Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Achter Abschnitt. Gartenmäßige Verschönerung diese Verbindung eines Küchengartens mit andern nützlichen Anpflanzungen, odermit dem Reiz einer angebauten Landschaft, nicht zu unserm eigenen Bergnügen be- stehen? Wozu das steife Viereck, worinn man nun immer einen Küchengarten ein- zuschließen glaubt? Warum wird nicht mehr auf Boden und Lage, als auf Regel- mäßigkeit, gesehen? Wozu diese hohen absondernden Mauern, so kostbar in der Aufführung und in der Erhaltung, so kalt von Ansehen? Können die wenigen Fruchtbäume, die an ihnen gezogen werden, ihre Kosten vergüten? Giebt nicht Wasser oder Graben oder Zaun schon Schutz genug? Lassen sie nicht die belebenden Lüfte freyer eindringen? Und können nicht Höhen oder Wald oder angepflanztes Gebüsch die Seiten decken, woher schädliche Winde stürmen? -- Durch eine sol- che Veränderung würde der Küchengarten, diese Scene einer sorgfältigen Cultur und beständigen Geschäftigkeit, frey erscheinen, seine Monotonie und unschickliche Ver- sperrung verlieren, an den Reizen und Aussichten der umliegenden Pflanzungen oder der Landgegend Theil nehmen, neue Annehmlichkeiten gewinnen und wieder mittheilen. Man empfindet diese Wirkung bey den Küchengärten in Holland, die oft blos mit einigen Zaunhecken oder einem Graben verwahrt sind, und in verschiedenen Gegenden von Deutschland, wo man mancherley Küchengewächse auf freyem Felde anbaut. Mit aller Ordnung, die in einem Küchengarten herrschen muß, und oft eine Art von Regelmäßigkeit erfordert, mit aller nöthigen Bequemlichkeit, sich jedem Gewächse nähern, es beobachten, und warten zu können, mit aller Reinlichkeit läßt sich zugleich so viel Anmuth vereinigen, daß auch Leute von Geschmack hier zuweilen mit Vergnü- gen verweilen. Alles, was ekelhaft und misfällig ist, muß entfernt, oder vor dem Anblick verdeckt werden. Nützliche Fruchtsträucher können bald die Gänge einfassen, bald eine scharfe Ecke verdecken, bald eine zu lange Linie unterbrechen, bald eine wohlgeordnete Gruppe bilden, die das Auge an sich zieht. Indessen muß kluge Oe- konomie und Sorgfalt, jeden Platz aufs vortheilhafteste zu nutzen, verständige Auf- merksamkeit auf das Eigenthümliche bey jeder Gattung der Gewächse und ihrer Arten, und eine unabläßige Anstrengung, überall Wachsthum und Gedeihen zu vermehren, durch den ganzen Bezirk des Küchengartens hervorleuchten. Alles muß rings um eine Meyerey her das volle Gepräge des Fleißes und der ist
Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung dieſe Verbindung eines Kuͤchengartens mit andern nuͤtzlichen Anpflanzungen, odermit dem Reiz einer angebauten Landſchaft, nicht zu unſerm eigenen Bergnuͤgen be- ſtehen? Wozu das ſteife Viereck, worinn man nun immer einen Kuͤchengarten ein- zuſchließen glaubt? Warum wird nicht mehr auf Boden und Lage, als auf Regel- maͤßigkeit, geſehen? Wozu dieſe hohen abſondernden Mauern, ſo koſtbar in der Auffuͤhrung und in der Erhaltung, ſo kalt von Anſehen? Koͤnnen die wenigen Fruchtbaͤume, die an ihnen gezogen werden, ihre Koſten verguͤten? Giebt nicht Waſſer oder Graben oder Zaun ſchon Schutz genug? Laſſen ſie nicht die belebenden Luͤfte freyer eindringen? Und koͤnnen nicht Hoͤhen oder Wald oder angepflanztes Gebuͤſch die Seiten decken, woher ſchaͤdliche Winde ſtuͤrmen? — Durch eine ſol- che Veraͤnderung wuͤrde der Kuͤchengarten, dieſe Scene einer ſorgfaͤltigen Cultur und beſtaͤndigen Geſchaͤftigkeit, frey erſcheinen, ſeine Monotonie und unſchickliche Ver- ſperrung verlieren, an den Reizen und Ausſichten der umliegenden Pflanzungen oder der Landgegend Theil nehmen, neue Annehmlichkeiten gewinnen und wieder mittheilen. Man empfindet dieſe Wirkung bey den Kuͤchengaͤrten in Holland, die oft blos mit einigen Zaunhecken oder einem Graben verwahrt