Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.über den neuern Gartengeschmack. von Europa, und selbst aus Asiens entferntesten Ländern, zu uns verpflanzten Bäu-me und Sträucher? Sie haben für den Bau der Schiffe und andrer Werke der Ar- chitectur, für die künstliche Bearbeitung zu allerley Hausgeräthe und Auszierung der Gebäude und für manche Bequemlichkeiten des Lebens einen ganz entschiedenen Werth; sie gründen einen vortheilhaften Handel, den man vormals in Gärten nicht kannte, die nur aus unbeweglichen Hecken und Alleen bestanden. Gewiß, man darf von dieser Seite den neuern Gartengeschmack keiner Verfüh- Die ungeheuern Wasserkünste, deren Anlage und Verzierung in der alten Gar- Die Ausgaben für das ewige Beschneiden der Hecken, Alleen, Labyrinthe, Ka- Freylich waren die Plätze der alten Gärten gemeiniglich kleiner als die, welche zum *) S. den 1sten B. dieser Gartenkunst. S. 53. Man vergleiche S. 48. die Note. B 2
uͤber den neuern Gartengeſchmack. von Europa, und ſelbſt aus Aſiens entfernteſten Laͤndern, zu uns verpflanzten Baͤu-me und Straͤucher? Sie haben fuͤr den Bau der Schiffe und andrer Werke der Ar- chitectur, fuͤr die kuͤnſtliche Bearbeitung zu allerley Hausgeraͤthe und Auszierung der Gebaͤude und fuͤr manche Bequemlichkeiten des Lebens einen ganz entſchiedenen Werth; ſie gruͤnden einen vortheilhaften Handel, den man vormals in Gaͤrten nicht kannte, die nur aus unbeweglichen Hecken und Alleen beſtanden. Gewiß, man darf von dieſer Seite den neuern Gartengeſchmack keiner Verfuͤh- Die ungeheuern Waſſerkuͤnſte, deren Anlage und Verzierung in der alten Gar- Die Ausgaben fuͤr das ewige Beſchneiden der Hecken, Alleen, Labyrinthe, Ka- Freylich waren die Plaͤtze der alten Gaͤrten gemeiniglich kleiner als die, welche zum *) S. den 1ſten B. dieſer Gartenkunſt. S. 53. Man vergleiche S. 48. die Note. B 2
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uͤber den neuern Gartengeſchmack.
von Europa, und ſelbſt aus Aſiens entfernteſten Laͤndern, zu uns verpflanzten Baͤu-
me und Straͤucher? Sie haben fuͤr den Bau der Schiffe und andrer Werke der Ar-
chitectur, fuͤr die kuͤnſtliche Bearbeitung zu allerley Hausgeraͤthe und Auszierung der
Gebaͤude und fuͤr manche Bequemlichkeiten des Lebens einen ganz entſchiedenen Werth;
ſie gruͤnden einen vortheilhaften Handel, den man vormals in Gaͤrten nicht kannte,
die nur aus unbeweglichen Hecken und Alleen beſtanden.
Gewiß, man darf von dieſer Seite den neuern Gartengeſchmack keiner Verfuͤh-
rung zum leeren Aufwand beſchuldigen. Was koſteten dagegen nicht in den alten
Gaͤrten allein die Blumen, da man fuͤr eine einzige Zwiebel, die zuweilen ein Wurm
in einer Nacht zerſtoͤrte, oder die ihre vergaͤngliche Schoͤnheit doch nur auf wenige
Jahre verſprach, oft uͤber tauſend Guͤlden zahlte? Wie verderblich war nicht beſon-
ders die Tulipomanie, die ſich in den Jahren 1634 bis 1637 durch Holland und
von da zu uns und weiter verbreitete? Man bezahlte in Holland, wie Nicolas van
Kampen erzaͤhlt, fuͤr eine einzige Tulpenzwiebel auf 5500 hollaͤndiſche Guͤlden. *)
Und wie viel deutſches Geld wird nicht noch jetzt an die Haarlemer Blumenhaͤndler
verſchwendet? Dennoch giebt einem Baum ſeine Dauer und die jaͤhrlich zunehmende
Schoͤnheit ſeines Anſehens, vor der aufbluͤhenden und dahinwelkenden Farbenpracht
der herrlichſten Blume, einen unterſcheidenden Werth; auch iſt er nicht der ſorgfaͤlti-
gen Wartung, wie dieſe, beduͤrftig. Und wie koſtbar war nicht in den vorigen Gaͤrten die
gewoͤhnliche Unterhaltung der Orangerien, die faſt keinen Nutzen brachten, und unſerm
Himmelsſtrich eben ſo wenig, als dem Vermoͤgen ihrer Beſitzer, angemeſſen waren?
Die ungeheuern Waſſerkuͤnſte, deren Anlage und Verzierung in der alten Gar-
tenmanier ſo viel Geld verſchlungen, kennt der reine Geſchmack nicht mehr. Auch er-
ſpart er den Aufwand fuͤr den Ueberfluß von Statuͤen und Vaſen, die, ſo ſchlecht ſie
auch waren, doch nicht wenig koſteten.
Die Ausgaben fuͤr das ewige Beſchneiden der Hecken, Alleen, Labyrinthe, Ka-
binette, Theater, und wie die Misgeburten der altfranzoͤſiſchen und hollaͤndiſchen
Gartenbaukunſt weiter heißen, ſind gewonnen. Die Baͤume und Straͤucher, die der
neue Geſchmack pflanzt, erhalten ſich faſt von ſelbſt, weil ſie frey und froͤhlich unter
der Hand der milden Natur aufwachſen.
Freylich waren die Plaͤtze der alten Gaͤrten gemeiniglich kleiner als die, welche
die neuen Anlagen erfordern; allein jene waren doch nicht beſſer, als Heide oder Sand-
land, da hingegen dieſe gruͤnen und bepflanzten Raͤume zugleich nutzbar werden.
Die Baͤume und Straͤucher, die hier von der tyranniſchen Gewaltthaͤtigkeit der Scheere
verſchont werden, liefern freygebiger Reiſer und Schoͤßlinge zur Vermehrung und
zum
*) S. den 1ſten B. dieſer Gartenkunſt. S. 53. Man vergleiche S. 48. die Note.
B 2
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