den. Der arme Hans! Was ihm sein Güt- chen, das er nur in Gedanken besaß, schon für Gedanken machte. Gretchen hatte ihm so viel von der Anwerbung und Verlobung und Hochzeit ihres Bruders erzählt, daß nichts drüber war, nur einen Umstand hatte sie verschwiegen, daß nemlich ihre Schwäge- rin einen Bruder hätte. Die Meyerey, wel- che das neue Ehepaar bezogen, lag zwey Mei- len von dem Gütchen, das Hans in Gedan- ken, und sein künftiger Schwiegervater würk- lich besaß. Nach einiger Zeit kamen das neue Paar und die Seinigen, Gretchens Eltern zu besuchen. Der erste Stoß, den Hans ans Herz erhielt, war die Nachricht, daß Gret- chens Schwägerin einen Bruder hätte. Auf diesen Umstand war Hans nicht gefaßt, und warum? fragt' er sich selbst, warum hat sie mir das gethan, und kein Wort darüber verlohren? Sich so in Acht nehmen, wer kann das ohne böses Gewissen? -- Hans hatte nicht so ganz unrecht, so zu fragen; allein Grete war unschuldig, wie die Sonn am Himmel. Es blieb nicht bey dieser Un- ruhe. Hans ward zu den unschuldigen ein- fachen Gastmälern, welche in dem Hause sei- ner Schwiegereltern angestellet wurden, nicht
gebe-
den. Der arme Hans! Was ihm ſein Guͤt- chen, das er nur in Gedanken beſaß, ſchon fuͤr Gedanken machte. Gretchen hatte ihm ſo viel von der Anwerbung und Verlobung und Hochzeit ihres Bruders erzaͤhlt, daß nichts druͤber war, nur einen Umſtand hatte ſie verſchwiegen, daß nemlich ihre Schwaͤge- rin einen Bruder haͤtte. Die Meyerey, wel- che das neue Ehepaar bezogen, lag zwey Mei- len von dem Guͤtchen, das Hans in Gedan- ken, und ſein kuͤnftiger Schwiegervater wuͤrk- lich beſaß. Nach einiger Zeit kamen das neue Paar und die Seinigen, Gretchens Eltern zu beſuchen. Der erſte Stoß, den Hans ans Herz erhielt, war die Nachricht, daß Gret- chens Schwaͤgerin einen Bruder haͤtte. Auf dieſen Umſtand war Hans nicht gefaßt, und warum? fragt’ er ſich ſelbſt, warum hat ſie mir das gethan, und kein Wort daruͤber verlohren? Sich ſo in Acht nehmen, wer kann das ohne boͤſes Gewiſſen? — Hans hatte nicht ſo ganz unrecht, ſo zu fragen; allein Grete war unſchuldig, wie die Sonn am Himmel. Es blieb nicht bey dieſer Un- ruhe. Hans ward zu den unſchuldigen ein- fachen Gaſtmaͤlern, welche in dem Hauſe ſei- ner Schwiegereltern angeſtellet wurden, nicht
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den. Der arme Hans! Was ihm ſein Guͤt-
chen, das er nur in Gedanken beſaß, ſchon
fuͤr Gedanken machte. Gretchen hatte ihm
ſo viel von der Anwerbung und Verlobung
und Hochzeit ihres Bruders erzaͤhlt, daß
nichts druͤber war, nur einen Umſtand hatte
ſie verſchwiegen, daß nemlich ihre Schwaͤge-
rin einen Bruder haͤtte. Die Meyerey, wel-
che das neue Ehepaar bezogen, lag zwey Mei-
len von dem Guͤtchen, das Hans in Gedan-
ken, und ſein kuͤnftiger Schwiegervater wuͤrk-
lich beſaß. Nach einiger Zeit kamen das neue
Paar und die Seinigen, Gretchens Eltern zu
beſuchen. Der erſte Stoß, den Hans ans
Herz erhielt, war die Nachricht, daß Gret-
chens Schwaͤgerin einen Bruder haͤtte. Auf
dieſen Umſtand war Hans nicht gefaßt, und
warum? fragt’ er ſich ſelbſt, warum hat ſie
mir das gethan, und kein Wort daruͤber
verlohren? Sich ſo in Acht nehmen, wer
kann das ohne boͤſes Gewiſſen? — Hans
hatte nicht ſo ganz unrecht, ſo zu fragen;
allein Grete war unſchuldig, wie die Sonn
am Himmel. Es blieb nicht bey dieſer Un-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/291>, abgerufen am 26.11.2024.
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