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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Die Frau v. E. würde mehr gesagt haben,
wenn nicht der Herr Sohn dieses Drama in
Gegenwart Denens und Herrmanns aufgefüh-
ret. Die Mutter schrieb diesen Umstand auf
die Rechnung seines Leichtsinns; allein er ge-
hört' auf ein unwürdigeres Blatt, auf die
Rechnung einer niedrigen List. Es war die-
ses Drama Ausdünstung eines bösen Her-
zens. Die Mutter blinzte bald mit dem rech-
ten, bald mit dem linken Auge; allein der
Sohn ließ den Vorhang nicht fallen, das
Stück hatte seine fünf Aufzüge -- Dene
und Herrmann hörten wie natürlich auf. Er
machte dem Herrmann, auf den es bey die-
ser List angelegt war, so bange, daß er ste-
henden Fußes Minen verrathen und verkauft
hätte, wenn er damit dem Testament eine
günstige Wendung geben können. Dies war
das Ziel, nach welchem Herr v. E. redete. --

Je mehr seine Mutter bey dieser Sache
abbrach, je weitschweifiger ward er. Sein
Auge lag auf der Erde, und konnt' also
dem Winken der Frau v. E. nicht begegnen.
-- Die Mutter nahm ihn endlich bey der.
Hand -- er küßte die Hand, und fuhr fort.
-- Wollen wir nicht allein, sagte sie? War-

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Die Frau v. E. wuͤrde mehr geſagt haben,
wenn nicht der Herr Sohn dieſes Drama in
Gegenwart Denens und Herrmanns aufgefuͤh-
ret. Die Mutter ſchrieb dieſen Umſtand auf
die Rechnung ſeines Leichtſinns; allein er ge-
hoͤrt’ auf ein unwuͤrdigeres Blatt, auf die
Rechnung einer niedrigen Liſt. Es war die-
ſes Drama Ausduͤnſtung eines boͤſen Her-
zens. Die Mutter blinzte bald mit dem rech-
ten, bald mit dem linken Auge; allein der
Sohn ließ den Vorhang nicht fallen, das
Stuͤck hatte ſeine fuͤnf Aufzuͤge — Dene
und Herrmann hoͤrten wie natuͤrlich auf. Er
machte dem Herrmann, auf den es bey die-
ſer Liſt angelegt war, ſo bange, daß er ſte-
henden Fußes Minen verrathen und verkauft
haͤtte, wenn er damit dem Teſtament eine
guͤnſtige Wendung geben koͤnnen. Dies war
das Ziel, nach welchem Herr v. E. redete. —

Je mehr ſeine Mutter bey dieſer Sache
abbrach, je weitſchweifiger ward er. Sein
Auge lag auf der Erde, und konnt’ alſo
dem Winken der Frau v. E. nicht begegnen.
— Die Mutter nahm ihn endlich bey der.
Hand — er kuͤßte die Hand, und fuhr fort.
— Wollen wir nicht allein, ſagte ſie? War-

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[313/0321] Die Frau v. E. wuͤrde mehr geſagt haben, wenn nicht der Herr Sohn dieſes Drama in Gegenwart Denens und Herrmanns aufgefuͤh- ret. Die Mutter ſchrieb dieſen Umſtand auf die Rechnung ſeines Leichtſinns; allein er ge- hoͤrt’ auf ein unwuͤrdigeres Blatt, auf die Rechnung einer niedrigen Liſt. Es war die- ſes Drama Ausduͤnſtung eines boͤſen Her- zens. Die Mutter blinzte bald mit dem rech- ten, bald mit dem linken Auge; allein der Sohn ließ den Vorhang nicht fallen, das Stuͤck hatte ſeine fuͤnf Aufzuͤge — Dene und Herrmann hoͤrten wie natuͤrlich auf. Er machte dem Herrmann, auf den es bey die- ſer Liſt angelegt war, ſo bange, daß er ſte- henden Fußes Minen verrathen und verkauft haͤtte, wenn er damit dem Teſtament eine guͤnſtige Wendung geben koͤnnen. Dies war das Ziel, nach welchem Herr v. E. redete. — Je mehr ſeine Mutter bey dieſer Sache abbrach, je weitſchweifiger ward er. Sein Auge lag auf der Erde, und konnt’ alſo dem Winken der Frau v. E. nicht begegnen. — Die Mutter nahm ihn endlich bey der. Hand — er kuͤßte die Hand, und fuhr fort. — Wollen wir nicht allein, ſagte ſie? War- um U 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/321>, abgerufen am 22.11.2024.