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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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nach dem Unterschied der Jahreszeiten.
allerley Blumen. -- Die ziemlich starken Winde, die hier herrschen, sind doch nicht
kalt. Selbst der Regen, der in andern nicht weit entfernten Strichen allemal die
Luft abzukühlen pflegt, und den wir hier schon sehr häufig gehabt haben, bringt keine
andre Wirkung hervor, als daß er das Land verschönert, neues Grün und neue Blu-
men aufgehen läßt, und die große Anzahl von Bäumen und Sträuchern vermehrt,
welche die Gegend schon erfüllen. Die Wärme des Winters hat hier lauter heilsame
Wirkungen; sie belebt alles, die Einwohner, wie das Land. Wir haben hier jetzt
den Zeitvertreib der jungen Leute an ihren Festtagen vor Augen. Sie versammeln
sich unter den Ulmen, die nun ausschlagen. Die Kinder klettern auf den Zweigen
herum, indessen das junge Volk beyderley Geschlechts den hier gewöhnlichen Reigen-
tanz nach dem Klange der Flöten und kleiner Trommeln tanzt. Nichts kann fröhli-
cher seyn, als solche kleine ländliche Feste; es herrscht hier eine angenehme Lebhaftig-
keit, die den Einwohnern solcher Klimate eigen ist. Und, wohl zu merken, im Mo-
nat Januar haben wir das Vergnügen, diese ländlichen Feste anzusehen."

In diese milde Gegend, die an reizenden Gegenständen und Aussichten im Win-
ter so reich ist, reisen aus andern Ländern manche kränkliche Personen, um hier Lin-
derung ihrer Beschwerden in der rauhen Jahreszeit zu suchen. Einen nicht weniger
angenehmen Winteraufenthalt giebt die Gegend von Nizza in Italien, welche beson-
ders die Engländer, die im Herbst nach den mittäglichen und wärmern Ländern von
Europa reisen, seit einigen Jahren in Ruf gebracht haben. In der That, versichert
Sulzer in der Beschreibung dieser Gegend,*) wer im Winter, ohne die rauschenden
Ergötzlichkeiten großer Städte zu suchen, einen Ort zu bewohnen wünscht, wo er, ge-
sichert vor Kälte, Schnee und Nebel, Frühlingstage genießen will, der findet ihn
hier. Selbst der strenge Winter, der am Ende vom Jahr 1775 und im Anfange
von 1776 den größten Theil nicht nur von dem nördlichen Europa, sondern auch so-
gar von Italien so schwer drückte, war hier gelinde; seine Unannehmlichkeit bestand
blos eine Zeit hindurch in Regen mit Wind. Nichts konnte angenehmer seyn, als
die herrlichen Tage während des Decembers, eines Theils vom Januar und des Fe-
bruars. Jeder Tag, an dem es nicht regnete, glich den schönen Frühlingstagen im
obern Deutschland. Die Luft fand Sulzer hier viel reiner und heller, als er sie ir-
gendwo gesehen. Die Natur ist hier den Winter über nie ganz in Ruhe. Die
Gärten sind beständig grün, und täglich wird darinn gepflanzt oder gesäet. Auf den
unbebaueten Stellen der Berge und an den hohen Borten auf dem ebenen Lande sieht
man den ganzen Winter grünes Gras, hier und da aufblühende Blumen, immer

grüne
*) Tagebuch seiner Reise nach den mittäglichen Ländern von Europa im Jahr 1775
und 1776. Leipz. 8. 1780. S. 227 u. f.
X 2

nach dem Unterſchied der Jahreszeiten.
allerley Blumen. — Die ziemlich ſtarken Winde, die hier herrſchen, ſind doch nicht
kalt. Selbſt der Regen, der in andern nicht weit entfernten Strichen allemal die
Luft abzukuͤhlen pflegt, und den wir hier ſchon ſehr haͤufig gehabt haben, bringt keine
andre Wirkung hervor, als daß er das Land verſchoͤnert, neues Gruͤn und neue Blu-
men aufgehen laͤßt, und die große Anzahl von Baͤumen und Straͤuchern vermehrt,
welche die Gegend ſchon erfuͤllen. Die Waͤrme des Winters hat hier lauter heilſame
Wirkungen; ſie belebt alles, die Einwohner, wie das Land. Wir haben hier jetzt
den Zeitvertreib der jungen Leute an ihren Feſttagen vor Augen. Sie verſammeln
ſich unter den Ulmen, die nun ausſchlagen. Die Kinder klettern auf den Zweigen
herum, indeſſen das junge Volk beyderley Geſchlechts den hier gewoͤhnlichen Reigen-
tanz nach dem Klange der Floͤten und kleiner Trommeln tanzt. Nichts kann froͤhli-
cher ſeyn, als ſolche kleine laͤndliche Feſte; es herrſcht hier eine angenehme Lebhaftig-
keit, die den Einwohnern ſolcher Klimate eigen iſt. Und, wohl zu merken, im Mo-
nat Januar haben wir das Vergnuͤgen, dieſe laͤndlichen Feſte anzuſehen.“

