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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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zweygliedrigen Segen gern reformirt, wenn
es in seiner Macht gewesen wäre. Die gute
Mutter empfand desto mehr, daß Kopfnicken
und deutlich Ja sagen verschieden wären.
Sie sah ihre Tochter so oft ganz Gottergeben
vor dem Altar dienen, wo freylich nur das
Fest des unbekannten Liebhabers gefeyert
wurde; indessen ist die Liebe der Einbildung
die gefährlichste! --

Kind! fing sie an, und Tinchen erwie-
derte: Mutter!

Liebes Kind!

Liebe Mutter!

einzige Tochter!

einzige Mutter! --

Das war alles, was verhandelt ward.
Du hast gewolt! Ja, liebe Mutter! Un-
gern? Ja, liebe Mutter! Gott wird hel-
fen! Tinchen blickte gen Himmel! -- Ihre
Mutter führte sie auf so manche Höflichkeits-
scene, durch welche sie sich durchdrengen müs-
sen, auf die Abneigung, die sie für alles,
was sich biegt, gehabt und noch hätte, und
dann unterbrach diese Lieben der Mücken-
held
, oder sein Herr Vater, und Tine em-
pfand die Unannehmlichkeit in ihrem ganzen
Umfange, von diesem des Herrn v. K --

halber

zweygliedrigen Segen gern reformirt, wenn
es in ſeiner Macht geweſen waͤre. Die gute
Mutter empfand deſto mehr, daß Kopfnicken
und deutlich Ja ſagen verſchieden waͤren.
Sie ſah ihre Tochter ſo oft ganz Gottergeben
vor dem Altar dienen, wo freylich nur das
Feſt des unbekannten Liebhabers gefeyert
wurde; indeſſen iſt die Liebe der Einbildung
die gefaͤhrlichſte! —

Kind! fing ſie an, und Tinchen erwie-
derte: Mutter!

Liebes Kind!

Liebe Mutter!

einzige Tochter!

einzige Mutter! —

Das war alles, was verhandelt ward.
Du haſt gewolt! Ja, liebe Mutter! Un-
gern? Ja, liebe Mutter! Gott wird hel-
fen! Tinchen blickte gen Himmel! — Ihre
Mutter fuͤhrte ſie auf ſo manche Hoͤflichkeits-
ſcene, durch welche ſie ſich durchdrengen muͤſ-
ſen, auf die Abneigung, die ſie fuͤr alles,
was ſich biegt, gehabt und noch haͤtte, und
dann unterbrach dieſe Lieben der Muͤcken-
held
, oder ſein Herr Vater, und Tine em-
pfand die Unannehmlichkeit in ihrem ganzen
Umfange, von dieſem des Herrn v. K —

halber
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[475/0483] zweygliedrigen Segen gern reformirt, wenn es in ſeiner Macht geweſen waͤre. Die gute Mutter empfand deſto mehr, daß Kopfnicken und deutlich Ja ſagen verſchieden waͤren. Sie ſah ihre Tochter ſo oft ganz Gottergeben vor dem Altar dienen, wo freylich nur das Feſt des unbekannten Liebhabers gefeyert wurde; indeſſen iſt die Liebe der Einbildung die gefaͤhrlichſte! — Kind! fing ſie an, und Tinchen erwie- derte: Mutter! Liebes Kind! Liebe Mutter! einzige Tochter! einzige Mutter! — Das war alles, was verhandelt ward. Du haſt gewolt! Ja, liebe Mutter! Un- gern? Ja, liebe Mutter! Gott wird hel- fen! Tinchen blickte gen Himmel! — Ihre Mutter fuͤhrte ſie auf ſo manche Hoͤflichkeits- ſcene, durch welche ſie ſich durchdrengen muͤſ- ſen, auf die Abneigung, die ſie fuͤr alles, was ſich biegt, gehabt und noch haͤtte, und dann unterbrach dieſe Lieben der Muͤcken- held, oder ſein Herr Vater, und Tine em- pfand die Unannehmlichkeit in ihrem ganzen Umfange, von dieſem des Herrn v. K — halber

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/483>, abgerufen am 29.11.2024.