rief der Kleine in vollem Eifer: denn Du wirst verkannt in dieser Welt, wo keine Treue, keine Aufrichtigkeit mehr zu finden. Aber Sie sollen doch meinen Blick, der in die Tiefe schaut bewundern, ja den Genius in mir verehren, mein Herr! Vergebens suchte ich lange all das Widersprechende, was in Ihrem ganzen Wesen, in Ihren Bewegun¬ gen liegt, zusammen zu fügen. Es liegt in ihrem Gange etwas, das auf einen Geistli¬ chen hindeutet. Ex protundis clamavi ad te Domine -- Oremus -- Et in omnia sae¬ cula saeculorum Amen!" -- Diese Worte sang der Kleine mit heis'rer quäckender Stimme, indem er mit treuster Wahrheit, Stellung und Gebehrde der Mönche nachahmte. Er drehte sich wie vor dem Altar, er kniete und stand wieder auf, aber nun nahm er einen stolzen trotzigen Anstand an, er runzelte die Stirn, er riß die Augen auf und sprach: "mein ist die Welt! -- Ich bin reicher, klü¬ ger, verständiger, als ihr Alle, ihr Maul¬
rief der Kleine in vollem Eifer: denn Du wirſt verkannt in dieſer Welt, wo keine Treue, keine Aufrichtigkeit mehr zu finden. Aber Sie ſollen doch meinen Blick, der in die Tiefe ſchaut bewundern, ja den Genius in mir verehren, mein Herr! Vergebens ſuchte ich lange all das Widerſprechende, was in Ihrem ganzen Weſen, in Ihren Bewegun¬ gen liegt, zuſammen zu fuͤgen. Es liegt in ihrem Gange etwas, das auf einen Geiſtli¬ chen hindeutet. Ex protundis clamavi ad te Domine — Oremus — Et in omnia sae¬ cula saeculorum Amen!“ — Dieſe Worte ſang der Kleine mit heiſ'rer quaͤckender Stimme, indem er mit treuſter Wahrheit, Stellung und Gebehrde der Moͤnche nachahmte. Er drehte ſich wie vor dem Altar, er kniete und ſtand wieder auf, aber nun nahm er einen ſtolzen trotzigen Anſtand an, er runzelte die Stirn, er riß die Augen auf und ſprach: „mein iſt die Welt! — Ich bin reicher, kluͤ¬ ger, verſtaͤndiger, als ihr Alle, ihr Maul¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0223"n="207"/>
rief der Kleine in vollem Eifer: denn Du<lb/>
wirſt verkannt in dieſer Welt, wo keine<lb/>
Treue, keine Aufrichtigkeit mehr zu finden.<lb/>
Aber Sie ſollen doch meinen Blick, der in<lb/>
die Tiefe ſchaut bewundern, ja den Genius in<lb/>
mir verehren, mein Herr! Vergebens ſuchte<lb/>
ich lange all das Widerſprechende, was in<lb/>
Ihrem ganzen Weſen, in Ihren Bewegun¬<lb/>
gen liegt, zuſammen zu fuͤgen. Es liegt in<lb/>
ihrem Gange etwas, das auf einen Geiſtli¬<lb/>
chen hindeutet. <hirendition="#aq">Ex protundis clamavi ad<lb/>
te Domine</hi>—<hirendition="#aq">Oremus</hi>—<hirendition="#aq">Et in omnia sae¬<lb/>
cula saeculorum Amen</hi>!“— Dieſe Worte ſang<lb/>
der Kleine mit heiſ'rer quaͤckender Stimme,<lb/>
indem er mit treuſter Wahrheit, Stellung<lb/>
und Gebehrde der Moͤnche nachahmte. Er<lb/>
drehte ſich wie vor dem Altar, er kniete und<lb/>ſtand wieder auf, aber nun nahm er einen<lb/>ſtolzen trotzigen Anſtand an, er runzelte die<lb/>
Stirn, er riß die Augen auf und ſprach:<lb/>„mein iſt die Welt! — Ich bin reicher, kluͤ¬<lb/>
ger, verſtaͤndiger, als ihr Alle, ihr Maul¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[207/0223]
rief der Kleine in vollem Eifer: denn Du
wirſt verkannt in dieſer Welt, wo keine
Treue, keine Aufrichtigkeit mehr zu finden.
Aber Sie ſollen doch meinen Blick, der in
die Tiefe ſchaut bewundern, ja den Genius in
mir verehren, mein Herr! Vergebens ſuchte
ich lange all das Widerſprechende, was in
Ihrem ganzen Weſen, in Ihren Bewegun¬
gen liegt, zuſammen zu fuͤgen. Es liegt in
ihrem Gange etwas, das auf einen Geiſtli¬
chen hindeutet. Ex protundis clamavi ad
te Domine — Oremus — Et in omnia sae¬
cula saeculorum Amen!“ — Dieſe Worte ſang
der Kleine mit heiſ'rer quaͤckender Stimme,
indem er mit treuſter Wahrheit, Stellung
und Gebehrde der Moͤnche nachahmte. Er
drehte ſich wie vor dem Altar, er kniete und
ſtand wieder auf, aber nun nahm er einen
ſtolzen trotzigen Anſtand an, er runzelte die
Stirn, er riß die Augen auf und ſprach:
„mein iſt die Welt! — Ich bin reicher, kluͤ¬
ger, verſtaͤndiger, als ihr Alle, ihr Maul¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/223>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.