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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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um, schönste Mutter, antwortet' er: es
sind ja unsere Freunde. --

Seht! was ist Recht und Unrecht!
Wachs in einer warmen Hand; du aber,
gerechter Gott, siehst auf alle, die auf Er-
den wohnen!

Nach einem sehr ausstudirten Vortrage
aller der Schwierigkeiten, warum Dene
nicht das mütterliche Haus verlaßen könnte,
sucht' er mit Fleiß eine Gelegenheit, den
Herrmann allein zu sprechen, um ihn vol-
lends in sein Netz zu ziehen. Herr v. E. that,
da er diese Gelegenheit hatte, als ob sie ganz
von ungefehr gekommen oder, wie man sagt,
vom Himmel gefallen wäre. --

Nöthig hatt' er nicht, den Herrmann
über Denen auszufragen; denn alles war
gegenkündig; indessen fieng er von Denen,
als von einer Sache, zu sprechen an, bey
der man wenig oder nichts verlöre. Dies
wirkte. -- Er brachte den Herrmann immer
weiter, bis er ihn endlich so weit hatte, daß
er zu allem Ja zu sagen warm war; nur
Dene mußte von diesem Ja abhängen. Was
meynen Sie, sagte Herr v. E., würd' ihre
Tochter wohl Denens Platz vertreten? Kurz

Mine

um, ſchoͤnſte Mutter, antwortet’ er: es
ſind ja unſere Freunde. —

Seht! was iſt Recht und Unrecht!
Wachs in einer warmen Hand; du aber,
gerechter Gott, ſiehſt auf alle, die auf Er-
den wohnen!

Nach einem ſehr ausſtudirten Vortrage
aller der Schwierigkeiten, warum Dene
nicht das muͤtterliche Haus verlaßen koͤnnte,
ſucht’ er mit Fleiß eine Gelegenheit, den
Herrmann allein zu ſprechen, um ihn vol-
lends in ſein Netz zu ziehen. Herr v. E. that,
da er dieſe Gelegenheit hatte, als ob ſie ganz
von ungefehr gekommen oder, wie man ſagt,
vom Himmel gefallen waͤre. —

Noͤthig hatt’ er nicht, den Herrmann
uͤber Denen auszufragen; denn alles war
gegenkuͤndig; indeſſen fieng er von Denen,
als von einer Sache, zu ſprechen an, bey
der man wenig oder nichts verloͤre. Dies
wirkte. — Er brachte den Herrmann immer
weiter, bis er ihn endlich ſo weit hatte, daß
er zu allem Ja zu ſagen warm war; nur
Dene mußte von dieſem Ja abhaͤngen. Was
meynen Sie, ſagte Herr v. E., wuͤrd’ ihre
Tochter wohl Denens Platz vertreten? Kurz

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[314/0322] um, ſchoͤnſte Mutter, antwortet’ er: es ſind ja unſere Freunde. — Seht! was iſt Recht und Unrecht! Wachs in einer warmen Hand; du aber, gerechter Gott, ſiehſt auf alle, die auf Er- den wohnen! Nach einem ſehr ausſtudirten Vortrage aller der Schwierigkeiten, warum Dene nicht das muͤtterliche Haus verlaßen koͤnnte, ſucht’ er mit Fleiß eine Gelegenheit, den Herrmann allein zu ſprechen, um ihn vol- lends in ſein Netz zu ziehen. Herr v. E. that, da er dieſe Gelegenheit hatte, als ob ſie ganz von ungefehr gekommen oder, wie man ſagt, vom Himmel gefallen waͤre. — Noͤthig hatt’ er nicht, den Herrmann uͤber Denen auszufragen; denn alles war gegenkuͤndig; indeſſen fieng er von Denen, als von einer Sache, zu ſprechen an, bey der man wenig oder nichts verloͤre. Dies wirkte. — Er brachte den Herrmann immer weiter, bis er ihn endlich ſo weit hatte, daß er zu allem Ja zu ſagen warm war; nur Dene mußte von dieſem Ja abhaͤngen. Was meynen Sie, ſagte Herr v. E., wuͤrd’ ihre Tochter wohl Denens Platz vertreten? Kurz Mine

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/322>, abgerufen am 22.11.2024.