ſind, und in verſchiedenen Gegenden von Deutſchland, wo man mancherley Kuͤchengewaͤchſe auf freyem Felde anbaut. Mit aller Ordnung, die in einem Kuͤchengarten herrſchen muß, und oft eine Art von Regelmaͤßigkeit erfordert, mit aller noͤthigen Bequemlichkeit, ſich jedem Gewaͤchſe naͤhern, es beobachten, und warten zu koͤnnen, mit aller Reinlichkeit laͤßt ſich zugleich ſo viel Anmuth vereinigen, daß auch Leute von Geſchmack hier zuweilen mit Vergnuͤ- gen verweilen. Alles, was ekelhaft und misfaͤllig iſt, muß entfernt, oder vor dem Anblick verdeckt werden. Nuͤtzliche Fruchtſtraͤucher koͤnnen bald die Gaͤnge einfaſſen, bald eine ſcharfe Ecke verdecken, bald eine zu lange Linie unterbrechen, bald eine wohlgeordnete Gruppe bilden, die das Auge an ſich zieht. Indeſſen muß kluge Oe- konomie und Sorgfalt, jeden Platz aufs vortheilhafteſte zu nutzen, verſtaͤndige Auf- merkſamkeit auf das Eigenthuͤmliche bey jeder Gattung der Gewaͤchſe und ihrer Arten, und eine unablaͤßige Anſtrengung, uͤberall Wachsthum und Gedeihen zu vermehren, durch den ganzen Bezirk des Kuͤchengartens hervorleuchten. Alles muß rings um eine Meyerey her das volle Gepraͤge des Fleißes und der iſt
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0158" n="150"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung</hi></fw><lb/> dieſe Verbindung eines Kuͤchengartens mit andern nuͤtzlichen Anpflanzungen, oder<lb/> mit dem Reiz einer angebauten Landſchaft, nicht zu unſerm eigenen Bergnuͤgen be-<lb/> ſtehen? Wozu das ſteife Viereck, worinn man nun immer einen Kuͤchengarten ein-<lb/> zuſchließen glaubt? Warum wird nicht mehr auf Boden und Lage, als auf Regel-<lb/> maͤßigkeit, geſehen? Wozu dieſe hohen abſondernden Mauern, ſo koſtbar in der<lb/> Auffuͤhrung und in der Erhaltung, ſo kalt von Anſehen? Koͤnnen die wenigen<lb/> Fruchtbaͤume, die an ihnen gezogen werden, ihre Koſten verguͤten? Giebt nicht<lb/> Waſſer oder Graben oder Zaun ſchon Schutz genug? Laſſen ſie nicht die belebenden<lb/> Luͤfte freyer eindringen? Und koͤnnen nicht Hoͤhen oder Wald oder angepflanztes<lb/> Gebuͤſch die Seiten decken, woher ſchaͤdliche Winde ſtuͤrmen? — Durch eine ſol-<lb/> che Veraͤnderung wuͤrde der Kuͤchengarten, dieſe Scene einer ſorgfaͤltigen Cultur und<lb/> beſtaͤndigen Geſchaͤftigkeit, frey erſcheinen, ſeine Monotonie und unſchickliche Ver-<lb/> ſperrung verlieren, an den Reizen und Ausſichten der umliegenden Pflanzungen oder<lb/> der Landgegend Theil nehmen, neue Annehmlichkeiten gewinnen und wieder mittheilen.<lb/> Man empfindet dieſe Wirkung bey den Kuͤchengaͤrten in <hi rendition="#fr">Holland,</hi> die oft blos mit<lb/> einigen Zaunhecken oder einem Graben verwahrt ſind, und in verſchiedenen Gegenden<lb/> von <hi rendition="#fr">Deutſchland,</hi> wo man mancherley Kuͤchengewaͤchſe auf freyem Felde anbaut.<lb/> Mit aller Ordnung, die in einem Kuͤchengarten herrſchen muß, und oft eine Art von<lb/> Regelmaͤßigkeit erfordert, mit aller noͤthigen Bequemlichkeit, ſich jedem Gewaͤchſe<lb/> naͤhern, es beobachten, und warten zu koͤnnen, mit aller Reinlichkeit laͤßt ſich zugleich<lb/> ſo viel Anmuth vereinigen, daß auch Leute von Geſchmack hier zuweilen mit Vergnuͤ-<lb/> gen verweilen. Alles, was ekelhaft und misfaͤllig iſt, muß entfernt, oder vor dem<lb/> Anblick verdeckt werden. Nuͤtzliche Fruchtſtraͤucher koͤnnen bald die Gaͤnge einfaſſen,<lb/> bald eine ſcharfe Ecke verdecken, bald eine zu lange Linie unterbrechen, bald eine<lb/> wohlgeordnete Gruppe bilden, die das Auge an ſich zieht. Indeſſen muß kluge Oe-<lb/> konomie und Sorgfalt, jeden Platz aufs vortheilhafteſte zu nutzen, verſtaͤndige Auf-<lb/> merkſamkeit auf das Eigenthuͤmliche bey jeder Gattung der Gewaͤchſe und ihrer Arten,<lb/> und eine unablaͤßige Anſtrengung, uͤberall Wachsthum und Gedeihen zu vermehren,<lb/> durch den ganzen Bezirk des Kuͤchengartens hervorleuchten.