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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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vor, als ob er die Frage mit der Serviette
verhängen wolte: ihr dutzet euch?

Mine lächelte und Junker Gotthard konnte
nicht umhin, ihr überm Tisch die Hand zu
reichen, und ein Glas Wein drüber umzu-
stürzen -- Nicht das Glas, sondern die
Handgabe, war ein Greuel in den Augen des
Herrn v. W -- der aber nicht einst aufschrie
wie oben, da ich Minen an mein Herz nahm! --
Wie gütig! --

Ich darf es wohl nicht bemerken, daß,
ausser dem wohlgemachten Pastor, wenig
Leute da waren, die einen Begrif vom Zu-
sammenhange in Gesellschaft hatten! --
Herr v. G -- der Selige! was meynen meine
Leser, war er nicht gebohren, in eine Gesell-
schaft Geist und Ordnung zu bringen, --
und selbst Waldhörnern den Cammerton bey-
zulegen? Ich wette, Jupiter wäre unter
seinem Vorsitz ein angenehmer Gesellschafter
worden! und behaupte, daß in der Conver-
sation, da wir auf seinem Gute waren, so
viel Einheit, so viel Stimmung liege, daß
es ein Concert heissen könnte, wenn der Kunst-
richter es so erlauben will.

Wahrheiten, die jeder sieht und hört,
wer kann sie aushalten? Es regnet, es hat

gereg-

vor, als ob er die Frage mit der Serviette
verhaͤngen wolte: ihr dutzet euch?

Mine laͤchelte und Junker Gotthard konnte
nicht umhin, ihr uͤberm Tiſch die Hand zu
reichen, und ein Glas Wein druͤber umzu-
ſtuͤrzen — Nicht das Glas, ſondern die
Handgabe, war ein Greuel in den Augen des
Herrn v. W — der aber nicht einſt aufſchrie
wie oben, da ich Minen an mein Herz nahm! —
Wie guͤtig! —

Ich darf es wohl nicht bemerken, daß,
auſſer dem wohlgemachten Paſtor, wenig
Leute da waren, die einen Begrif vom Zu-
ſammenhange in Geſellſchaft hatten! —
Herr v. G — der Selige! was meynen meine
Leſer, war er nicht gebohren, in eine Geſell-
ſchaft Geiſt und Ordnung zu bringen, —
und ſelbſt Waldhoͤrnern den Cammerton bey-
zulegen? Ich wette, Jupiter waͤre unter
ſeinem Vorſitz ein angenehmer Geſellſchafter
worden! und behaupte, daß in der Conver-
ſation, da wir auf ſeinem Gute waren, ſo
viel Einheit, ſo viel Stimmung liege, daß
es ein Concert heiſſen koͤnnte, wenn der Kunſt-
richter es ſo erlauben will.

Wahrheiten, die jeder ſieht und hoͤrt,
wer kann ſie aushalten? Es regnet, es hat

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[534/0544] vor, als ob er die Frage mit der Serviette verhaͤngen wolte: ihr dutzet euch? Mine laͤchelte und Junker Gotthard konnte nicht umhin, ihr uͤberm Tiſch die Hand zu reichen, und ein Glas Wein druͤber umzu- ſtuͤrzen — Nicht das Glas, ſondern die Handgabe, war ein Greuel in den Augen des Herrn v. W — der aber nicht einſt aufſchrie wie oben, da ich Minen an mein Herz nahm! — Wie guͤtig! — Ich darf es wohl nicht bemerken, daß, auſſer dem wohlgemachten Paſtor, wenig Leute da waren, die einen Begrif vom Zu- ſammenhange in Geſellſchaft hatten! — Herr v. G — der Selige! was meynen meine Leſer, war er nicht gebohren, in eine Geſell- ſchaft Geiſt und Ordnung zu bringen, — und ſelbſt Waldhoͤrnern den Cammerton bey- zulegen? Ich wette, Jupiter waͤre unter ſeinem Vorſitz ein angenehmer Geſellſchafter worden! und behaupte, daß in der Conver- ſation, da wir auf ſeinem Gute waren, ſo viel Einheit, ſo viel Stimmung liege, daß es ein Concert heiſſen koͤnnte, wenn der Kunſt- richter es ſo erlauben will. Wahrheiten, die jeder ſieht und hoͤrt, wer kann ſie aushalten? Es regnet, es hat gereg-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/544>, abgerufen am 21.11.2024.