Sclave. Nicht also, sagt' ich, wenn je die Freyheit noch einst in ihrer edlen einfältigen Gestalt auf Erden erscheinen soll, wenn je -- so kann sie jezt nur aus der Studierstube aus- ziehen. Der Heerführer Moses war unter- richtet in aller egyptischen Weisheit. --
Da kam eben ein Bothe, der mich mit zum Concert einlud. Man hatte mich kom- men sehen und hofte gewis --
Ich war so wenig gestimmt, eine solche Dissonanz anzuhören, daß ich gerade zu ab- schlug. Junker Gotthard, dem ein Men- schenstimmhammer ohnedem nicht eigen war, und der keine meiner Herzenssaiten in Har- monie ziehen konnte, nahm indeßen das Wort, sagte dem Bothen: ich werd ihn mitbringen. Dieser gieng, und ich mochte wollen, oder nicht, ich muste. Freylich, sagte Junker Gotthard, wirst du heute nur die Hochzeit se- hen, die Verlobung ist vorbey, wie du zu sa- gen pflegest. Wer kommt indes in der Welt immer zur Probe?
Herr v. G -- hatte nicht die mindeste Neugierde, Geheimnisse zu hezzen, oder zu schießen. Ich reisete, ich kam, ohne daß er was, und wie, und wo wuste. Mein Herz brach mir über den guten wilden Jungen.
Ich
Sclave. Nicht alſo, ſagt’ ich, wenn je die Freyheit noch einſt in ihrer edlen einfaͤltigen Geſtalt auf Erden erſcheinen ſoll, wenn je — ſo kann ſie jezt nur aus der Studierſtube aus- ziehen. Der Heerfuͤhrer Moſes war unter- richtet in aller egyptiſchen Weisheit. —
Da kam eben ein Bothe, der mich mit zum Concert einlud. Man hatte mich kom- men ſehen und hofte gewis —
Ich war ſo wenig geſtimmt, eine ſolche Diſſonanz anzuhoͤren, daß ich gerade zu ab- ſchlug. Junker Gotthard, dem ein Men- ſchenſtimmhammer ohnedem nicht eigen war, und der keine meiner Herzensſaiten in Har- monie ziehen konnte, nahm indeßen das Wort, ſagte dem Bothen: ich werd ihn mitbringen. Dieſer gieng, und ich mochte wollen, oder nicht, ich muſte. Freylich, ſagte Junker Gotthard, wirſt du heute nur die Hochzeit ſe- hen, die Verlobung iſt vorbey, wie du zu ſa- gen pflegeſt. Wer kommt indes in der Welt immer zur Probe?
Herr v. G — hatte nicht die mindeſte Neugierde, Geheimniſſe zu hezzen, oder zu ſchießen. Ich reiſete, ich kam, ohne daß er was, und wie, und wo wuſte. Mein Herz brach mir uͤber den guten wilden Jungen.
Ich
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Sclave. Nicht alſo, ſagt’ ich, wenn je die
Freyheit noch einſt in ihrer edlen einfaͤltigen
Geſtalt auf Erden erſcheinen ſoll, wenn je —
ſo kann ſie jezt nur aus der Studierſtube aus-
ziehen. Der Heerfuͤhrer Moſes war unter-
richtet in aller egyptiſchen Weisheit. —
Da kam eben ein Bothe, der mich mit
zum Concert einlud. Man hatte mich kom-
men ſehen und hofte gewis —
Ich war ſo wenig geſtimmt, eine ſolche
Diſſonanz anzuhoͤren, daß ich gerade zu ab-
ſchlug. Junker Gotthard, dem ein Men-
ſchenſtimmhammer ohnedem nicht eigen war,
und der keine meiner Herzensſaiten in Har-
monie ziehen konnte, nahm indeßen das Wort,
ſagte dem Bothen: ich werd ihn mitbringen.
Dieſer gieng, und ich mochte wollen, oder
nicht, ich muſte. Freylich, ſagte Junker
Gotthard, wirſt du heute nur die Hochzeit ſe-
hen, die Verlobung iſt vorbey, wie du zu ſa-
gen pflegeſt. Wer kommt indes in der Welt
immer zur Probe?
Herr v. G — hatte nicht die mindeſte
Neugierde, Geheimniſſe zu hezzen, oder zu
ſchießen. Ich reiſete, ich kam, ohne daß er
was, und wie, und wo wuſte. Mein Herz
brach mir uͤber den guten wilden Jungen.
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/260>, abgerufen am 23.11.2024.
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