</p><lb/> <p>Alles muß rings um eine Meyerey her das volle Gepraͤge des Fleißes und der<lb/> Cultur tragen. Jeder Fleck muß bepflanzt, beſaͤet, oder auf eine andere Art be-<lb/> nutzt ſeyn. Bey der Wohnung iſt Schatten fuͤr den Menſchen und das Vieh faſt<lb/> unentbehrlich, und ein angepflanztes wildes Waͤldchen ſehr erfreulich. Liegt eine<lb/> Pfuͤtze oder ein feuchter quellreicher Grund in der Naͤhe, ſo ſuche man ihn durch<lb/> Ausgraben und Reinigung in ein nuͤtzliches Waſſerſtuͤck zu verwandeln, oder, wenn<lb/> dieß nicht ausfuͤhrbar iſt, ihn mit Weiden, Pappeln und Ellern zu bepflanzen. Es<lb/> <fw place="bottom" type="catch">iſt</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0158]
Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
dieſe Verbindung eines Kuͤchengartens mit andern nuͤtzlichen Anpflanzungen, oder
mit dem Reiz einer angebauten Landſchaft, nicht zu unſerm eigenen Bergnuͤgen be-
ſtehen? Wozu das ſteife Viereck, worinn man nun immer einen Kuͤchengarten ein-
zuſchließen glaubt? Warum wird nicht mehr auf Boden und Lage, als auf Regel-
maͤßigkeit, geſehen? Wozu dieſe hohen abſondernden Mauern, ſo koſtbar in der
Auffuͤhrung und in der Erhaltung, ſo kalt von Anſehen? Koͤnnen die wenigen
Fruchtbaͤume, die an ihnen gezogen werden, ihre Koſten verguͤten? Giebt nicht
Waſſer oder Graben oder Zaun ſchon Schutz genug? Laſſen ſie nicht die belebenden
Luͤfte freyer eindringen? Und koͤnnen nicht Hoͤhen oder Wald oder angepflanztes
Gebuͤſch die Seiten decken, woher ſchaͤdliche Winde ſtuͤrmen? — Durch eine ſol-
che Veraͤnderung wuͤrde der Kuͤchengarten, dieſe Scene einer ſorgfaͤltigen Cultur und
beſtaͤndigen Geſchaͤftigkeit, frey erſcheinen, ſeine Monotonie und unſchickliche Ver-
ſperrung verlieren, an den Reizen und Ausſichten der umliegenden Pflanzungen oder
der Landgegend Theil nehmen, neue Annehmlichkeiten gewinnen und wieder mittheilen.
Man empfindet dieſe Wirkung bey den Kuͤchengaͤrten in Holland, die oft blos mit
einigen Zaunhecken oder einem Graben verwahrt ſind, und in verſchiedenen Gegenden
von Deutſchland, wo man mancherley Kuͤchengewaͤchſe auf freyem Felde anbaut.
Mit aller Ordnung, die in einem Kuͤchengarten herrſchen muß, und oft eine Art von
Regelmaͤßigkeit erfordert, mit aller noͤthigen Bequemlichkeit, ſich jedem Gewaͤchſe
naͤhern, es beobachten, und warten zu koͤnnen, mit aller Reinlichkeit laͤßt ſich zugleich
ſo viel Anmuth vereinigen, daß auch Leute von Geſchmack hier zuweilen mit Vergnuͤ-
gen verweilen. Alles, was ekelhaft und misfaͤllig iſt, muß entfernt, oder vor dem
Anblick verdeckt werden. Nuͤtzliche Fruchtſtraͤucher koͤnnen bald die Gaͤnge einfaſſen,
bald eine ſcharfe Ecke verdecken, bald eine zu lange Linie unterbrechen, bald eine
wohlgeordnete Gruppe bilden, die das Auge an ſich zieht. Indeſſen muß kluge Oe-
konomie und Sorgfalt, jeden Platz aufs vortheilhafteſte zu nutzen, verſtaͤndige Auf-
merkſamkeit auf das Eigenthuͤmliche bey jeder Gattung der Gewaͤchſe und ihrer Arten,
und eine unablaͤßige Anſtrengung, uͤberall Wachsthum und Gedeihen zu vermehren,
durch den ganzen Bezirk des Kuͤchengartens hervorleuchten.
Alles muß rings um eine Meyerey her das volle Gepraͤge des Fleißes und der
Cultur tragen. Jeder Fleck muß bepflanzt, beſaͤet, oder auf eine andere Art be-
nutzt ſeyn. Bey der Wohnung iſt Schatten fuͤr den Menſchen und das Vieh faſt
unentbehrlich, und ein angepflanztes wildes Waͤldchen ſehr erfreulich. Liegt eine
Pfuͤtze oder ein feuchter quellreicher Grund in der Naͤhe, ſo ſuche man ihn durch
Ausgraben und Reinigung in ein nuͤtzliches Waſſerſtuͤck zu verwandeln, oder, wenn
dieß nicht ausfuͤhrbar iſt, ihn mit Weiden, Pappeln und Ellern zu bepflanzen. Es
iſt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |