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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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von selbst versieht, ihr gebranntes Herzeleid
vom Vater; Rückhalt aber von der Frau
Mamma, die durchaus ihr Blut, wie sie
sagte, ins Reine bringen wollte. Ihr Va-
ter seliger war Sekretair, und hatte des Jahrs
praeter propter hundert Reichsthaler jährliche
Einkünfte gehabt, womit ihr Ehemann gewis
kaum vierzehn Tage haushielt, aber des
Bluts wegen --

Eine Ermahnung an Herrn
v. G
-- der von der Jagd kam, und sich
noch ein Viertelstündchen vom Schlaf losbit-
ten muste.

Es kostet' ihm doch einige Mühe, die Frak-
turbuchstaben für die Blondine auszusirei-
chen, eigentlich auszukratzen. Die Reise
kam ihm sehr zu statten. Wären wir länger
in Königsberg geblieben, würd' er sich vor-
züglich an die Brunette gewendet haben, die
ihm der Testator eigentlich beschied, und die,
so stolz sie war, mit keiner Sylbe an die hei-
lige Ehe dachte. Sie wollte nur siegen, blos
siegen; aus der Beute machte sie nichts. Sie
theilte sie andern aus. Mit den lieben Blon-
dinen, sie wollen gleich heyrathen, sagte Jun-
ker Gotthard. -- Ich hab' es schon irgend-
wo bemerkt, daß Junker Gotthard beyde,

die

von ſelbſt verſieht, ihr gebranntes Herzeleid
vom Vater; Ruͤckhalt aber von der Frau
Mamma, die durchaus ihr Blut, wie ſie
ſagte, ins Reine bringen wollte. Ihr Va-
ter ſeliger war Sekretair, und hatte des Jahrs
præter propter hundert Reichsthaler jaͤhrliche
Einkuͤnfte gehabt, womit ihr Ehemann gewis
kaum vierzehn Tage haushielt, aber des
Bluts wegen —

Eine Ermahnung an Herrn
v. G
— der von der Jagd kam, und ſich
noch ein Viertelſtuͤndchen vom Schlaf losbit-
ten muſte.

Es koſtet’ ihm doch einige Muͤhe, die Frak-
turbuchſtaben fuͤr die Blondine auszuſirei-
chen, eigentlich auszukratzen. Die Reiſe
kam ihm ſehr zu ſtatten. Waͤren wir laͤnger
in Koͤnigsberg geblieben, wuͤrd’ er ſich vor-
zuͤglich an die Brunette gewendet haben, die
ihm der Teſtator eigentlich beſchied, und die,
ſo ſtolz ſie war, mit keiner Sylbe an die hei-
lige Ehe dachte. Sie wollte nur ſiegen, blos
ſiegen; aus der Beute machte ſie nichts. Sie
theilte ſie andern aus. Mit den lieben Blon-
dinen, ſie wollen gleich heyrathen, ſagte Jun-
ker Gotthard. — Ich hab’ es ſchon irgend-
wo bemerkt, daß Junker Gotthard beyde,

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[413/0421] von ſelbſt verſieht, ihr gebranntes Herzeleid vom Vater; Ruͤckhalt aber von der Frau Mamma, die durchaus ihr Blut, wie ſie ſagte, ins Reine bringen wollte. Ihr Va- ter ſeliger war Sekretair, und hatte des Jahrs præter propter hundert Reichsthaler jaͤhrliche Einkuͤnfte gehabt, womit ihr Ehemann gewis kaum vierzehn Tage haushielt, aber des Bluts wegen — Eine Ermahnung an Herrn v. G — der von der Jagd kam, und ſich noch ein Viertelſtuͤndchen vom Schlaf losbit- ten muſte. Es koſtet’ ihm doch einige Muͤhe, die Frak- turbuchſtaben fuͤr die Blondine auszuſirei- chen, eigentlich auszukratzen. Die Reiſe kam ihm ſehr zu ſtatten. Waͤren wir laͤnger in Koͤnigsberg geblieben, wuͤrd’ er ſich vor- zuͤglich an die Brunette gewendet haben, die ihm der Teſtator eigentlich beſchied, und die, ſo ſtolz ſie war, mit keiner Sylbe an die hei- lige Ehe dachte. Sie wollte nur ſiegen, blos ſiegen; aus der Beute machte ſie nichts. Sie theilte ſie andern aus. Mit den lieben Blon- dinen, ſie wollen gleich heyrathen, ſagte Jun- ker Gotthard. — Ich hab’ es ſchon irgend- wo bemerkt, daß Junker Gotthard beyde, die

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/421>, abgerufen am 22.11.2024.