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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Paradiese. Er ist mehr drinn, wie vorhin.
Er setzt sich jezt selbst herein, und erst kam er
so dazu, mir nichts dir nichts. Erworbenes
Brod schmeckt am besten, und bekommt auch
so. Der Teppich der Erde ist mit den vor-
treflichsten Kräutern angefüllt. Nur wir sind
nicht mehr Schooskinder. Wir müssen Hand
ans Werk legen. Wie die Natur nur ein
Kind hatte, da hielte sies freylich auf dem
Schoos; jezt aber -- was solte sie mit so
viel Tagdieben anfangen? -- -- -- -- Blos
das gute kennen, Freund Pastor? Ists denn
so herrlich, oder ists nicht besser, wie Gott
wissen, was gut und böse ist, aus dem Para-
diese in die Welt gehen? Aus der blos sim-
plen Unschuld zur Vernunft? Die vernünf-
tige Unschuld ist was göttliches -- allein jene
rothbackigte gemeine Unschuld, was hat sie
denn für Reiz? Wüßte denn wohl der Adam
sich eine Talubbe (Schlafpelz) zu machen?
Ich mag ihm keinen Namen beylegen, diesem
Namengeber! denn wahrlich! er würde nicht
sonderlich abkommen, wenn ich ihn taufen
solte --

Ist der Mensch denn nicht noch jezt der
Herr der Erde? Er ruft alle Geschöpfe mit
Namen und kann ihnen Namen geben, so

bald

Paradieſe. Er iſt mehr drinn, wie vorhin.
Er ſetzt ſich jezt ſelbſt herein, und erſt kam er
ſo dazu, mir nichts dir nichts. Erworbenes
Brod ſchmeckt am beſten, und bekommt auch
ſo. Der Teppich der Erde iſt mit den vor-
treflichſten Kraͤutern angefuͤllt. Nur wir ſind
nicht mehr Schooskinder. Wir muͤſſen Hand
ans Werk legen. Wie die Natur nur ein
Kind hatte, da hielte ſies freylich auf dem
Schoos; jezt aber — was ſolte ſie mit ſo
viel Tagdieben anfangen? — — — — Blos
das gute kennen, Freund Paſtor? Iſts denn
ſo herrlich, oder iſts nicht beſſer, wie Gott
wiſſen, was gut und boͤſe iſt, aus dem Para-
dieſe in die Welt gehen? Aus der blos ſim-
plen Unſchuld zur Vernunft? Die vernuͤnf-
tige Unſchuld iſt was goͤttliches — allein jene
rothbackigte gemeine Unſchuld, was hat ſie
denn fuͤr Reiz? Wuͤßte denn wohl der Adam
ſich eine Talubbe (Schlafpelz) zu machen?
Ich mag ihm keinen Namen beylegen, dieſem
Namengeber! denn wahrlich! er wuͤrde nicht
ſonderlich abkommen, wenn ich ihn taufen
ſolte —

Iſt der Menſch denn nicht noch jezt der
Herr der Erde? Er ruft alle Geſchoͤpfe mit
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bald
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[220/0226] Paradieſe. Er iſt mehr drinn, wie vorhin. Er ſetzt ſich jezt ſelbſt herein, und erſt kam er ſo dazu, mir nichts dir nichts. Erworbenes Brod ſchmeckt am beſten, und bekommt auch ſo. Der Teppich der Erde iſt mit den vor- treflichſten Kraͤutern angefuͤllt. Nur wir ſind nicht mehr Schooskinder. Wir muͤſſen Hand ans Werk legen. Wie die Natur nur ein Kind hatte, da hielte ſies freylich auf dem Schoos; jezt aber — was ſolte ſie mit ſo viel Tagdieben anfangen? — — — — Blos das gute kennen, Freund Paſtor? Iſts denn ſo herrlich, oder iſts nicht beſſer, wie Gott wiſſen, was gut und boͤſe iſt, aus dem Para- dieſe in die Welt gehen? Aus der blos ſim- plen Unſchuld zur Vernunft? Die vernuͤnf- tige Unſchuld iſt was goͤttliches — allein jene rothbackigte gemeine Unſchuld, was hat ſie denn fuͤr Reiz? Wuͤßte denn wohl der Adam ſich eine Talubbe (Schlafpelz) zu machen? Ich mag ihm keinen Namen beylegen, dieſem Namengeber! denn wahrlich! er wuͤrde nicht ſonderlich abkommen, wenn ich ihn taufen ſolte — Iſt der Menſch denn nicht noch jezt der Herr der Erde? Er ruft alle Geſchoͤpfe mit Namen und kann ihnen Namen geben, ſo bald

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/226>, abgerufen am 27.11.2024.