Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Graf hätte so ohn End und Ziel reden
können. Es war Zephir, den er mir zu-
wehte. -- Würklicher Zephir, sanfte Em-
pfindung, womit er mich anfächelte. Es giebt
Stunden, wo wir keinen Sturm ertragen
können. Der Bruder des Grafen neigte sich,
als schien er sagen zu wollen: ich werde eher
sterben, als du, gräflicher Bruder; allein es
schien auch gleich darauf, daß er sich bedächte,
wie es ihm gebühre zu folgen. Ehre, dem
Ehre gebühret, und Sie (fieng der Graf zu
mir an) ausblühender Jüngling! Schnell
hielt er sich auf, als bedächte er sich bey dem
Worte ausblühender, Sie haben auch nach
ihrer Art gelitten -- vielleicht sind nur noch
wenige Tropfen Todesangst übrig. Ich, fuhr
er nach einer Weile fort, habe bey der bitter-
sten Arzeney nichts nachgetrunken, ich auch
nicht, erwiedert' ich: allein ich muß gestehen,
nur blutwenig Arzeney gegessen und getrun-
ken zu haben, setzt' ich hinzu. Bravo, schrie
der Graf. Er wolte bemerkt haben, daß
Leute, die sanft einschliefen, auch Anlage zum
sanften Tod hätten, und befragte mich, zum
innerlichen Verdruß des Predigers, wie es
mit meinem Einschlafen wäre. Bey Leuten,
die schnarchen, fuhr er fort, hab ich bemerkt,

daß

Der Graf haͤtte ſo ohn End und Ziel reden
koͤnnen. Es war Zephir, den er mir zu-
wehte. — Wuͤrklicher Zephir, ſanfte Em-
pfindung, womit er mich anfaͤchelte. Es giebt
Stunden, wo wir keinen Sturm ertragen
koͤnnen. Der Bruder des Grafen neigte ſich,
als ſchien er ſagen zu wollen: ich werde eher
ſterben, als du, graͤflicher Bruder; allein es
ſchien auch gleich darauf, daß er ſich bedaͤchte,
wie es ihm gebuͤhre zu folgen. Ehre, dem
Ehre gebuͤhret, und Sie (fieng der Graf zu
mir an) ausbluͤhender Juͤngling! Schnell
hielt er ſich auf, als bedaͤchte er ſich bey dem
Worte ausbluͤhender, Sie haben auch nach
ihrer Art gelitten — vielleicht ſind nur noch
wenige Tropfen Todesangſt uͤbrig. Ich, fuhr
er nach einer Weile fort, habe bey der bitter-
ſten Arzeney nichts nachgetrunken, ich auch
nicht, erwiedert’ ich: allein ich muß geſtehen,
nur blutwenig Arzeney gegeſſen und getrun-
ken zu haben, ſetzt’ ich hinzu. Bravo, ſchrie
der Graf. Er wolte bemerkt haben, daß
Leute, die ſanft einſchliefen, auch Anlage zum
ſanften Tod haͤtten, und befragte mich, zum
innerlichen Verdruß des Predigers, wie es
mit meinem Einſchlafen waͤre. Bey Leuten,
die ſchnarchen, fuhr er fort, hab ich bemerkt,

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0158" n="152"/>
        <p>Der Graf ha&#x0364;tte &#x017F;o ohn End und Ziel reden<lb/>
ko&#x0364;nnen. Es war Zephir, den er mir zu-<lb/>
wehte. &#x2014; Wu&#x0364;rklicher Zephir, &#x017F;anfte Em-<lb/>
pfindung, womit er mich anfa&#x0364;chelte. Es giebt<lb/>
Stunden, wo wir keinen Sturm ertragen<lb/>
ko&#x0364;nnen. Der Bruder des Grafen neigte &#x017F;ich,<lb/>
als &#x017F;chien er &#x017F;agen zu wollen: ich werde eher<lb/>
&#x017F;terben, als du, gra&#x0364;flicher Bruder; allein es<lb/>
&#x017F;chien auch gleich darauf, daß er &#x017F;ich beda&#x0364;chte,<lb/>
wie es ihm gebu&#x0364;hre zu folgen. Ehre, dem<lb/>
Ehre gebu&#x0364;hret, und Sie (fieng der Graf zu<lb/>
mir an) <hi rendition="#fr">ausblu&#x0364;hender</hi> Ju&#x0364;ngling! Schnell<lb/>
hielt er &#x017F;ich auf, als beda&#x0364;chte er &#x017F;ich bey dem<lb/>
Worte ausblu&#x0364;hender, Sie haben auch nach<lb/>
ihrer Art gelitten &#x2014; vielleicht &#x017F;ind nur noch<lb/>
wenige Tropfen Todesang&#x017F;t u&#x0364;brig. Ich, fuhr<lb/>
er nach einer Weile fort, habe bey der bitter-<lb/>
&#x017F;ten Arzeney nichts nachgetrunken, ich auch<lb/>
nicht, erwiedert&#x2019; ich: allein ich muß ge&#x017F;tehen,<lb/>
nur blutwenig Arzeney gege&#x017F;&#x017F;en und getrun-<lb/>
ken zu haben, &#x017F;etzt&#x2019; ich hinzu. Bravo, &#x017F;chrie<lb/>
der Graf. Er wolte bemerkt haben, daß<lb/>
Leute, die &#x017F;anft ein&#x017F;chliefen, auch Anlage zum<lb/>
&#x017F;anften Tod ha&#x0364;tten, und befragte mich, zum<lb/>
innerlichen Verdruß des Predigers, wie es<lb/>
mit meinem Ein&#x017F;chlafen wa&#x0364;re. Bey Leuten,<lb/>
die &#x017F;chnarchen, fuhr er fort, hab ich bemerkt,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0158] Der Graf haͤtte ſo ohn End und Ziel reden koͤnnen. Es war Zephir, den er mir zu- wehte. — Wuͤrklicher Zephir, ſanfte Em- pfindung, womit er mich anfaͤchelte. Es giebt Stunden, wo wir keinen Sturm ertragen koͤnnen. Der Bruder des Grafen neigte ſich, als ſchien er ſagen zu wollen: ich werde eher ſterben, als du, graͤflicher Bruder; allein es ſchien auch gleich darauf, daß er ſich bedaͤchte, wie es ihm gebuͤhre zu folgen. Ehre, dem Ehre gebuͤhret, und Sie (fieng der Graf zu mir an) ausbluͤhender Juͤngling! Schnell hielt er ſich auf, als bedaͤchte er ſich bey dem Worte ausbluͤhender, Sie haben auch nach ihrer Art gelitten — vielleicht ſind nur noch wenige Tropfen Todesangſt uͤbrig. Ich, fuhr er nach einer Weile fort, habe bey der bitter- ſten Arzeney nichts nachgetrunken, ich auch nicht, erwiedert’ ich: allein ich muß geſtehen, nur blutwenig Arzeney gegeſſen und getrun- ken zu haben, ſetzt’ ich hinzu. Bravo, ſchrie der Graf. Er wolte bemerkt haben, daß Leute, die ſanft einſchliefen, auch Anlage zum ſanften Tod haͤtten, und befragte mich, zum innerlichen Verdruß des Predigers, wie es mit meinem Einſchlafen waͤre. Bey Leuten, die ſchnarchen, fuhr er fort, hab ich bemerkt, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/158
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/158>, abgerufen am 27.11.2024.