Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.der Alten und der Neuen. sich bis an das Ufer eines natürlichen Canals, der von Inseln und kleinen halb durch-gerissenen Dämmen gebildet wird, wo der Lauf des Wassers, das sich bricht und im Entfliehen aufbrauset, den Landschaftern interessante Zufälligkeiten darstellet. Am Hause gegen die bunte Wiese zu, auf welcher es wie auf einem prächtigen Teppiche steht, war ein kleiner Fruchtgarten, und auf der Seite des Flusses stellten vier Reihen Linden, die sonst vernachläßigt wurden, aber vielen Schatten gaben, eine Art von zierlichem Zugang vor, wovon bisher kein Gebrauch gemacht war. Zwischen Mit- tag und Abend öffneten sich meinem Auge die weitesten und schönsten Aussichten. Der Fluß geht an der Wiese, die er bewässert, zwo oder drey Meilen fort, Nicht weit von dem andern Ufer liegt ein Dorf, das durch eine hin- und wie- Wenn man, das Haus im Gesicht, nach Morgen seine Blicke wendet, so sieht Auf der andern Seite des Canals erregten verschiedene Inseln, die damals unbe- Gegen Mitternacht liegt eine von Bergen eingeschlossene und mit Kirschbäumen Eine so glückliche Entdeckung blieb nicht ungenützt. Davon entzückt zu wer- Bald I Band. F
der Alten und der Neuen. ſich bis an das Ufer eines natuͤrlichen Canals, der von Inſeln und kleinen halb durch-geriſſenen Daͤmmen gebildet wird, wo der Lauf des Waſſers, das ſich bricht und im Entfliehen aufbrauſet, den Landſchaftern intereſſante Zufaͤlligkeiten darſtellet. Am Hauſe gegen die bunte Wieſe zu, auf welcher es wie auf einem praͤchtigen Teppiche ſteht, war ein kleiner Fruchtgarten, und auf der Seite des Fluſſes ſtellten vier Reihen Linden, die ſonſt vernachlaͤßigt wurden, aber vielen Schatten gaben, eine Art von zierlichem Zugang vor, wovon bisher kein Gebrauch gemacht war. Zwiſchen Mit- tag und Abend oͤffneten ſich meinem Auge die weiteſten und ſchoͤnſten Ausſichten. Der Fluß geht an der Wieſe, die er bewaͤſſert, zwo oder drey Meilen fort, Nicht weit von dem andern Ufer liegt ein Dorf, das durch eine hin- und wie- Wenn man, das Haus im Geſicht, nach Morgen ſeine Blicke wendet, ſo ſieht Auf der andern Seite des Canals erregten verſchiedene Inſeln, die damals unbe- Gegen Mitternacht liegt eine von Bergen eingeſchloſſene und mit Kirſchbaͤumen Eine ſo gluͤckliche Entdeckung blieb nicht ungenuͤtzt. Davon entzuͤckt zu wer- Bald I Band. F
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der Alten und der Neuen.
ſich bis an das Ufer eines natuͤrlichen Canals, der von Inſeln und kleinen halb durch-
geriſſenen Daͤmmen gebildet wird, wo der Lauf des Waſſers, das ſich bricht und im
Entfliehen aufbrauſet, den Landſchaftern intereſſante Zufaͤlligkeiten darſtellet. Am
Hauſe gegen die bunte Wieſe zu, auf welcher es wie auf einem praͤchtigen Teppiche
ſteht, war ein kleiner Fruchtgarten, und auf der Seite des Fluſſes ſtellten vier Reihen
Linden, die ſonſt vernachlaͤßigt wurden, aber vielen Schatten gaben, eine Art von
zierlichem Zugang vor, wovon bisher kein Gebrauch gemacht war. Zwiſchen Mit-
tag und Abend oͤffneten ſich meinem Auge die weiteſten und ſchoͤnſten Ausſichten.
Der Fluß geht an der Wieſe, die er bewaͤſſert, zwo oder drey Meilen fort,
und verliert ſich zuletzt nach den fruchtbaren Huͤgeln zu, die den Horizont ſchließen.
Nicht weit von dem andern Ufer liegt ein Dorf, das durch eine hin- und wie-
der gehende Faͤhre belebt iſt; weiter hin verſchoͤnern noch andere Doͤrfer und kleine
Marktflecken die Scene; und dieſe abwechſelnde Gegenſtaͤnde fuͤhren das Auge bis
zu den entfernteſten Bergen, uͤber welche eine Waſſerleitung geht. Auf der Mit-
tagsſeite bringen ſehr betraͤchtliche Flecken andere Abwechſelungen hervor, und die
ganze weite Gegend, die ſich umher zeigt, iſt durch alle Arten von Cultur und durch
Fruchtbaͤume verſchoͤnert. Ueber dieſe Ebene erhebt ſich in der Entfernung ein kleiner
einzeln ſtehender Berg, der die Einfoͤrmigkeit des Auftritts unterbricht.
Wenn man, das Haus im Geſicht, nach Morgen ſeine Blicke wendet, ſo ſieht
man uͤber das Thal hin einen kleinen mit Wein bepflanzten Huͤgel, der ein nicht un-
angenehmes Amphitheater darſtellt. Auf dieſem Huͤgel liegt ein Dorf, das einige
wohlgebauete Haͤuſer mit abhaͤngigen Gaͤrten hat, die ſich ins Thal herunterziehen
und den Blick laͤngſt der Wieſe hinleiten. Die Ausſicht wird durch entfernte An-
hoͤhen begraͤnzt, uͤber welche noch hoͤhere Berge hervorragen und den Horizont
ſchließen.
Auf der andern Seite des Canals erregten verſchiedene Inſeln, die damals unbe-
bauet und von dieſer kleinen Laͤnderey unabhaͤngig waren, das Verlangen, noch weiter
ſpazieren zu gehen und Anſichten zu ſuchen, die den beſchriebenen gleich waͤren.
Gegen Mitternacht liegt eine von Bergen eingeſchloſſene und mit Kirſchbaͤumen
und Feigenbaͤumen umgebene kleine Stadt, welche mit der weit ausgedehnten Flaͤche
des Waſſers und den artigen mit Baͤumen bekraͤnzten Wohnungen eine der ſchoͤnſten
Anſichten dieſer reizenden Einoͤde bildet.
Eine ſo gluͤckliche Entdeckung blieb nicht ungenuͤtzt. Davon entzuͤckt zu wer-
den, der Entſchluß, den Genuß davon mit Freunden zu theilen, ſie dahin zu fuͤhren,
ihnen die empfangenen Eindruͤcke mitzutheilen, mit ihnen davon Beſitzer und Bewoh-
ner zu werden: alles dieſes war das Werk einer kurzen Zeit.
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