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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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So befremdend es scheint; so hat es mir doch
die Erfahrung bestätiget, daß der Arzt, wenn
er gleich das Pulver erfunden hat, das er
eingiebt, doch eben so selten, wo nicht selte-
ner, den Leib des Kranken treffe, als der Pre-
diger die Seele. Beide gehen aus ihrem Com-
pendio, und nicht aus der Sterbestube, aus --
und so und nicht anders werden sie auch von
Seelen und Leibespatienten behandelt. -- Ich
habe nicht sagen gelernt, der Tod mag mir
so oder so kommen, ich will ihm die Spi-
tze bieten;
wohl aber ich sterbe täglich. --
Wahrlich man macht zu wenig Erfahrungen
über den Eingang des Menschen in, und den
Ausgang des Menschen aus der Welt! --
Wir lernen den Menschen kennen, wenn er
nicht mehr zu kennen ist. Wenn Leib und Seele
sich nolens volens so in einander geworfen,
daß man in die Schule gehen, und sich be-
gläubigen lassen muß, daß man eine Seel
und auch einen Leib habe. -- Freund! Wer
zehn Menschen sterben gesehn, weiß was ein
Mensch ist. Ein andrer weiß es gar nicht,
oder hat es Mühe zu wissen. --

Dieser Graf, dieser besondre Mann,
ward zur Leichenfolge gebeten. Es ist das
einzige Mittel, sagte der Prediger, um mich

mit
Zweiter Th. R r

So befremdend es ſcheint; ſo hat es mir doch
die Erfahrung beſtaͤtiget, daß der Arzt, wenn
er gleich das Pulver erfunden hat, das er
eingiebt, doch eben ſo ſelten, wo nicht ſelte-
ner, den Leib des Kranken treffe, als der Pre-
diger die Seele. Beide gehen aus ihrem Com-
pendio, und nicht aus der Sterbeſtube, aus —
und ſo und nicht anders werden ſie auch von
Seelen und Leibespatienten behandelt. — Ich
habe nicht ſagen gelernt, der Tod mag mir
ſo oder ſo kommen, ich will ihm die Spi-
tze bieten;
wohl aber ich ſterbe taͤglich. —
Wahrlich man macht zu wenig Erfahrungen
uͤber den Eingang des Menſchen in, und den
Ausgang des Menſchen aus der Welt! —
Wir lernen den Menſchen kennen, wenn er
nicht mehr zu kennen iſt. Wenn Leib und Seele
ſich nolens volens ſo in einander geworfen,
daß man in die Schule gehen, und ſich be-
glaͤubigen laſſen muß, daß man eine Seel
und auch einen Leib habe. — Freund! Wer
zehn Menſchen ſterben geſehn, weiß was ein
Menſch iſt. Ein andrer weiß es gar nicht,
oder hat es Muͤhe zu wiſſen. —

Dieſer Graf, dieſer beſondre Mann,
ward zur Leichenfolge gebeten. Es iſt das
einzige Mittel, ſagte der Prediger, um mich

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Zweiter Th. R r
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[625/0639] So befremdend es ſcheint; ſo hat es mir doch die Erfahrung beſtaͤtiget, daß der Arzt, wenn er gleich das Pulver erfunden hat, das er eingiebt, doch eben ſo ſelten, wo nicht ſelte- ner, den Leib des Kranken treffe, als der Pre- diger die Seele. Beide gehen aus ihrem Com- pendio, und nicht aus der Sterbeſtube, aus — und ſo und nicht anders werden ſie auch von Seelen und Leibespatienten behandelt. — Ich habe nicht ſagen gelernt, der Tod mag mir ſo oder ſo kommen, ich will ihm die Spi- tze bieten; wohl aber ich ſterbe taͤglich. — Wahrlich man macht zu wenig Erfahrungen uͤber den Eingang des Menſchen in, und den Ausgang des Menſchen aus der Welt! — Wir lernen den Menſchen kennen, wenn er nicht mehr zu kennen iſt. Wenn Leib und Seele ſich nolens volens ſo in einander geworfen, daß man in die Schule gehen, und ſich be- glaͤubigen laſſen muß, daß man eine Seel und auch einen Leib habe. — Freund! Wer zehn Menſchen ſterben geſehn, weiß was ein Menſch iſt. Ein andrer weiß es gar nicht, oder hat es Muͤhe zu wiſſen. — Dieſer Graf, dieſer beſondre Mann, ward zur Leichenfolge gebeten. Es iſt das einzige Mittel, ſagte der Prediger, um mich mit Zweiter Th. R r

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/639>, abgerufen am 23.11.2024.