Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.Anhang. Beschreibungen Sitz unter zwey herrlichen Buchen ein, die ihre Zweige weit umher verbreiten, undsie mit tiefen Ueberschattungen auf den Boden herabhangen lassen, gleich der babylo- nischen Weide. Bald winket ein anderer Ruhesitz unter Ypern; indem man sich zum Genuß des schattigten Platzes niederläßt, wird das Auge auf einmal von einem heitern Licht überrascht, womit das Wasser durch eine schmale Oeffnung der Gebüsche hervorbricht. Indem man durch windende Pfade oben zu dem Rande des äußern Waldes hinwandelt, erblickt man am Ausgang ein kleines Gebüsch, der Belustigung der jungen Herrschaft gewidmet, die hier unter den Spielen der Unschuld und mitten in den Freuden der Natur sich zu sanften Gefühlen ergötzt. Der Lustplatz ist mit Lau- ben und Blumen und Fruchtbäumchen geschmückt, und, als ein kleines glückliches und unbeneidetes Gebiete friedfertiger Beherrscher, mit keiner andern Befestigung umgeben, als mit einem kurzen weißen Geländer, von Rosen durchflochten. Man genießt hier, ohne mehr zu wünschen; man sieht ganz Louisenlund sich in den schön- sten Aussichten verbreiten, ohne diesen kleinen Wohnplatz eines ruhigen Vergnügens verlassen zu wollen. Das aufgehende Licht des Tages wirft hier mit freundlichem Wohlgefallen seinen ersten Strahl hin, und die sanft aufschwellende Höhe und die Schatten des angränzenden Waldes flößen den Seelen voll Unschuld, worinn die Na- tur sich so gerne spiegelt, eine Genügsamkeit ein, die kein Königreich giebt. Tiefer unten in den Spatziergängen am waldigten Abhange nach Westen winkt fühl,
Anhang. Beſchreibungen Sitz unter zwey herrlichen Buchen ein, die ihre Zweige weit umher verbreiten, undſie mit tiefen Ueberſchattungen auf den Boden herabhangen laſſen, gleich der babylo- niſchen Weide. Bald winket ein anderer Ruheſitz unter Ypern; indem man ſich zum Genuß des ſchattigten Platzes niederlaͤßt, wird das Auge auf einmal von einem heitern Licht uͤberraſcht, womit das Waſſer durch eine ſchmale Oeffnung der Gebuͤſche hervorbricht. Indem man durch windende Pfade oben zu dem Rande des aͤußern Waldes hinwandelt, erblickt man am Ausgang ein kleines Gebuͤſch, der Beluſtigung der jungen Herrſchaft gewidmet, die hier unter den Spielen der Unſchuld und mitten in den Freuden der Natur ſich zu ſanften Gefuͤhlen ergoͤtzt. Der Luſtplatz iſt mit Lau- ben und Blumen und Fruchtbaͤumchen geſchmuͤckt, und, als ein kleines gluͤckliches und unbeneidetes Gebiete friedfertiger Beherrſcher, mit keiner andern Befeſtigung umgeben, als mit einem kurzen weißen Gelaͤnder, von Roſen durchflochten. Man genießt hier, ohne mehr zu wuͤnſchen; man ſieht ganz Louiſenlund ſich in den ſchoͤn- ſten Ausſichten verbreiten, ohne dieſen kleinen Wohnplatz eines ruhigen Vergnuͤgens verlaſſen zu wollen. Das aufgehende Licht des Tages wirft hier mit freundlichem Wohlgefallen ſeinen erſten Strahl hin, und die ſanft aufſchwellende Hoͤhe und die Schatten des angraͤnzenden Waldes floͤßen den Seelen voll Unſchuld, worinn die Na- tur ſich ſo gerne ſpiegelt, eine Genuͤgſamkeit ein, die kein Koͤnigreich giebt. Tiefer unten in den Spatziergaͤngen am waldigten Abhange nach Weſten winkt fuͤhl,
