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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Sünden? kann es indessen nicht erzogen, und
der göttlichen Absicht, das heißt: dem gött-
lichen Ebenbilde, näher gebracht werden?
Muß der Mensch gleich oft im Streite seyn
und im Schweis des Angesichts über seine Lei-
denschaft kämpfen, kann er nicht auch siegen?
und was ist besser, die Hände in den Schoos
legen, und nicht wachen, nicht schlafen? oder
beydes recht von Herzen thun?

Ich komme wieder zum Anfange.


Am Anfange, in einer neuen Weltperiode,
oder auch am tiefern Anfange, am allerersten
Anfange, war das menschliche Geschlecht so
Eins, wie Einer. Das ganze Geschlecht war
Adam, weniger eine Ribbe, oder, und eine
seiner Ribben. Welche göttliche Weisheit in
diesem Bilde! Mann und Weib sind eins,
und verschieden. Es fehlt dem Manne,
wenn er ein Weib hat, eine Ribbe; allein die-
ser Verlust wie reichlich ersetzt, wie reichlich!
eben weil er ein liebes Weib hat.

Im Schlafe verlohr Adam eine Ribbe,
und es ergiebt sich besonders im Schlaf, wo
so viel Bilder um uns herumgaukeln, wie nö-
thig dem Mann ein Weib sey.

Vom
O 2

Suͤnden? kann es indeſſen nicht erzogen, und
der goͤttlichen Abſicht, das heißt: dem goͤtt-
lichen Ebenbilde, naͤher gebracht werden?
Muß der Menſch gleich oft im Streite ſeyn
und im Schweis des Angeſichts uͤber ſeine Lei-
denſchaft kaͤmpfen, kann er nicht auch ſiegen?
und was iſt beſſer, die Haͤnde in den Schoos
legen, und nicht wachen, nicht ſchlafen? oder
beydes recht von Herzen thun?

Ich komme wieder zum Anfange.


Am Anfange, in einer neuen Weltperiode,
oder auch am tiefern Anfange, am allererſten
Anfange, war das menſchliche Geſchlecht ſo
Eins, wie Einer. Das ganze Geſchlecht war
Adam, weniger eine Ribbe, oder, und eine
ſeiner Ribben. Welche goͤttliche Weisheit in
dieſem Bilde! Mann und Weib ſind eins,
und verſchieden. Es fehlt dem Manne,
wenn er ein Weib hat, eine Ribbe; allein die-
ſer Verluſt wie reichlich erſetzt, wie reichlich!
eben weil er ein liebes Weib hat.

Im Schlafe verlohr Adam eine Ribbe,
und es ergiebt ſich beſonders im Schlaf, wo
ſo viel Bilder um uns herumgaukeln, wie noͤ-
thig dem Mann ein Weib ſey.

Vom
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[211/0217] Suͤnden? kann es indeſſen nicht erzogen, und der goͤttlichen Abſicht, das heißt: dem goͤtt- lichen Ebenbilde, naͤher gebracht werden? Muß der Menſch gleich oft im Streite ſeyn und im Schweis des Angeſichts uͤber ſeine Lei- denſchaft kaͤmpfen, kann er nicht auch ſiegen? und was iſt beſſer, die Haͤnde in den Schoos legen, und nicht wachen, nicht ſchlafen? oder beydes recht von Herzen thun? Ich komme wieder zum Anfange. Am Anfange, in einer neuen Weltperiode, oder auch am tiefern Anfange, am allererſten Anfange, war das menſchliche Geſchlecht ſo Eins, wie Einer. Das ganze Geſchlecht war Adam, weniger eine Ribbe, oder, und eine ſeiner Ribben. Welche goͤttliche Weisheit in dieſem Bilde! Mann und Weib ſind eins, und verſchieden. Es fehlt dem Manne, wenn er ein Weib hat, eine Ribbe; allein die- ſer Verluſt wie reichlich erſetzt, wie reichlich! eben weil er ein liebes Weib hat. Im Schlafe verlohr Adam eine Ribbe, und es ergiebt ſich beſonders im Schlaf, wo ſo viel Bilder um uns herumgaukeln, wie noͤ- thig dem Mann ein Weib ſey. Vom O 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/217>, abgerufen am 27.11.2024.