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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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selten ist er da eines Engels werth? Die En-
gel sind nicht unsere Diener, wiewohl etliche
des Dafürhaltens gewesen, sondern unsere
Vormünder, unsere Curatores. Wie muß es
sie verdrießen, daß eine Gestalt, die der erste
Adam und der zweyte Adam getragen, so ver-
nachläßiget wird! Aus der göttlichen Uniform,
o! was ist aus ihr worden! Die Engel lernen
von uns die Auswickelung eines Geistes, den
Einfluß des Geistes in den Körper, und dieses
in jenen! Sie sehen, was es mit einem sublu-
narischen Körper für eine Bewandtniß habe,
und wie er einem Geiste stehet. Sie sehen die
Ungemächlichkeiten, die ein Eigenthum vor
einer Miethe, ein eigenes Haus vor einem ge-
heurten habe. -- O was ist vom Menschen zu
lernen! Vielleicht ist in ihm aus jedem Haupt-
Weltstück etwas! -- Er ist die Welt im Regi-
ster! Man kann sie bey ihm nachschlagen --
und wenn er stirbt! welcher neue Unterricht!
Die Trennung, das Ueberbleibsel ausser der
Seele, das Hemde vom Menschen, von köst-
licher Leinwand. -- Wir sind also, ihrer Vor-
mundschaft unbeschadet, ihre Lehrer! Hier
sind wir Engel und Menschen in einer Person!
Wer sagt, daß wir sterben, drückt sich unei-
gentlich aus. Wir sind unsterblich --

Kind-

ſelten iſt er da eines Engels werth? Die En-
gel ſind nicht unſere Diener, wiewohl etliche
des Dafuͤrhaltens geweſen, ſondern unſere
Vormuͤnder, unſere Curatores. Wie muß es
ſie verdrießen, daß eine Geſtalt, die der erſte
Adam und der zweyte Adam getragen, ſo ver-
nachlaͤßiget wird! Aus der goͤttlichen Uniform,
o! was iſt aus ihr worden! Die Engel lernen
von uns die Auswickelung eines Geiſtes, den
Einfluß des Geiſtes in den Koͤrper, und dieſes
in jenen! Sie ſehen, was es mit einem ſublu-
nariſchen Koͤrper fuͤr eine Bewandtniß habe,
und wie er einem Geiſte ſtehet. Sie ſehen die
Ungemaͤchlichkeiten, die ein Eigenthum vor
einer Miethe, ein eigenes Haus vor einem ge-
heurten habe. — O was iſt vom Menſchen zu
lernen! Vielleicht iſt in ihm aus jedem Haupt-
Weltſtuͤck etwas! — Er iſt die Welt im Regi-
ſter! Man kann ſie bey ihm nachſchlagen —
und wenn er ſtirbt! welcher neue Unterricht!
Die Trennung, das Ueberbleibſel auſſer der
Seele, das Hemde vom Menſchen, von koͤſt-
licher Leinwand. — Wir ſind alſo, ihrer Vor-
mundſchaft unbeſchadet, ihre Lehrer! Hier
ſind wir Engel und Menſchen in einer Perſon!
Wer ſagt, daß wir ſterben, druͤckt ſich unei-
gentlich aus. Wir ſind unſterblich —

Kind-
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[74/0080] ſelten iſt er da eines Engels werth? Die En- gel ſind nicht unſere Diener, wiewohl etliche des Dafuͤrhaltens geweſen, ſondern unſere Vormuͤnder, unſere Curatores. Wie muß es ſie verdrießen, daß eine Geſtalt, die der erſte Adam und der zweyte Adam getragen, ſo ver- nachlaͤßiget wird! Aus der goͤttlichen Uniform, o! was iſt aus ihr worden! Die Engel lernen von uns die Auswickelung eines Geiſtes, den Einfluß des Geiſtes in den Koͤrper, und dieſes in jenen! Sie ſehen, was es mit einem ſublu- nariſchen Koͤrper fuͤr eine Bewandtniß habe, und wie er einem Geiſte ſtehet. Sie ſehen die Ungemaͤchlichkeiten, die ein Eigenthum vor einer Miethe, ein eigenes Haus vor einem ge- heurten habe. — O was iſt vom Menſchen zu lernen! Vielleicht iſt in ihm aus jedem Haupt- Weltſtuͤck etwas! — Er iſt die Welt im Regi- ſter! Man kann ſie bey ihm nachſchlagen — und wenn er ſtirbt! welcher neue Unterricht! Die Trennung, das Ueberbleibſel auſſer der Seele, das Hemde vom Menſchen, von koͤſt- licher Leinwand. — Wir ſind alſo, ihrer Vor- mundſchaft unbeſchadet, ihre Lehrer! Hier ſind wir Engel und Menſchen in einer Perſon! Wer ſagt, daß wir ſterben, druͤckt ſich unei- gentlich aus. Wir ſind unſterblich — Kind-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/80>, abgerufen am 21.11.2024.