In dieſe milde Gegend, die an reizenden Gegenſtaͤnden und Ausſichten im Win-
ter ſo reich iſt, reiſen aus andern Laͤndern manche kraͤnkliche Perſonen, um hier Lin-
derung ihrer Beſchwerden in der rauhen Jahreszeit zu ſuchen. Einen nicht weniger
angenehmen Winteraufenthalt giebt die Gegend von Nizza in Italien, welche beſon-
ders die Englaͤnder, die im Herbſt nach den mittaͤglichen und waͤrmern Laͤndern von
Europa reiſen, ſeit einigen Jahren in Ruf gebracht haben. In der That, verſichert
Sulzer in der Beſchreibung dieſer Gegend,*) wer im Winter, ohne die rauſchenden
Ergoͤtzlichkeiten großer Staͤdte zu ſuchen, einen Ort zu bewohnen wuͤnſcht, wo er, ge-
ſichert vor Kaͤlte, Schnee und Nebel, Fruͤhlingstage genießen will, der findet ihn
hier. Selbſt der ſtrenge Winter, der am Ende vom Jahr 1775 und im Anfange
von 1776 den groͤßten Theil nicht nur von dem noͤrdlichen Europa, ſondern auch ſo-
gar von Italien ſo ſchwer druͤckte, war hier gelinde; ſeine Unannehmlichkeit beſtand
blos eine Zeit hindurch in Regen mit Wind. Nichts konnte angenehmer ſeyn, als
die herrlichen Tage waͤhrend des Decembers, eines Theils vom Januar und des Fe-
bruars. Jeder Tag, an dem es nicht regnete, glich den ſchoͤnen Fruͤhlingstagen im
obern Deutſchland. Die Luft fand Sulzer hier viel reiner und heller, als er ſie ir-
gendwo geſehen. Die Natur iſt hier den Winter uͤber nie ganz in Ruhe. Die
Gaͤrten ſind beſtaͤndig gruͤn, und taͤglich wird darinn gepflanzt oder geſaͤet. Auf den
unbebaueten Stellen der Berge und an den hohen Borten auf dem ebenen Lande ſieht
man den ganzen Winter gruͤnes Gras, hier und da aufbluͤhende Blumen, immer

gruͤne
*) Tagebuch ſeiner Reiſe nach den mittaͤglichen Laͤndern von Europa im Jahr 1775
und 1776. Leipz. 8. 1780. S. 227 u. f.
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[163/0167] nach dem Unterſchied der Jahreszeiten. allerley Blumen. — Die ziemlich ſtarken Winde, die hier herrſchen, ſind doch nicht kalt. Selbſt der Regen, der in andern nicht weit entfernten Strichen allemal die Luft abzukuͤhlen pflegt, und den wir hier ſchon ſehr haͤufig gehabt haben, bringt keine andre Wirkung hervor, als daß er das Land verſchoͤnert, neues Gruͤn und neue Blu- men aufgehen laͤßt, und die große Anzahl von Baͤumen und Straͤuchern vermehrt, welche die Gegend ſchon erfuͤllen. Die Waͤrme des Winters hat hier lauter heilſame Wirkungen; ſie belebt alles, die Einwohner, wie das Land. Wir haben hier jetzt den Zeitvertreib der jungen Leute an ihren Feſttagen vor Augen. Sie verſammeln ſich unter den Ulmen, die nun ausſchlagen. Die Kinder klettern auf den Zweigen herum, indeſſen das junge Volk beyderley Geſchlechts den hier gewoͤhnlichen Reigen- tanz nach dem Klange der Floͤten und kleiner Trommeln tanzt. Nichts kann froͤhli- cher ſeyn, als ſolche kleine laͤndliche Feſte; es herrſcht hier eine angenehme Lebhaftig- keit, die den Einwohnern ſolcher Klimate eigen iſt. Und, wohl zu merken, im Mo- nat Januar haben wir das Vergnuͤgen, dieſe laͤndlichen Feſte anzuſehen.“ In dieſe milde Gegend, die an reizenden Gegenſtaͤnden und Ausſichten im Win- ter ſo reich iſt, reiſen aus andern Laͤndern manche kraͤnkliche Perſonen, um hier Lin- derung ihrer Beſchwerden in der rauhen Jahreszeit zu ſuchen. Einen nicht weniger angenehmen Winteraufenthalt giebt die Gegend von Nizza in Italien, welche beſon- ders die Englaͤnder, die im Herbſt nach den mittaͤglichen und waͤrmern Laͤndern von Europa reiſen, ſeit einigen Jahren in Ruf gebracht haben. In der That, verſichert Sulzer in der Beſchreibung dieſer Gegend, *) wer im Winter, ohne die rauſchenden Ergoͤtzlichkeiten großer Staͤdte zu ſuchen, einen Ort zu bewohnen wuͤnſcht, wo er, ge- ſichert vor Kaͤlte, Schnee und Nebel, Fruͤhlingstage genießen will, der findet ihn hier. Selbſt der ſtrenge Winter, der am Ende vom Jahr 1775 und im Anfange von 1776 den groͤßten Theil nicht nur von dem noͤrdlichen Europa, ſondern auch ſo- gar von Italien ſo ſchwer druͤckte, war hier gelinde; ſeine Unannehmlichkeit beſtand blos eine Zeit hindurch in Regen mit Wind. Nichts konnte angenehmer ſeyn, als die herrlichen Tage waͤhrend des Decembers, eines Theils vom Januar und des Fe- bruars. Jeder Tag, an dem es nicht regnete, glich den ſchoͤnen Fruͤhlingstagen im obern Deutſchland. Die Luft fand Sulzer hier viel reiner und heller, als er ſie ir- gendwo geſehen. Die Natur iſt hier den Winter uͤber nie ganz in Ruhe. Die Gaͤrten ſind beſtaͤndig gruͤn, und taͤglich wird darinn gepflanzt oder geſaͤet. Auf den unbebaueten Stellen der Berge und an den hohen Borten auf dem ebenen Lande ſieht man den ganzen Winter gruͤnes Gras, hier und da aufbluͤhende Blumen, immer gruͤne *) Tagebuch ſeiner Reiſe nach den mittaͤglichen Laͤndern von Europa im Jahr 1775 und 1776. Leipz. 8. 1780. S. 227 u. f. X 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/167>, abgerufen am 26.11.2024.