Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Unwissenheit allein kann sich ohn' ihn be-
helfen. Der Verstand wird beym Irthum
anders gewendet. Beym Irthum ist Illu-
sion des Verstandes. Sinne und Verstand
sind Waßer und Wein. Wer hat Wein ohne
Waßer getrunken? Schon in der Traube ist
Waßer! --

Jedes muß sein Maas und Gewicht ha-
ben. Die Schranken des Verstandes brin-
gen nicht Irthümer hervor, sondern nur
weniger Erkenntniße. Ein engbegränzter
Verstand irrt weniger als ein großer! Bey
Gelehrten sind mehr Irthümer, bey gemei-
nen Leuten aber mehr Vorurtheile. -- Wenn
man den Menschen bindet; so läuft er nicht
davon. -- Man sagt von großen Genies,
ihre Irthümer, ihre Fehler, wären schön.
-- Schmeicheley!

Ein Kleid hebt das Gesicht. Ein kleines
Männchen kann so richtig gebaut seyn, als
der größeste; es kommt nur auf das Ver-
hältniß unter den kleinen Theilchen an. Ir-
thum, wenn ihn ein Kluger begeht, ist Ta-
schenspielerey; es gehört ein Auge dazu, den
Trug zu entdecken, und dies Aug hat nicht
jeder. Irthum liegt oft in Sätzen, oft in
der Anwendung dieser Sätze. Ein Fehler in

Absicht

Die Unwiſſenheit allein kann ſich ohn’ ihn be-
helfen. Der Verſtand wird beym Irthum
anders gewendet. Beym Irthum iſt Illu-
ſion des Verſtandes. Sinne und Verſtand
ſind Waßer und Wein. Wer hat Wein ohne
Waßer getrunken? Schon in der Traube iſt
Waßer! —

Jedes muß ſein Maas und Gewicht ha-
ben. Die Schranken des Verſtandes brin-
gen nicht Irthuͤmer hervor, ſondern nur
weniger Erkenntniße. Ein engbegraͤnzter
Verſtand irrt weniger als ein großer! Bey
Gelehrten ſind mehr Irthuͤmer, bey gemei-
nen Leuten aber mehr Vorurtheile. — Wenn
man den Menſchen bindet; ſo laͤuft er nicht
davon. — Man ſagt von großen Genies,
ihre Irthuͤmer, ihre Fehler, waͤren ſchoͤn.
— Schmeicheley!

Ein Kleid hebt das Geſicht. Ein kleines
Maͤnnchen kann ſo richtig gebaut ſeyn, als
der groͤßeſte; es kommt nur auf das Ver-
haͤltniß unter den kleinen Theilchen an. Ir-
thum, wenn ihn ein Kluger begeht, iſt Ta-
ſchenſpielerey; es gehoͤrt ein Auge dazu, den
Trug zu entdecken, und dies Aug hat nicht
jeder. Irthum liegt oft in Saͤtzen, oft in
der Anwendung dieſer Saͤtze. Ein Fehler in

Abſicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0247" n="239"/>
Die Unwi&#x017F;&#x017F;enheit allein kann &#x017F;ich ohn&#x2019; ihn be-<lb/>
helfen. Der Ver&#x017F;tand wird beym Irthum<lb/>
anders gewendet. Beym Irthum i&#x017F;t Illu-<lb/>
&#x017F;ion des Ver&#x017F;tandes. Sinne und Ver&#x017F;tand<lb/>
&#x017F;ind Waßer und Wein. Wer hat Wein ohne<lb/>
Waßer getrunken? Schon in der Traube i&#x017F;t<lb/>
Waßer! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Jedes muß &#x017F;ein Maas und Gewicht ha-<lb/>
ben. Die Schranken des Ver&#x017F;tandes brin-<lb/>
gen nicht Irthu&#x0364;mer hervor, &#x017F;ondern nur<lb/>
weniger Erkenntniße. Ein engbegra&#x0364;nzter<lb/>
Ver&#x017F;tand irrt weniger als ein großer! Bey<lb/>
Gelehrten &#x017F;ind mehr Irthu&#x0364;mer, bey gemei-<lb/>
nen Leuten aber mehr Vorurtheile. &#x2014; Wenn<lb/>
man den Men&#x017F;chen bindet; &#x017F;o la&#x0364;uft er nicht<lb/>
davon. &#x2014; Man &#x017F;agt von großen Genies,<lb/>
ihre Irthu&#x0364;mer, ihre Fehler, wa&#x0364;ren &#x017F;cho&#x0364;n.<lb/>
&#x2014; Schmeicheley!</p><lb/>
          <p>Ein Kleid hebt das Ge&#x017F;icht. Ein kleines<lb/>
Ma&#x0364;nnchen kann &#x017F;o richtig gebaut &#x017F;eyn, als<lb/>
der gro&#x0364;ße&#x017F;te; es kommt nur auf das Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltniß unter den kleinen Theilchen an. Ir-<lb/>
thum, wenn ihn ein Kluger begeht, i&#x017F;t Ta-<lb/>
&#x017F;chen&#x017F;pielerey; es geho&#x0364;rt ein Auge dazu, den<lb/>
Trug zu entdecken, und dies Aug hat nicht<lb/>
jeder. Irthum liegt oft in Sa&#x0364;tzen, oft in<lb/>
der Anwendung die&#x017F;er Sa&#x0364;tze. Ein Fehler in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ab&#x017F;icht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0247] Die Unwiſſenheit allein kann ſich ohn’ ihn be- helfen. Der Verſtand wird beym Irthum anders gewendet. Beym Irthum iſt Illu- ſion des Verſtandes. Sinne und Verſtand ſind Waßer und Wein. Wer hat Wein ohne Waßer getrunken? Schon in der Traube iſt Waßer! — Jedes muß ſein Maas und Gewicht ha- ben. Die Schranken des Verſtandes brin- gen nicht Irthuͤmer hervor, ſondern nur weniger Erkenntniße. Ein engbegraͤnzter Verſtand irrt weniger als ein großer! Bey Gelehrten ſind mehr Irthuͤmer, bey gemei- nen Leuten aber mehr Vorurtheile. — Wenn man den Menſchen bindet; ſo laͤuft er nicht davon. — Man ſagt von großen Genies, ihre Irthuͤmer, ihre Fehler, waͤren ſchoͤn. — Schmeicheley! Ein Kleid hebt das Geſicht. Ein kleines Maͤnnchen kann ſo richtig gebaut ſeyn, als der groͤßeſte; es kommt nur auf das Ver- haͤltniß unter den kleinen Theilchen an. Ir- thum, wenn ihn ein Kluger begeht, iſt Ta- ſchenſpielerey; es gehoͤrt ein Auge dazu, den Trug zu entdecken, und dies Aug hat nicht jeder. Irthum liegt oft in Saͤtzen, oft in der Anwendung dieſer Saͤtze. Ein Fehler in Abſicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/247
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/247>, abgerufen am 23.11.2024.