nen hatten uns musikalisch gemacht. Alles sang, und -- sprang, hätt' ich beynah müt- terlich hinzugereimt. Es war aber wahrlich kein Springen, es war eine stille Freude, eine Milchfreude! O Gott, was liegt in der Un- schuld, in der lautern Milch der Unschuld! -- Unter tausend andern Dingen liegt auch Ver- nunft drinn. Es heißt vernünftige lautre Milch und nichts ist einpassender, als diese Beyworte, zur Unschuld. Es liegt in ihr Ver- nunft, höchste oder tiefste, wie soll ich sie nennen? --
Nun gieng das neue Paar ins Schlafge- mach. -- Es verschwand, und das ist das natürlichste Ceremoniel, wenn ein neues Paar zu Bette geht. Die Auskleidung der Braut ist eben so unwürdig, als eine laute Hochzeit. Geht in Frieden, lieben Leute! Es gleite euch der, welcher dem Menschen sein Schöpfer- bild anhieng, mit seinem himmlischen Segen! Das ist mein Hochzeitgeschenk. Auch jedes der Hochzeitgäste gieng in sein Kämmerlein; nur ich nicht. Ich schlich mich an Minens Grab, und hatt' eine Scene über alle Sce- nen. -- Eine himmlische Hochzeit! Wer war glücklicher, ich, oder Nathanael? Spät kam ich in mein Kämmerlein und fand, daß
der
nen hatten uns muſikaliſch gemacht. Alles ſang, und — ſprang, haͤtt’ ich beynah muͤt- terlich hinzugereimt. Es war aber wahrlich kein Springen, es war eine ſtille Freude, eine Milchfreude! O Gott, was liegt in der Un- ſchuld, in der lautern Milch der Unſchuld! — Unter tauſend andern Dingen liegt auch Ver- nunft drinn. Es heißt vernuͤnftige lautre Milch und nichts iſt einpaſſender, als dieſe Beyworte, zur Unſchuld. Es liegt in ihr Ver- nunft, hoͤchſte oder tiefſte, wie ſoll ich ſie nennen? —
Nun gieng das neue Paar ins Schlafge- mach. — Es verſchwand, und das iſt das natuͤrlichſte Ceremoniel, wenn ein neues Paar zu Bette geht. Die Auskleidung der Braut iſt eben ſo unwuͤrdig, als eine laute Hochzeit. Geht in Frieden, lieben Leute! Es gleite euch der, welcher dem Menſchen ſein Schoͤpfer- bild anhieng, mit ſeinem himmliſchen Segen! Das iſt mein Hochzeitgeſchenk. Auch jedes der Hochzeitgaͤſte gieng in ſein Kaͤmmerlein; nur ich nicht. Ich ſchlich mich an Minens Grab, und hatt’ eine Scene uͤber alle Sce- nen. — Eine himmliſche Hochzeit! Wer war gluͤcklicher, ich, oder Nathanael? Spaͤt kam ich in mein Kaͤmmerlein und fand, daß
der
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nen hatten uns muſikaliſch gemacht. Alles
ſang, und — ſprang, haͤtt’ ich beynah muͤt-
terlich hinzugereimt. Es war aber wahrlich
kein Springen, es war eine ſtille Freude, eine
Milchfreude! O Gott, was liegt in der Un-
ſchuld, in der lautern Milch der Unſchuld! —
Unter tauſend andern Dingen liegt auch Ver-
nunft drinn. Es heißt vernuͤnftige lautre
Milch und nichts iſt einpaſſender, als dieſe
Beyworte, zur Unſchuld. Es liegt in ihr Ver-
nunft, hoͤchſte oder tiefſte, wie ſoll ich ſie
nennen? —
Nun gieng das neue Paar ins Schlafge-
mach. — Es verſchwand, und das iſt das
natuͤrlichſte Ceremoniel, wenn ein neues Paar
zu Bette geht. Die Auskleidung der Braut
iſt eben ſo unwuͤrdig, als eine laute Hochzeit.
Geht in Frieden, lieben Leute! Es gleite
euch der, welcher dem Menſchen ſein Schoͤpfer-
bild anhieng, mit ſeinem himmliſchen Segen!
Das iſt mein Hochzeitgeſchenk. Auch jedes
der Hochzeitgaͤſte gieng in ſein Kaͤmmerlein;
nur ich nicht. Ich ſchlich mich an Minens
Grab, und hatt’ eine Scene uͤber alle Sce-
nen. — Eine himmliſche Hochzeit! Wer
war gluͤcklicher, ich, oder Nathanael? Spaͤt
kam ich in mein Kaͤmmerlein und fand, daß
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/356>, abgerufen am 21.11.2024.
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