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Anhang. Beſchreibungen
Sitz unter zwey herrlichen Buchen ein, die ihre Zweige weit umher verbreiten, und
ſie mit tiefen Ueberſchattungen auf den Boden herabhangen laſſen, gleich der babylo-
niſchen Weide. Bald winket ein anderer Ruheſitz unter Ypern; indem man ſich
zum Genuß des ſchattigten Platzes niederlaͤßt, wird das Auge auf einmal von einem
heitern Licht uͤberraſcht, womit das Waſſer durch eine ſchmale Oeffnung der Gebuͤſche
hervorbricht. Indem man durch windende Pfade oben zu dem Rande des aͤußern
Waldes hinwandelt, erblickt man am Ausgang ein kleines Gebuͤſch, der Beluſtigung
der jungen Herrſchaft gewidmet, die hier unter den Spielen der Unſchuld und mitten
in den Freuden der Natur ſich zu ſanften Gefuͤhlen ergoͤtzt. Der Luſtplatz iſt mit Lau-
ben und Blumen und Fruchtbaͤumchen geſchmuͤckt, und, als ein kleines gluͤckliches
und unbeneidetes Gebiete friedfertiger Beherrſcher, mit keiner andern Befeſtigung
umgeben, als mit einem kurzen weißen Gelaͤnder, von Roſen durchflochten. Man
genießt hier, ohne mehr zu wuͤnſchen; man ſieht ganz Louiſenlund ſich in den ſchoͤn-
ſten Ausſichten verbreiten, ohne dieſen kleinen Wohnplatz eines ruhigen Vergnuͤgens
verlaſſen zu wollen. Das aufgehende Licht des Tages wirft hier mit freundlichem
Wohlgefallen ſeinen erſten Strahl hin, und die ſanft aufſchwellende Hoͤhe und die
Schatten des angraͤnzenden Waldes floͤßen den Seelen voll Unſchuld, worinn die Na-
tur ſich ſo gerne ſpiegelt, eine Genuͤgſamkeit ein, die kein Koͤnigreich giebt.
Tiefer unten in den Spatziergaͤngen am waldigten Abhange nach Weſten winkt
uns noch eine der intereſſanteſten Scenen. Der anmuthigſte Weg am Fuße des ſich
ſanft erhebenden Waldes fuͤhrt zu einem kleinen erhoͤheten Sitz, wovon man durch ei-
nige Oeffnungen der Gebuͤſche auf eine ſchoͤn gruͤnende Wieſe in der Niedrigung her-
abſchaut. Sie iſt auf den Seiten von Waldung umſchloſſen, die ſich aber gerade
vor dem Auge wieder oͤffnet, um eine Durchſicht durch die in der Entfernung queer
uͤberlaufenden zwey kurzen Alleen von Linden und von Pappeln zu verſtatten, und das
Auge auf ſanft aufſteigenden huͤgeligten Gefilden ruhen zu laſſen. Indem in dieſer
Oeffnung die Sonne ihren feyerlichen Abzug haͤlt, ſo hebt ſich das gruͤnende Revier
ringsumher in der goldenen Ueberſtrahlung. Welche Malerey des Abendlichts, das
zuerſt uͤber die hoͤchſten Spitzen der Baͤume praͤchtig daherſtrahlt, dann in ſanftern
Beleuchtungen durch die Daͤmmerung der mittlern Belaubung ſpielt, lieblichen
Schimmer uͤber die hellere Wieſe verſtreut, und zwiſchen Wiederſcheinen und halben
Schatten in allmaͤligen Brechungen und Milderungen des Glanzes eine Scene dar-
ſtellt, die das Auge des feinſten Landſchaftmalers entzuͤckt und ſeine bildende Kunſt
taͤuſcht, eine Scene, die nicht nachgeahmt, nur gefuͤhlt wird. Und mit dieſem Ge-
fuͤhl,
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