sehr, ach sehr! -- Gleich, Vater, ist das grüne Pläzchen morästig worden, seitdem ich die erste Thrän' darauf fallen ließ, und so glatt und schlipfrich, daß alles fällt, was drauf geht!
Wo bleibst du, mein Liebchen? wo? Schreyen darf ich nicht, sonst möcht' es meine Mutter hören, die mich zu Greten zwingen will, weil ihre Eltern Acker haben, und du nur gesunde Hände. Nur! das sey Gott geklagt Nur zu sagen, wenn man von gesunden Hän- den spricht. Schreyen darf ich nicht -- allein ich rufe: Liebchen! Liebchen! so wie ein Zeisig: Liebchen, Liebchen! wo bleibst du, mein Lieb- chen? wo bleibst du, wo? Schreyen darf ich nicht, aber der schöne Abend lispelt ers dir nicht ins Ohr, daß ich warte, daß ich nach dir seh, und nach dir laufe? -- Ha! da kommt sie! Nein, ein Stieglizchen, leicht -- leicht, wie du, mein Liebchen -- wo bleibst du? wo bleibst du, Hannchen? Hast du ihn abgeschickt? Vögelchen -- weg ist er. -- Er kam nicht von dir, wär' er nicht sonst geblieben? Schrey- en darf ich nicht, aber -- hörst du nicht, hörst du nicht, Liebchen, hörst du nicht die Nachti- gal, sie ruft ihr Siechen, und ruft dich mit.
Die
Zweiter Th. O o
ſehr, ach ſehr! — Gleich, Vater, iſt das gruͤne Plaͤzchen moraͤſtig worden, ſeitdem ich die erſte Thraͤn’ darauf fallen ließ, und ſo glatt und ſchlipfrich, daß alles faͤllt, was drauf geht!
Wo bleibſt du, mein Liebchen? wo? Schreyen darf ich nicht, ſonſt moͤcht’ es meine Mutter hoͤren, die mich zu Greten zwingen will, weil ihre Eltern Acker haben, und du nur geſunde Haͤnde. Nur! das ſey Gott geklagt Nur zu ſagen, wenn man von geſunden Haͤn- den ſpricht. Schreyen darf ich nicht — allein ich rufe: Liebchen! Liebchen! ſo wie ein Zeiſig: Liebchen, Liebchen! wo bleibſt du, mein Lieb- chen? wo bleibſt du, wo? Schreyen darf ich nicht, aber der ſchoͤne Abend liſpelt ers dir nicht ins Ohr, daß ich warte, daß ich nach dir ſeh, und nach dir laufe? — Ha! da kommt ſie! Nein, ein Stieglizchen, leicht — leicht, wie du, mein Liebchen — wo bleibſt du? wo bleibſt du, Hannchen? Haſt du ihn abgeſchickt? Voͤgelchen — weg iſt er. — Er kam nicht von dir, waͤr’ er nicht ſonſt geblieben? Schrey- en darf ich nicht, aber — hoͤrſt du nicht, hoͤrſt du nicht, Liebchen, hoͤrſt du nicht die Nachti- gal, ſie ruft ihr Siechen, und ruft dich mit.
Die
Zweiter Th. O o
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ſehr, ach ſehr! — Gleich, Vater, iſt das
gruͤne Plaͤzchen moraͤſtig worden, ſeitdem ich
die erſte Thraͤn’ darauf fallen ließ, und ſo
glatt und ſchlipfrich, daß alles faͤllt, was
drauf geht!
Wo bleibſt du, mein Liebchen? wo?
Schreyen darf ich nicht, ſonſt moͤcht’ es meine
Mutter hoͤren, die mich zu Greten zwingen
will, weil ihre Eltern Acker haben, und du nur
geſunde Haͤnde. Nur! das ſey Gott geklagt
Nur zu ſagen, wenn man von geſunden Haͤn-
den ſpricht. Schreyen darf ich nicht — allein ich
rufe: Liebchen! Liebchen! ſo wie ein Zeiſig:
Liebchen, Liebchen! wo bleibſt du, mein Lieb-
chen? wo bleibſt du, wo? Schreyen darf ich
nicht, aber der ſchoͤne Abend liſpelt ers dir nicht
ins Ohr, daß ich warte, daß ich nach dir ſeh,
und nach dir laufe? — Ha! da kommt ſie!
Nein, ein Stieglizchen, leicht — leicht, wie
du, mein Liebchen — wo bleibſt du? wo
bleibſt du, Hannchen? Haſt du ihn abgeſchickt?
Voͤgelchen — weg iſt er. — Er kam nicht
von dir, waͤr’ er nicht ſonſt geblieben? Schrey-
en darf ich nicht, aber — hoͤrſt du nicht, hoͤrſt
du nicht, Liebchen, hoͤrſt du nicht die Nachti-
gal, ſie ruft ihr Siechen, und ruft dich mit.
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/589>, abgerufen am 21.11.2024.
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