um, schönste Mutter, antwortet' er: es sind ja unsere Freunde. --
Seht! was ist Recht und Unrecht! Wachs in einer warmen Hand; du aber, gerechter Gott, siehst auf alle, die auf Er- den wohnen!
Nach einem sehr ausstudirten Vortrage aller der Schwierigkeiten, warum Dene nicht das mütterliche Haus verlaßen könnte, sucht' er mit Fleiß eine Gelegenheit, den Herrmann allein zu sprechen, um ihn vol- lends in sein Netz zu ziehen. Herr v. E. that, da er diese Gelegenheit hatte, als ob sie ganz von ungefehr gekommen oder, wie man sagt, vom Himmel gefallen wäre. --
Nöthig hatt' er nicht, den Herrmann über Denen auszufragen; denn alles war gegenkündig; indessen fieng er von Denen, als von einer Sache, zu sprechen an, bey der man wenig oder nichts verlöre. Dies wirkte. -- Er brachte den Herrmann immer weiter, bis er ihn endlich so weit hatte, daß er zu allem Ja zu sagen warm war; nur Dene mußte von diesem Ja abhängen. Was meynen Sie, sagte Herr v. E., würd' ihre Tochter wohl Denens Platz vertreten? Kurz
Mine
um, ſchoͤnſte Mutter, antwortet’ er: es ſind ja unſere Freunde. —
Seht! was iſt Recht und Unrecht! Wachs in einer warmen Hand; du aber, gerechter Gott, ſiehſt auf alle, die auf Er- den wohnen!
Nach einem ſehr ausſtudirten Vortrage aller der Schwierigkeiten, warum Dene nicht das muͤtterliche Haus verlaßen koͤnnte, ſucht’ er mit Fleiß eine Gelegenheit, den Herrmann allein zu ſprechen, um ihn vol- lends in ſein Netz zu ziehen. Herr v. E. that, da er dieſe Gelegenheit hatte, als ob ſie ganz von ungefehr gekommen oder, wie man ſagt, vom Himmel gefallen waͤre. —
Noͤthig hatt’ er nicht, den Herrmann uͤber Denen auszufragen; denn alles war gegenkuͤndig; indeſſen fieng er von Denen, als von einer Sache, zu ſprechen an, bey der man wenig oder nichts verloͤre. Dies wirkte. — Er brachte den Herrmann immer weiter, bis er ihn endlich ſo weit hatte, daß er zu allem Ja zu ſagen warm war; nur Dene mußte von dieſem Ja abhaͤngen. Was meynen Sie, ſagte Herr v. E., wuͤrd’ ihre Tochter wohl Denens Platz vertreten? Kurz
Mine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0322"n="314"/>
um, ſchoͤnſte Mutter, antwortet’ er: es<lb/>ſind ja unſere Freunde. —</p><lb/><p>Seht! was iſt Recht und Unrecht!<lb/>
Wachs in einer warmen Hand; du aber,<lb/>
gerechter Gott, ſiehſt auf alle, die auf Er-<lb/>
den wohnen!</p><lb/><p>Nach einem ſehr ausſtudirten Vortrage<lb/>
aller der Schwierigkeiten, warum Dene<lb/>
nicht das muͤtterliche Haus verlaßen koͤnnte,<lb/>ſucht’ er mit Fleiß eine Gelegenheit, den<lb/>
Herrmann allein zu ſprechen, um ihn vol-<lb/>
lends in ſein Netz zu ziehen. Herr v. E. that,<lb/>
da er dieſe Gelegenheit hatte, als ob ſie ganz<lb/>
von ungefehr gekommen oder, wie man ſagt,<lb/>
vom Himmel gefallen waͤre. —</p><lb/><p>Noͤthig hatt’ er nicht, den Herrmann<lb/>
uͤber Denen auszufragen; denn alles war<lb/>
gegenkuͤndig; indeſſen fieng er von Denen,<lb/>
als von einer Sache, zu ſprechen an, bey<lb/>
der man wenig oder nichts verloͤre. Dies<lb/>
wirkte. — Er brachte den Herrmann immer<lb/>
weiter, bis er ihn endlich ſo weit hatte, daß<lb/>
er zu allem Ja zu ſagen warm war; nur<lb/>
Dene mußte von dieſem Ja abhaͤngen. Was<lb/>
meynen Sie, ſagte Herr v. E., wuͤrd’ ihre<lb/>
Tochter wohl Denens Platz vertreten? Kurz<lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Mine</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[314/0322]
um, ſchoͤnſte Mutter, antwortet’ er: es
ſind ja unſere Freunde. —
Seht! was iſt Recht und Unrecht!
Wachs in einer warmen Hand; du aber,
gerechter Gott, ſiehſt auf alle, die auf Er-
den wohnen!
Nach einem ſehr ausſtudirten Vortrage
aller der Schwierigkeiten, warum Dene
nicht das muͤtterliche Haus verlaßen koͤnnte,
ſucht’ er mit Fleiß eine Gelegenheit, den
Herrmann allein zu ſprechen, um ihn vol-
lends in ſein Netz zu ziehen. Herr v. E. that,
da er dieſe Gelegenheit hatte, als ob ſie ganz
von ungefehr gekommen oder, wie man ſagt,
vom Himmel gefallen waͤre. —
Noͤthig hatt’ er nicht, den Herrmann
uͤber Denen auszufragen; denn alles war
gegenkuͤndig; indeſſen fieng er von Denen,
als von einer Sache, zu ſprechen an, bey
der man wenig oder nichts verloͤre. Dies
wirkte. — Er brachte den Herrmann immer
weiter, bis er ihn endlich ſo weit hatte, daß
er zu allem Ja zu ſagen warm war; nur
Dene mußte von dieſem Ja abhaͤngen. Was
meynen Sie, ſagte Herr v. E., wuͤrd’ ihre
Tochter wohl Denens Platz vertreten? Kurz
Mine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/322>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.