von etlichen gehalten. Staat ist freylich Kunst; allein diese Kunst bestehet aus zusam- gesetzter Natur -- und muß denn der Staat eben Monarchie seyn?
Ist nicht nur ein Gott? und wird nicht eher lieber Ein Gott der Erden dem Original weichen, so bald das Volk sich ans Unsichtba- re gewöhnen lernt, als an so viele Götter!
Doch! warum in spitzfindigen Reden und Antworten, ich will versuchen, meinen Vater in Eins zu bringen, und was Stückweise über den monarchischen Staat vorfiel, in ein Aus- bund vom Ganzen zu ziehen.
In der Vernunft, womit der Mensch aus- gestattet ist, liegt Freyheit und Regel. Der Mensch ist frey, das heißt: der Mensch kann thun und lassen, kann wollen. Der Mensch ist an eine Regel gebunden, das heißt: seine Willkühre hängen vom Gesetz ab. Er hat Verstand. Verstand und Willen zusammen- genommen könnte man die Vernunft heißen. Alle die Unterschiede, welche die Philosophen und Juristen (ehemals Nachbarn, jetzt fast völlig aus der Gemeinschaft gesetzt) unter Ge- setzen machen, können sehr einfach werden, wenn nur nicht das leichteste in der Welt dem Menschen so überschwenglich schwer würde.
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von etlichen gehalten. Staat iſt freylich Kunſt; allein dieſe Kunſt beſtehet aus zuſam- geſetzter Natur — und muß denn der Staat eben Monarchie ſeyn?
Iſt nicht nur ein Gott? und wird nicht eher lieber Ein Gott der Erden dem Original weichen, ſo bald das Volk ſich ans Unſichtba- re gewoͤhnen lernt, als an ſo viele Goͤtter!
Doch! warum in ſpitzfindigen Reden und Antworten, ich will verſuchen, meinen Vater in Eins zu bringen, und was Stuͤckweiſe uͤber den monarchiſchen Staat vorfiel, in ein Aus- bund vom Ganzen zu ziehen.
In der Vernunft, womit der Menſch aus- geſtattet iſt, liegt Freyheit und Regel. Der Menſch iſt frey, das heißt: der Menſch kann thun und laſſen, kann wollen. Der Menſch iſt an eine Regel gebunden, das heißt: ſeine Willkuͤhre haͤngen vom Geſetz ab. Er hat Verſtand. Verſtand und Willen zuſammen- genommen koͤnnte man die Vernunft heißen. Alle die Unterſchiede, welche die Philoſophen und Juriſten (ehemals Nachbarn, jetzt faſt voͤllig aus der Gemeinſchaft geſetzt) unter Ge- ſetzen machen, koͤnnen ſehr einfach werden, wenn nur nicht das leichteſte in der Welt dem Menſchen ſo uͤberſchwenglich ſchwer wuͤrde.
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von etlichen gehalten. Staat iſt freylich
Kunſt; allein dieſe Kunſt beſtehet aus zuſam-
geſetzter Natur — und muß denn der Staat
eben Monarchie ſeyn?
Iſt nicht nur ein Gott? und wird nicht
eher lieber Ein Gott der Erden dem Original
weichen, ſo bald das Volk ſich ans Unſichtba-
re gewoͤhnen lernt, als an ſo viele Goͤtter!
Doch! warum in ſpitzfindigen Reden und
Antworten, ich will verſuchen, meinen Vater
in Eins zu bringen, und was Stuͤckweiſe uͤber
den monarchiſchen Staat vorfiel, in ein Aus-
bund vom Ganzen zu ziehen.
In der Vernunft, womit der Menſch aus-
geſtattet iſt, liegt Freyheit und Regel. Der
Menſch iſt frey, das heißt: der Menſch kann
thun und laſſen, kann wollen. Der Menſch
iſt an eine Regel gebunden, das heißt: ſeine
Willkuͤhre haͤngen vom Geſetz ab. Er hat
Verſtand. Verſtand und Willen zuſammen-
genommen koͤnnte man die Vernunft heißen.
Alle die Unterſchiede, welche die Philoſophen
und Juriſten (ehemals Nachbarn, jetzt faſt
voͤllig aus der Gemeinſchaft geſetzt) unter Ge-
ſetzen machen, koͤnnen ſehr einfach werden,
wenn nur nicht das leichteſte in der Welt dem
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/185>, abgerufen am 25.11.2024.
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