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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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wird sie bey der Hand nehmen, und sie
Abba mein Vater! an einem Nest voll jun-
ger Vögel, die ihren Mund gen Himmel
aufreissen, beten lehren? Wer nach dem Un-
gewitter, wenn die Luft sich erholt hat, ein
Loblied singen, mit dem Finken um die
Wette!
Kommt! laßt uns gehen, wo es wieder-
halt, und Mutter rufen, Mutter! Vielleicht
erfährt sie dadurch, daß wir ihrer denken.
Uns spottet das Echo nach; mit Geistern
spricht es, wie wir mit einander. Kommt
in den Wald, wo es wiederhallt! Fast hoch-
noth ist, daß wir Zweige brechen, den
Weg zu bestreuen zu diesem Grabe. Ihr
Grab wird von selbst grünen und blühen.
Nicht von Aesten, die sich erst welcher Rei-
sende brechen kann, um sich auf seinem
Wagen eine Bude zu bauen, die ihn vor
der Sonne schirmt -- In die Höhe wollen
wir klimmen, und aus den Gipfeln Aeste
nehmen und brechen Sie ists werth, daß
man hoch steigt! und daß man bricht und
nicht schneidet. Sie ist von der Seele gerissen,
wie diese Aeste vom Stamm. Sie welkt, wie
dieses Laub auf dem Wege zu ihrem Grabe --

Wem

wird ſie bey der Hand nehmen, und ſie
Abba mein Vater! an einem Neſt voll jun-
ger Voͤgel, die ihren Mund gen Himmel
aufreiſſen, beten lehren? Wer nach dem Un-
gewitter, wenn die Luft ſich erholt hat, ein
Loblied ſingen, mit dem Finken um die
Wette!
Kommt! laßt uns gehen, wo es wieder-
halt, und Mutter rufen, Mutter! Vielleicht
erfaͤhrt ſie dadurch, daß wir ihrer denken.
Uns ſpottet das Echo nach; mit Geiſtern
ſpricht es, wie wir mit einander. Kommt
in den Wald, wo es wiederhallt! Faſt hoch-
noth iſt, daß wir Zweige brechen, den
Weg zu beſtreuen zu dieſem Grabe. Ihr
Grab wird von ſelbſt gruͤnen und bluͤhen.
Nicht von Aeſten, die ſich erſt welcher Rei-
ſende brechen kann, um ſich auf ſeinem
Wagen eine Bude zu bauen, die ihn vor
der Sonne ſchirmt — In die Hoͤhe wollen
wir klimmen, und aus den Gipfeln Aeſte
nehmen und brechen Sie iſts werth, daß
man hoch ſteigt! und daß man bricht und
nicht ſchneidet. Sie iſt von der Seele geriſſen,
wie dieſe Aeſte vom Stamm. Sie welkt, wie
dieſes Laub auf dem Wege zu ihrem Grabe —

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[123/0129] wird ſie bey der Hand nehmen, und ſie Abba mein Vater! an einem Neſt voll jun- ger Voͤgel, die ihren Mund gen Himmel aufreiſſen, beten lehren? Wer nach dem Un- gewitter, wenn die Luft ſich erholt hat, ein Loblied ſingen, mit dem Finken um die Wette! Kommt! laßt uns gehen, wo es wieder- halt, und Mutter rufen, Mutter! Vielleicht erfaͤhrt ſie dadurch, daß wir ihrer denken. Uns ſpottet das Echo nach; mit Geiſtern ſpricht es, wie wir mit einander. Kommt in den Wald, wo es wiederhallt! Faſt hoch- noth iſt, daß wir Zweige brechen, den Weg zu beſtreuen zu dieſem Grabe. Ihr Grab wird von ſelbſt gruͤnen und bluͤhen. Nicht von Aeſten, die ſich erſt welcher Rei- ſende brechen kann, um ſich auf ſeinem Wagen eine Bude zu bauen, die ihn vor der Sonne ſchirmt — In die Hoͤhe wollen wir klimmen, und aus den Gipfeln Aeſte nehmen und brechen Sie iſts werth, daß man hoch ſteigt! und daß man bricht und nicht ſchneidet. Sie iſt von der Seele geriſſen, wie dieſe Aeſte vom Stamm. Sie welkt, wie dieſes Laub auf dem Wege zu ihrem Grabe — Wem

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/129>, abgerufen am 25.11.2024.