Wüste zog, und da sein Leben den strengsten Buß- und Andachtsübungen weihte. Der Widersacher verfolgte ihn und trat ihm oft sichtlich in den Weg, um ihn in seinen from¬ men Betrachtungen zu stören. So kam es denn, daß der h. Antonius einmal in der Abenddämmerung eine finstre Gestalt wahr¬ nahm, die auf ihn zuschritt. In der Nähe erblickte er zu seinem Erstaunen, daß aus den Löchern des zerrissenen Mantels, den die Gestalt trug, Flaschenhälse hervorguckten. Es war der Widersacher, der in diesem selt¬ samen Aufzuge ihn höhnisch anlächelte und frug, ob er nicht von den Elixieren, die er in den Flaschen bei sich trüge, zu kosten be¬ gehre? Der heilige Antonius, den diese Zu¬ muthung nicht einmal verdrießen konnte, weil der Widersacher, ohnmächtig und kraftlos ge¬ worden, nicht mehr im Stande war, sich auf irgend einen Kampf einzulassen, und sich da¬ her auf höhnende Reden beschränken mußte, frug ihn: warum er denn so viele Flaschen
I. [ 4 ]
Wuͤſte zog, und da ſein Leben den ſtrengſten Buß- und Andachtsuͤbungen weihte. Der Widerſacher verfolgte ihn und trat ihm oft ſichtlich in den Weg, um ihn in ſeinen from¬ men Betrachtungen zu ſtoͤren. So kam es denn, daß der h. Antonius einmal in der Abenddaͤmmerung eine finſtre Geſtalt wahr¬ nahm, die auf ihn zuſchritt. In der Naͤhe erblickte er zu ſeinem Erſtaunen, daß aus den Loͤchern des zerriſſenen Mantels, den die Geſtalt trug, Flaſchenhaͤlſe hervorguckten. Es war der Widerſacher, der in dieſem ſelt¬ ſamen Aufzuge ihn hoͤhniſch anlaͤchelte und frug, ob er nicht von den Elixieren, die er in den Flaſchen bei ſich truͤge, zu koſten be¬ gehre? Der heilige Antonius, den dieſe Zu¬ muthung nicht einmal verdrießen konnte, weil der Widerſacher, ohnmaͤchtig und kraftlos ge¬ worden, nicht mehr im Stande war, ſich auf irgend einen Kampf einzulaſſen, und ſich da¬ her auf hoͤhnende Reden beſchraͤnken mußte, frug ihn: warum er denn ſo viele Flaſchen
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Wuͤſte zog, und da ſein Leben den ſtrengſten
Buß- und Andachtsuͤbungen weihte. Der
Widerſacher verfolgte ihn und trat ihm oft
ſichtlich in den Weg, um ihn in ſeinen from¬
men Betrachtungen zu ſtoͤren. So kam es
denn, daß der h. Antonius einmal in der
Abenddaͤmmerung eine finſtre Geſtalt wahr¬
nahm, die auf ihn zuſchritt. In der Naͤhe
erblickte er zu ſeinem Erſtaunen, daß aus
den Loͤchern des zerriſſenen Mantels, den die
Geſtalt trug, Flaſchenhaͤlſe hervorguckten.
Es war der Widerſacher, der in dieſem ſelt¬
ſamen Aufzuge ihn hoͤhniſch anlaͤchelte und
frug, ob er nicht von den Elixieren, die er
in den Flaſchen bei ſich truͤge, zu koſten be¬
gehre? Der heilige Antonius, den dieſe Zu¬
muthung nicht einmal verdrießen konnte, weil
der Widerſacher, ohnmaͤchtig und kraftlos ge¬
worden, nicht mehr im Stande war, ſich auf
irgend einen Kampf einzulaſſen, und ſich da¬
her auf hoͤhnende Reden beſchraͤnken mußte,
frug ihn: warum er denn ſo viele Flaſchen
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/65>, abgerufen am 21.11.2024.
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