein Pferd — und jeder ſeinen Hund, ſeinen Argos, ſetzte Herr v. G. hinzu. Ein allgemeines Wahrheitsmerkzeichen, wo iſt es? Eine Regel, die all’ Objekte umfaßt und ſie herzt und kuͤßt, wo iſt ſie? Ich muß verglei- chen Erkenntniß und Gegenſtand; wenn ich aber keinen Gegenſtand habe, wie kann ich’s? Vielleicht koͤnnte ſie, die Uebereinſtimmung der Erkenntniß mit den Geſetzen des Verſtan- des und der Vernunft heißen, und der Ir- thum, der Widerſtreit der Erkenntniß mit den Geſetzen des Verſtandes und der Ver- nunft — vielleicht! — —
Die Seel’ in jeder Sache, oder dasje- nige in der Erkenntniß von ihr, was in al-
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des entſpringt, Wahrheit iſt die Ueberein-
ſtimmung der Erkenntniß mit dem Gegen-
ſtande. Wenn alſo gefragt wird, was iſt
Wahrheit? reine gediegene Wahrheit? ſo
kann man nicht beßer drauf antworten, als
Wahrheit iſt Wahrheit. Wenn mir nicht
ein Gegenſtand gegeben wird; ſo kann ja
auch keine Probe der Uebereinſtimmung ge-
zogen werden. Eine Erklaͤrung der Wahr-
heit in der Art zu geben, daß ſie auf alle
Objekte ohn’ Unterſchied paßt, iſt unmoͤglich.
Jeder hat ſeine Uhr, jeder ſeine Brille, je-
der ſein Pferd — und jeder ſeinen Hund,
ſeinen Argos, ſetzte Herr v. G. hinzu. Ein
allgemeines Wahrheitsmerkzeichen, wo iſt es?
Eine Regel, die all’ Objekte umfaßt und ſie
herzt und kuͤßt, wo iſt ſie? Ich muß verglei-
chen Erkenntniß und Gegenſtand; wenn ich
aber keinen Gegenſtand habe, wie kann ich’s?
Vielleicht koͤnnte ſie, die Uebereinſtimmung
der Erkenntniß mit den Geſetzen des Verſtan-
des und der Vernunft heißen, und der Ir-
thum, der Widerſtreit der Erkenntniß mit
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nunft — vielleicht! — —
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/244>, abgerufen am 23.11.2024.
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