thia, wenn ihr traurig seyd, und es will Ue- berhand nehmen, so sprecht: Auf, ich muß ein Liedlein schlagen auf dem Regal, das Te Deum oder Benedictus. -- Gehe hin, thue desgleichen! Herrmann, so betrübt er war, konnte nicht umhin anzumerken, daß er nie Organist gewesen, sondern nur ein Post und Präludium hier und da gehalten, wenn es vierzehn Tage zuvor bestellet worden, womit es meine Mutter bewenden lies, die um alles in der Welt willen ihm nichts vom kalten Brande gesagt hätte. Sie kränkte seine Lit- teratusehre nach Minens Tode nicht weiter. Diese Welt, lieber Herrmann! sagte sie, ist ein Präludium; die künftige das Textlied! -- Ja wohl, erwiedert' er mit einem tiefen Seuf- zer. So lebte Hermann nicht viel anders, als ein Cartheuser, hatte nicht Lust und Liebe mehr, seitdem er den Kinderunterricht aufge- geben, seine Handwerke zu treiben; obgleich er noch vom Schneider die Gewohnheit bey- behalten, auf den Tisch zu klopfen, vom Schu- ster das weite Aushohlen mit den Händen, und vom Töpfer das beständige Wackeln mit dem Fuße. -- Die Frau v. -- b -- hatte außer der Pastorwittwe auch an ihn im Testa- mente gedacht. Sie hatte sich, nach ihrer
Wallfart
thia, wenn ihr traurig ſeyd, und es will Ue- berhand nehmen, ſo ſprecht: Auf, ich muß ein Liedlein ſchlagen auf dem Regal, das Te Deum oder Benedictus. — Gehe hin, thue desgleichen! Herrmann, ſo betruͤbt er war, konnte nicht umhin anzumerken, daß er nie Organiſt geweſen, ſondern nur ein Poſt und Praͤludium hier und da gehalten, wenn es vierzehn Tage zuvor beſtellet worden, womit es meine Mutter bewenden lies, die um alles in der Welt willen ihm nichts vom kalten Brande geſagt haͤtte. Sie kraͤnkte ſeine Lit- teratusehre nach Minens Tode nicht weiter. Dieſe Welt, lieber Herrmann! ſagte ſie, iſt ein Praͤludium; die kuͤnftige das Textlied! — Ja wohl, erwiedert’ er mit einem tiefen Seuf- zer. So lebte Hermann nicht viel anders, als ein Cartheuſer, hatte nicht Luſt und Liebe mehr, ſeitdem er den Kinderunterricht aufge- geben, ſeine Handwerke zu treiben; obgleich er noch vom Schneider die Gewohnheit bey- behalten, auf den Tiſch zu klopfen, vom Schu- ſter das weite Aushohlen mit den Haͤnden, und vom Toͤpfer das beſtaͤndige Wackeln mit dem Fuße. — Die Frau v. — b — hatte außer der Paſtorwittwe auch an ihn im Teſta- mente gedacht. Sie hatte ſich, nach ihrer
Wallfart
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thia, wenn ihr traurig ſeyd, und es will Ue-
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ein Liedlein ſchlagen auf dem Regal, das Te
Deum oder Benedictus. — Gehe hin, thue
desgleichen! Herrmann, ſo betruͤbt er war,
konnte nicht umhin anzumerken, daß er nie
Organiſt geweſen, ſondern nur ein Poſt und
Praͤludium hier und da gehalten, wenn es
vierzehn Tage zuvor beſtellet worden, womit
es meine Mutter bewenden lies, die um alles
in der Welt willen ihm nichts vom kalten
Brande geſagt haͤtte. Sie kraͤnkte ſeine Lit-
teratusehre nach Minens Tode nicht weiter.
Dieſe Welt, lieber Herrmann! ſagte ſie, iſt
ein Praͤludium; die kuͤnftige das Textlied! —
Ja wohl, erwiedert’ er mit einem tiefen Seuf-
zer. So lebte Hermann nicht viel anders,
als ein Cartheuſer, hatte nicht Luſt und Liebe
mehr, ſeitdem er den Kinderunterricht aufge-
geben, ſeine Handwerke zu treiben; obgleich
er noch vom Schneider die Gewohnheit bey-
behalten, auf den Tiſch zu klopfen, vom Schu-
ſter das weite Aushohlen mit den Haͤnden,
und vom Toͤpfer das beſtaͤndige Wackeln mit
dem Fuße. — Die Frau v. — b — hatte
außer der Paſtorwittwe auch an ihn im Teſta-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/94>, abgerufen am 21.11.2024.
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