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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Und bestehet die Glückseligkeit in etwas an-
ders, als in der Befriedigung der Sinne?
aller Neigungen? Beym Lustigen tritt der
Nervensaft über seine Ufer und diese Ueber-
schwemmung, diese Sündfluth, richtet Unheil
an. Das Leben ist eine Last, und warum
solten wir uns den Rückgrad brechen, und
drob froh seyn? An der Länge liegts nicht,
an der Würde liegts. Unsere Brüder aus
zweyter Ehe haben von den Juden gelernt,
daß langes Leben als Lohn für den kindlichen
Gehorsam anzusehen; allein auch sie behaup-
ten, daß Gott mit den Seinen eile! Und so
wahr es ist, daß Jünglinge, die das Alter
ehren, sich, alt zu werden, vor Menschen be-
rechtigen; so ist doch dies Menschenrecht nicht
auch Gottes Recht! -- Dein Wille, Gott,
dein Wille geschehe! Das männliche Alter
schürzt den Knoten, der Tod löset ihn. Wer
Gott gelebt hat, und nicht sich selbst, wird
auch Gott im Tode preisen und den verherr-
lichen, der das Waizenkorn, wenn es gleich
dahin gestorben, und in Fäulnis übergegangen,
zum Aufleben bringen kann, den, der Seelen
wegzuhauchen Macht hat. Alles wie er will!
Was er will, das geschieht, was er gebeut,
das stehet da. Sein Blick ist Sonne, sein

Wort
L 3

Und beſtehet die Gluͤckſeligkeit in etwas an-
ders, als in der Befriedigung der Sinne?
aller Neigungen? Beym Luſtigen tritt der
Nervenſaft uͤber ſeine Ufer und dieſe Ueber-
ſchwemmung, dieſe Suͤndfluth, richtet Unheil
an. Das Leben iſt eine Laſt, und warum
ſolten wir uns den Ruͤckgrad brechen, und
drob froh ſeyn? An der Laͤnge liegts nicht,
an der Wuͤrde liegts. Unſere Bruͤder aus
zweyter Ehe haben von den Juden gelernt,
daß langes Leben als Lohn fuͤr den kindlichen
Gehorſam anzuſehen; allein auch ſie behaup-
ten, daß Gott mit den Seinen eile! Und ſo
wahr es iſt, daß Juͤnglinge, die das Alter
ehren, ſich, alt zu werden, vor Menſchen be-
rechtigen; ſo iſt doch dies Menſchenrecht nicht
auch Gottes Recht! — Dein Wille, Gott,
dein Wille geſchehe! Das maͤnnliche Alter
ſchuͤrzt den Knoten, der Tod loͤſet ihn. Wer
Gott gelebt hat, und nicht ſich ſelbſt, wird
auch Gott im Tode preiſen und den verherr-
lichen, der das Waizenkorn, wenn es gleich
dahin geſtorben, und in Faͤulnis uͤbergegangen,
zum Aufleben bringen kann, den, der Seelen
wegzuhauchen Macht hat. Alles wie er will!
Was er will, das geſchieht, was er gebeut,
das ſtehet da. Sein Blick iſt Sonne, ſein

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[165/0171] Und beſtehet die Gluͤckſeligkeit in etwas an- ders, als in der Befriedigung der Sinne? aller Neigungen? Beym Luſtigen tritt der Nervenſaft uͤber ſeine Ufer und dieſe Ueber- ſchwemmung, dieſe Suͤndfluth, richtet Unheil an. Das Leben iſt eine Laſt, und warum ſolten wir uns den Ruͤckgrad brechen, und drob froh ſeyn? An der Laͤnge liegts nicht, an der Wuͤrde liegts. Unſere Bruͤder aus zweyter Ehe haben von den Juden gelernt, daß langes Leben als Lohn fuͤr den kindlichen Gehorſam anzuſehen; allein auch ſie behaup- ten, daß Gott mit den Seinen eile! Und ſo wahr es iſt, daß Juͤnglinge, die das Alter ehren, ſich, alt zu werden, vor Menſchen be- rechtigen; ſo iſt doch dies Menſchenrecht nicht auch Gottes Recht! — Dein Wille, Gott, dein Wille geſchehe! Das maͤnnliche Alter ſchuͤrzt den Knoten, der Tod loͤſet ihn. Wer Gott gelebt hat, und nicht ſich ſelbſt, wird auch Gott im Tode preiſen und den verherr- lichen, der das Waizenkorn, wenn es gleich dahin geſtorben, und in Faͤulnis uͤbergegangen, zum Aufleben bringen kann, den, der Seelen wegzuhauchen Macht hat. Alles wie er will! Was er will, das geſchieht, was er gebeut, das ſtehet da. Sein Blick iſt Sonne, ſein Wort L 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/171>, abgerufen am 25.11.2024.