dich nicht blos des Viehes, sondern der Pflan- ze, der Blumen auf dem Feld' erbarmtest, wenn ich denke, wie du dich nicht satt sehen konntest an dem grünen Grase und an den gelben Blümchen, wenn ich denke, wie du mich batest, die Rinnen zu öfnen, wenn sie ver- stopft waren, damit das arme Wasser, wie du sagtest, nicht aufgehalten würde! Wenn ich bedenke, daß ich dir oft dergleichen Bitten ab- schlug, und dir den Rücken kehrte, wenn du mir so was übermenschliches, so was himm- lischgütiges, batest: wenn ich denke. -- Laß dies -- fiel ihm Mine ein, du warest nie böse, denk vielmehr, wo wir oft unschuldig saßen, und Sallat für unsere fromme selige Mutter lasen, und wo wir mit Alexandern herzlich froh waren, mit Alexandern! Denk, wo wir rothe und weiße Johannisbeeren pflückten, und ich euch den Saft mit Zucker zubereitete, und wir uns einander sagten, wenn es uns herzlich schmeckte: zweyerley Wein, rother und weißer! Denk an meine Liebe zu Alexan- dern, und an seine zu mir! Du bleibst hier, Bruder! Laß mich jetzt Uebergabe halten; ich will alles in deine Hände geben. --
Komm, da liegt unsere Mutter begraben! Oft hab' ich hier gebetet. Oft Gott gedankt;
denn
Z 2
dich nicht blos des Viehes, ſondern der Pflan- ze, der Blumen auf dem Feld’ erbarmteſt, wenn ich denke, wie du dich nicht ſatt ſehen konnteſt an dem gruͤnen Graſe und an den gelben Bluͤmchen, wenn ich denke, wie du mich bateſt, die Rinnen zu oͤfnen, wenn ſie ver- ſtopft waren, damit das arme Waſſer, wie du ſagteſt, nicht aufgehalten wuͤrde! Wenn ich bedenke, daß ich dir oft dergleichen Bitten ab- ſchlug, und dir den Ruͤcken kehrte, wenn du mir ſo was uͤbermenſchliches, ſo was himm- liſchguͤtiges, bateſt: wenn ich denke. — Laß dies — fiel ihm Mine ein, du wareſt nie boͤſe, denk vielmehr, wo wir oft unſchuldig ſaßen, und Sallat fuͤr unſere fromme ſelige Mutter laſen, und wo wir mit Alexandern herzlich froh waren, mit Alexandern! Denk, wo wir rothe und weiße Johannisbeeren pfluͤckten, und ich euch den Saft mit Zucker zubereitete, und wir uns einander ſagten, wenn es uns herzlich ſchmeckte: zweyerley Wein, rother und weißer! Denk an meine Liebe zu Alexan- dern, und an ſeine zu mir! Du bleibſt hier, Bruder! Laß mich jetzt Uebergabe halten; ich will alles in deine Haͤnde geben. —
Komm, da liegt unſere Mutter begraben! Oft hab’ ich hier gebetet. Oft Gott gedankt;
denn
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dich nicht blos des Viehes, ſondern der Pflan-
ze, der Blumen auf dem Feld’ erbarmteſt,
wenn ich denke, wie du dich nicht ſatt ſehen
konnteſt an dem gruͤnen Graſe und an den
gelben Bluͤmchen, wenn ich denke, wie du
mich bateſt, die Rinnen zu oͤfnen, wenn ſie ver-
ſtopft waren, damit das arme Waſſer, wie du
ſagteſt, nicht aufgehalten wuͤrde! Wenn ich
bedenke, daß ich dir oft dergleichen Bitten ab-
ſchlug, und dir den Ruͤcken kehrte, wenn du
mir ſo was uͤbermenſchliches, ſo was himm-
liſchguͤtiges, bateſt: wenn ich denke. — Laß
dies — fiel ihm Mine ein, du wareſt nie boͤſe,
denk vielmehr, wo wir oft unſchuldig ſaßen,
und Sallat fuͤr unſere fromme ſelige Mutter
laſen, und wo wir mit Alexandern herzlich
froh waren, mit Alexandern! Denk, wo wir
rothe und weiße Johannisbeeren pfluͤckten,
und ich euch den Saft mit Zucker zubereitete,
und wir uns einander ſagten, wenn es uns
herzlich ſchmeckte: zweyerley Wein, rother
und weißer! Denk an meine Liebe zu Alexan-
dern, und an ſeine zu mir! Du bleibſt hier,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/363>, abgerufen am 22.11.2024.
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