Aug' und im Gesichte, nur Raum hat, was man nur vom Schmerze weiß. Niemand konnt' in die Höhe sehen, wer Iphigeniens Aufopferung von Timanth sah', alles stand betrübt, gebeugt zur Erde; nur Iphigeniens Vater, und wie der? eine schwarze Trauer- decke um sein Angesicht. Warum also? dar- um also, weil es der Vater ist. Hier, sagte der Graf, hier unter diesem entsetzlichen Lei- chentuche, ist auch ein Schmerz grösser, tie- fer, als jeder Ausdruck. Etwas ist davon am Tuche zu sehen, und nur eben so viel et- was, als hinreichend ist, uns das Herz zu durchboren. Sehen Sie hier nicht mehr, als überall! Und doch ist hier nur ein Strich, ein Punct! -- Dies Stück ist auch der Vater!
Ich kann es nicht aussprechen, was ich empfand! Ich unterlag. --
Der Prediger machte dem Grafen bey Ge- legenheit der Todesangst und Todesnoth einen Einwand. Es hat, sagte der Prediger, Leute gegeben, die aus Freude gestorben sind. Was thuts, sagte der Graf, viel! nichts? wo da die Todesnoth?
Freund!
Aug’ und im Geſichte, nur Raum hat, was man nur vom Schmerze weiß. Niemand konnt’ in die Hoͤhe ſehen, wer Iphigeniens Aufopferung von Timanth ſah’, alles ſtand betruͤbt, gebeugt zur Erde; nur Iphigeniens Vater, und wie der? eine ſchwarze Trauer- decke um ſein Angeſicht. Warum alſo? dar- um alſo, weil es der Vater iſt. Hier, ſagte der Graf, hier unter dieſem entſetzlichen Lei- chentuche, iſt auch ein Schmerz groͤſſer, tie- fer, als jeder Ausdruck. Etwas iſt davon am Tuche zu ſehen, und nur eben ſo viel et- was, als hinreichend iſt, uns das Herz zu durchboren. Sehen Sie hier nicht mehr, als uͤberall! Und doch iſt hier nur ein Strich, ein Punct! — Dies Stuͤck iſt auch der Vater!
Ich kann es nicht ausſprechen, was ich empfand! Ich unterlag. —
Der Prediger machte dem Grafen bey Ge- legenheit der Todesangſt und Todesnoth einen Einwand. Es hat, ſagte der Prediger, Leute gegeben, die aus Freude geſtorben ſind. Was thuts, ſagte der Graf, viel! nichts? wo da die Todesnoth?
Freund!
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0101"n="95"/>
Aug’ und im Geſichte, nur Raum hat, was<lb/>
man nur vom Schmerze weiß. Niemand<lb/>
konnt’ in die Hoͤhe ſehen, wer Iphigeniens<lb/>
Aufopferung von Timanth ſah’, alles ſtand<lb/>
betruͤbt, gebeugt zur Erde; nur Iphigeniens<lb/>
Vater, und wie der? eine ſchwarze Trauer-<lb/>
decke um ſein Angeſicht. Warum alſo? dar-<lb/>
um alſo, weil es der Vater iſt. Hier, ſagte<lb/>
der Graf, hier unter dieſem entſetzlichen Lei-<lb/>
chentuche, iſt auch ein Schmerz groͤſſer, tie-<lb/>
fer, als jeder Ausdruck. Etwas iſt davon<lb/>
am Tuche zu ſehen, und nur eben ſo viel et-<lb/>
was, als hinreichend iſt, uns das Herz zu<lb/>
durchboren. Sehen Sie hier nicht mehr,<lb/>
als uͤberall! Und doch iſt hier nur ein Strich,<lb/>
ein Punct! — Dies Stuͤck iſt auch <hirendition="#fr">der<lb/>
Vater!</hi></p><lb/><p>Ich kann es nicht ausſprechen, was ich<lb/>
empfand! Ich unterlag. —</p><lb/><p>Der Prediger machte dem Grafen bey Ge-<lb/>
legenheit der Todesangſt und Todesnoth einen<lb/>
Einwand. Es hat, ſagte der Prediger, Leute<lb/>
gegeben, die aus Freude geſtorben ſind. Was<lb/>
thuts, ſagte der Graf,<lb/><hirendition="#et">viel!<lb/>
nichts?<lb/>
wo da die Todesnoth?</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Freund!</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[95/0101]
Aug’ und im Geſichte, nur Raum hat, was
man nur vom Schmerze weiß. Niemand
konnt’ in die Hoͤhe ſehen, wer Iphigeniens
Aufopferung von Timanth ſah’, alles ſtand
betruͤbt, gebeugt zur Erde; nur Iphigeniens
Vater, und wie der? eine ſchwarze Trauer-
decke um ſein Angeſicht. Warum alſo? dar-
um alſo, weil es der Vater iſt. Hier, ſagte
der Graf, hier unter dieſem entſetzlichen Lei-
chentuche, iſt auch ein Schmerz groͤſſer, tie-
fer, als jeder Ausdruck. Etwas iſt davon
am Tuche zu ſehen, und nur eben ſo viel et-
was, als hinreichend iſt, uns das Herz zu
durchboren. Sehen Sie hier nicht mehr,
als uͤberall! Und doch iſt hier nur ein Strich,
ein Punct! — Dies Stuͤck iſt auch der
Vater!
Ich kann es nicht ausſprechen, was ich
empfand! Ich unterlag. —
Der Prediger machte dem Grafen bey Ge-
legenheit der Todesangſt und Todesnoth einen
Einwand. Es hat, ſagte der Prediger, Leute
gegeben, die aus Freude geſtorben ſind. Was
thuts, ſagte der Graf,
viel!
nichts?
wo da die Todesnoth?
Freund!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/101>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.