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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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gutes, dir werthes Land. Was kann man
sich im Kriege mehr wünschen, als einen ed-
len Feind. Mich dünkt, dies Ziel hast du
erreicht! -- Verzeih, Sterbender! daß ich
nur ein halbes Auge auf dich verwenden
konnte! ich hatte drey Viertel hochnoth für
die Feinde! --

Gott! wenn kommt dein Reich? wenn
wird Friede auf Erden und den Menschen ein
Wohlgefallen? Jeder Irthum hat seine
Schule, sein Auditorium. Keiner kann so
übertünchet werden, als die Idee vom Kriege.
Wahrlich! ein übertünchtes Grab! Nicht
meine Leser würden es mir vergeben, nicht ich
selbst, wenn ich mich nicht selbst über diesen
Edlen vergessen hätte! --

Bukarest! schrecklicher Name! war der
Ort, wo auch ich den Tod fand! -- ich erhielt
tödtliche Wunden! -- Guter Türke! ich ver-
zeih dir alles, auch den Stich, da ich nicht
mehr den Arm bewegen konnte, der etwas
türkisch war, und den du bleiben lassen kön-
nen! -- Sey glücklich! -- Alles gab mein
Leben auf. Mein andrer Lehrling starb acht
Tage darauf. Sein Sterbelager war vier
Schritte von dem meinigen. Für mich Eine
halbe Welt. Der Arzt verbot mir sogar allen

Trost!

gutes, dir werthes Land. Was kann man
ſich im Kriege mehr wuͤnſchen, als einen ed-
len Feind. Mich duͤnkt, dies Ziel haſt du
erreicht! — Verzeih, Sterbender! daß ich
nur ein halbes Auge auf dich verwenden
konnte! ich hatte drey Viertel hochnoth fuͤr
die Feinde! —

Gott! wenn kommt dein Reich? wenn
wird Friede auf Erden und den Menſchen ein
Wohlgefallen? Jeder Irthum hat ſeine
Schule, ſein Auditorium. Keiner kann ſo
uͤbertuͤnchet werden, als die Idee vom Kriege.
Wahrlich! ein uͤbertuͤnchtes Grab! Nicht
meine Leſer wuͤrden es mir vergeben, nicht ich
ſelbſt, wenn ich mich nicht ſelbſt uͤber dieſen
Edlen vergeſſen haͤtte! —

Bukareſt! ſchrecklicher Name! war der
Ort, wo auch ich den Tod fand! — ich erhielt
toͤdtliche Wunden! — Guter Tuͤrke! ich ver-
zeih dir alles, auch den Stich, da ich nicht
mehr den Arm bewegen konnte, der etwas
tuͤrkiſch war, und den du bleiben laſſen koͤn-
nen! — Sey gluͤcklich! — Alles gab mein
Leben auf. Mein andrer Lehrling ſtarb acht
Tage darauf. Sein Sterbelager war vier
Schritte von dem meinigen. Fuͤr mich Eine
halbe Welt. Der Arzt verbot mir ſogar allen

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[356/0362] gutes, dir werthes Land. Was kann man ſich im Kriege mehr wuͤnſchen, als einen ed- len Feind. Mich duͤnkt, dies Ziel haſt du erreicht! — Verzeih, Sterbender! daß ich nur ein halbes Auge auf dich verwenden konnte! ich hatte drey Viertel hochnoth fuͤr die Feinde! — Gott! wenn kommt dein Reich? wenn wird Friede auf Erden und den Menſchen ein Wohlgefallen? Jeder Irthum hat ſeine Schule, ſein Auditorium. Keiner kann ſo uͤbertuͤnchet werden, als die Idee vom Kriege. Wahrlich! ein uͤbertuͤnchtes Grab! Nicht meine Leſer wuͤrden es mir vergeben, nicht ich ſelbſt, wenn ich mich nicht ſelbſt uͤber dieſen Edlen vergeſſen haͤtte! — Bukareſt! ſchrecklicher Name! war der Ort, wo auch ich den Tod fand! — ich erhielt toͤdtliche Wunden! — Guter Tuͤrke! ich ver- zeih dir alles, auch den Stich, da ich nicht mehr den Arm bewegen konnte, der etwas tuͤrkiſch war, und den du bleiben laſſen koͤn- nen! — Sey gluͤcklich! — Alles gab mein Leben auf. Mein andrer Lehrling ſtarb acht Tage darauf. Sein Sterbelager war vier Schritte von dem meinigen. Fuͤr mich Eine halbe Welt. Der Arzt verbot mir ſogar allen Troſt!

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/362>, abgerufen am 22.11.2024.