wunsch der beyden Kranzträgerinnen bemerkt hatte, und bat sie beyderseits, sich der Her- zen dieser guten Mädchens anzunehmen. Dies geschah unverzüglich. -- Da kam es denn bald zum Vorschein, daß der eine Vater seine Tochter einem kleinen dicken Pächter, und nicht dem raschen Martin, der die Tochter liebte, bestimmt hatte; der andere wollte sie seiner Schwestersohn, einem weit schönern reichern Burschen, als Caspar war, zuwen- den. Das Mädchen aber wollte Casparn oder keinen. Dergleichen Wahleigensinn, sollte man ihn wohl unter Leuten dieser Art vermuthen? Kunst ist er. Von Anbeginn ist es nicht so gewesen. Adam konnte nicht wäh- len und doch hatt' er ein allerliebstes Weib. -- Caspar war indessen ein guter Junge, der dem Mädchen mehr zur Hand gieng, als der Schwestersohn, der seiner Sache sich gewis glaubte. Nathanael und der Prediger brach- ten es in kurzer Zeit zum Vergleich. Martin und Caspar waren an dem Tage, da Gretchen Hochzeit hielt, die glücklichen Bräutigams. Wir werden schon nacheilen, sagten die ver- gnügten Bursche, und Gretchen ward roth, was weiß ich warum? Nathanael sah' in den Spiegel. Ich glaube nicht, daß es eben so
ange-
wunſch der beyden Kranztraͤgerinnen bemerkt hatte, und bat ſie beyderſeits, ſich der Her- zen dieſer guten Maͤdchens anzunehmen. Dies geſchah unverzuͤglich. — Da kam es denn bald zum Vorſchein, daß der eine Vater ſeine Tochter einem kleinen dicken Paͤchter, und nicht dem raſchen Martin, der die Tochter liebte, beſtimmt hatte; der andere wollte ſie ſeiner Schweſterſohn, einem weit ſchoͤnern reichern Burſchen, als Caſpar war, zuwen- den. Das Maͤdchen aber wollte Caſparn oder keinen. Dergleichen Wahleigenſinn, ſollte man ihn wohl unter Leuten dieſer Art vermuthen? Kunſt iſt er. Von Anbeginn iſt es nicht ſo geweſen. Adam konnte nicht waͤh- len und doch hatt’ er ein allerliebſtes Weib. — Caſpar war indeſſen ein guter Junge, der dem Maͤdchen mehr zur Hand gieng, als der Schweſterſohn, der ſeiner Sache ſich gewis glaubte. Nathanael und der Prediger brach- ten es in kurzer Zeit zum Vergleich. Martin und Caſpar waren an dem Tage, da Gretchen Hochzeit hielt, die gluͤcklichen Braͤutigams. Wir werden ſchon nacheilen, ſagten die ver- gnuͤgten Burſche, und Gretchen ward roth, was weiß ich warum? Nathanael ſah’ in den Spiegel. Ich glaube nicht, daß es eben ſo
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wunſch der beyden Kranztraͤgerinnen bemerkt
hatte, und bat ſie beyderſeits, ſich der Her-
zen dieſer guten Maͤdchens anzunehmen. Dies
geſchah unverzuͤglich. — Da kam es denn
bald zum Vorſchein, daß der eine Vater ſeine
Tochter einem kleinen dicken Paͤchter, und
nicht dem raſchen Martin, der die Tochter
liebte, beſtimmt hatte; der andere wollte ſie
ſeiner Schweſterſohn, einem weit ſchoͤnern
reichern Burſchen, als Caſpar war, zuwen-
den. Das Maͤdchen aber wollte Caſparn
oder keinen. Dergleichen Wahleigenſinn,
ſollte man ihn wohl unter Leuten dieſer Art
vermuthen? Kunſt iſt er. Von Anbeginn iſt
es nicht ſo geweſen. Adam konnte nicht waͤh-
len und doch hatt’ er ein allerliebſtes Weib. —
Caſpar war indeſſen ein guter Junge, der
dem Maͤdchen mehr zur Hand gieng, als der
Schweſterſohn, der ſeiner Sache ſich gewis
glaubte. Nathanael und der Prediger brach-
ten es in kurzer Zeit zum Vergleich. Martin
und Caſpar waren an dem Tage, da Gretchen
Hochzeit hielt, die gluͤcklichen Braͤutigams.
Wir werden ſchon nacheilen, ſagten die ver-
gnuͤgten Burſche, und Gretchen ward roth,
was weiß ich warum? Nathanael ſah’ in den
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/348>, abgerufen am 22.11.2024.
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