Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Und Aug' und Stirn' und Locke; schärfer blickt' Wir reisten noch desselben Abends ab, Und langsamtraurig fuhr der Wagen weiter Und weiter durchs unwegsame Gebirg. Es wechselten in Nebel und in Regen Der Bäum' und des Gebüsches dunkle Bilder Im Walde nebenan. Der Vater schlief, In dumpfem Schmerze träumt' ich hin, und kaum Nur eben noch, die lange Zeit zu zählen, War mir die Seele wach. Ein schöner Strom Erweckt' ein wenig mir das Aug'; es standen Im breiten Boot die Schiffer am Gestad'; Die Pferde traten folgsam in die Fähre, Und ruhig schifften wir. Erheitert war Die Nacht, und auf die Wellen leuchtet' Und Hütten, wo der fromme Landmann schlief, Aus blauer Luft das stille Mondlicht nieder; Und alles dünkte friedlich mir und sorglos, In Schlaf gesungen von des Himmels Sternen. Hölderlin Gedichte. 7
Und Aug' und Stirn' und Locke; ſchaͤrfer blickt' Wir reisten noch deſſelben Abends ab, Und langſamtraurig fuhr der Wagen weiter Und weiter durchs unwegſame Gebirg. Es wechſelten in Nebel und in Regen Der Baͤum' und des Gebuͤſches dunkle Bilder Im Walde nebenan. Der Vater ſchlief, In dumpfem Schmerze traͤumt' ich hin, und kaum Nur eben noch, die lange Zeit zu zaͤhlen, War mir die Seele wach. Ein ſchoͤner Strom Erweckt' ein wenig mir das Aug'; es ſtanden Im breiten Boot die Schiffer am Geſtad'; Die Pferde traten folgſam in die Faͤhre, Und ruhig ſchifften wir. Erheitert war Die Nacht, und auf die Wellen leuchtet' Und Huͤtten, wo der fromme Landmann ſchlief, Aus blauer Luft das ſtille Mondlicht nieder; Und alles duͤnkte friedlich mir und ſorglos, In Schlaf geſungen von des Himmels Sternen. Hoͤlderlin Gedichte. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="11"> <pb facs="#f0105" n="97"/> <l>Und Aug' und Stirn' und Locke; ſchaͤrfer blickt'</l><lb/> <l>Er nur, und um die ſeelenvolle Miene</l><lb/> <l>War, wie ein Schleier, ihm ein ſtiller Ernſt</l><lb/> <l>Gebreitet. Und er ſah mich an. Es war,</l><lb/> <l>Als ſagt' er, gehe nur auch du, ſo geht</l><lb/> <l>Mir alles hin, doch duld' ich aus und bleibe.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Wir reisten noch deſſelben Abends ab,</l><lb/> <l>Und langſamtraurig fuhr der Wagen weiter</l><lb/> <l>Und weiter durchs unwegſame Gebirg.</l><lb/> <l>Es wechſelten in Nebel und in Regen</l><lb/> <l>Der Baͤum' und des Gebuͤſches dunkle Bilder</l><lb/> <l>Im Walde nebenan. Der Vater ſchlief,</l><lb/> <l>In dumpfem Schmerze traͤumt' ich hin, und kaum</l><lb/> <l>Nur eben noch, die lange Zeit zu zaͤhlen,</l><lb/> <l>War mir die Seele wach.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Ein ſchoͤner Strom</l><lb/> <l>Erweckt' ein wenig mir das Aug'; es ſtanden</l><lb/> <l>Im breiten Boot die Schiffer am Geſtad';</l><lb/> <l>Die Pferde traten folgſam in die Faͤhre,</l><lb/> <l>Und ruhig ſchifften wir. Erheitert war</l><lb/> <l>Die Nacht, und auf die Wellen leuchtet'</l><lb/> <l>Und Huͤtten, wo der fromme Landmann ſchlief,</l><lb/> <l>Aus blauer Luft das ſtille Mondlicht nieder;</l><lb/> <l>Und alles duͤnkte friedlich mir und ſorglos,</l><lb/> <l>In Schlaf geſungen von des Himmels Sternen.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Hoͤlderlin Gedichte. 7</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0105]
Und Aug' und Stirn' und Locke; ſchaͤrfer blickt'
Er nur, und um die ſeelenvolle Miene
War, wie ein Schleier, ihm ein ſtiller Ernſt
Gebreitet. Und er ſah mich an. Es war,
Als ſagt' er, gehe nur auch du, ſo geht
Mir alles hin, doch duld' ich aus und bleibe.
Wir reisten noch deſſelben Abends ab,
Und langſamtraurig fuhr der Wagen weiter
Und weiter durchs unwegſame Gebirg.
Es wechſelten in Nebel und in Regen
Der Baͤum' und des Gebuͤſches dunkle Bilder
Im Walde nebenan. Der Vater ſchlief,
In dumpfem Schmerze traͤumt' ich hin, und kaum
Nur eben noch, die lange Zeit zu zaͤhlen,
War mir die Seele wach.
Ein ſchoͤner Strom
Erweckt' ein wenig mir das Aug'; es ſtanden
Im breiten Boot die Schiffer am Geſtad';
Die Pferde traten folgſam in die Faͤhre,
Und ruhig ſchifften wir. Erheitert war
Die Nacht, und auf die Wellen leuchtet'
Und Huͤtten, wo der fromme Landmann ſchlief,
Aus blauer Luft das ſtille Mondlicht nieder;
Und alles duͤnkte friedlich mir und ſorglos,
In Schlaf geſungen von des Himmels Sternen.
Hoͤlderlin Gedichte. 7
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |