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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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sich Mann und Weib auf Lebenslang verbin-
den, sich Leid zu klagen. --

Der Organist, der auch diesen Tag herr-
lich und in Freuden beym Prediger lebte, hielt
sich während der Zeit, da der Graf gegen-
wärtig war, so demüthig, daß er nicht vom
Ofen kam. Wie viel sind diesen Monat im
Kirchspiel gestorben? fragt' ihn der Graf,
und er, ich habe nicht geglaubt, die Ehre zu
haben Ew. Gnaden zu sehen: zwey Reden
hab' ich gehalten, aus diesem Dorf also zwey.
Der Prediger muste das Buch hohlen, und
wir fanden abermahl, daß die Erinnerung des
Todes keine Hochzeitfreude verderbe. Die
Hochzeitgeschenke, welche der Graf unver-
merkt in die Brautkammer setzen laßen, wa-
ren Sinnbilder vom Tod und Verwesung.
Sie hatten einen ausgemachten Werth. Ei-
ne Urne von Porcellain gefiel mir am besten.

Ich blieb noch einen Tag in L -- und die-
sen einen Tag waren wir wieder ganz unter
uns. Den Amtmann hatten wir unter uns
aufgenommen. Es war ein recht guter bie-
derer Mann! Wie lang er am Hochzeittage
meinethalben seine Ruh' abgebrochen! Mit-
telmäßig war er in allem; allein warum sagen

wir:

ſich Mann und Weib auf Lebenslang verbin-
den, ſich Leid zu klagen. —

Der Organiſt, der auch dieſen Tag herr-
lich und in Freuden beym Prediger lebte, hielt
ſich waͤhrend der Zeit, da der Graf gegen-
waͤrtig war, ſo demuͤthig, daß er nicht vom
Ofen kam. Wie viel ſind dieſen Monat im
Kirchſpiel geſtorben? fragt’ ihn der Graf,
und er, ich habe nicht geglaubt, die Ehre zu
haben Ew. Gnaden zu ſehen: zwey Reden
hab’ ich gehalten, aus dieſem Dorf alſo zwey.
Der Prediger muſte das Buch hohlen, und
wir fanden abermahl, daß die Erinnerung des
Todes keine Hochzeitfreude verderbe. Die
Hochzeitgeſchenke, welche der Graf unver-
merkt in die Brautkammer ſetzen laßen, wa-
ren Sinnbilder vom Tod und Verweſung.
Sie hatten einen ausgemachten Werth. Ei-
ne Urne von Porcellain gefiel mir am beſten.

Ich blieb noch einen Tag in L — und die-
ſen einen Tag waren wir wieder ganz unter
uns. Den Amtmann hatten wir unter uns
aufgenommen. Es war ein recht guter bie-
derer Mann! Wie lang er am Hochzeittage
meinethalben ſeine Ruh’ abgebrochen! Mit-
telmaͤßig war er in allem; allein warum ſagen

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[354/0360] ſich Mann und Weib auf Lebenslang verbin- den, ſich Leid zu klagen. — Der Organiſt, der auch dieſen Tag herr- lich und in Freuden beym Prediger lebte, hielt ſich waͤhrend der Zeit, da der Graf gegen- waͤrtig war, ſo demuͤthig, daß er nicht vom Ofen kam. Wie viel ſind dieſen Monat im Kirchſpiel geſtorben? fragt’ ihn der Graf, und er, ich habe nicht geglaubt, die Ehre zu haben Ew. Gnaden zu ſehen: zwey Reden hab’ ich gehalten, aus dieſem Dorf alſo zwey. Der Prediger muſte das Buch hohlen, und wir fanden abermahl, daß die Erinnerung des Todes keine Hochzeitfreude verderbe. Die Hochzeitgeſchenke, welche der Graf unver- merkt in die Brautkammer ſetzen laßen, wa- ren Sinnbilder vom Tod und Verweſung. Sie hatten einen ausgemachten Werth. Ei- ne Urne von Porcellain gefiel mir am beſten. Ich blieb noch einen Tag in L — und die- ſen einen Tag waren wir wieder ganz unter uns. Den Amtmann hatten wir unter uns aufgenommen. Es war ein recht guter bie- derer Mann! Wie lang er am Hochzeittage meinethalben ſeine Ruh’ abgebrochen! Mit- telmaͤßig war er in allem; allein warum ſagen wir:

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/360>, abgerufen am 21.11.2024.