Bilder in der Kirche sich zu regen, es war, als blickten sie mitleidsvoll auf mich herab, es war, als höre ich in dem dumpfen Brau¬ sen des Sturms, der durch die zerschlagenen Fenster ins Chor hineinfuhr, klägliche war¬ nende Stimmen, ja, als riefe mir meine Mut¬ ter zu aus weiter Ferne: Sohn Medardus, was beginnst du, laß ab von dem gefährli¬ chen Unternehmen! -- Als ich in die Reli¬ quienkammer getreten, war alles still und ruhig, ich schloß den Schrank auf, ich ergriff das Kistchen, die Flasche, bald hatte ich einen kräftigen Zug gethan! -- Glut strömte durch meine Adern und erfüllte mich mit dem Gefühl unbeschreiblichen Wohl¬ seyns -- ich trank noch einmal, und die Lust eines neuen herrlichen Lebens ging mir auf! -- Schnell verschloß ich das leere Kistchen in den Schrank, eilte rasch mit der wohlthäti¬ gen Flasche nach meiner Zelle, und stellte sie in mein Schreibepult. -- Da fiel mir der kleine Schlüssel in die Hände, den ich da¬
Bilder in der Kirche ſich zu regen, es war, als blickten ſie mitleidsvoll auf mich herab, es war, als hoͤre ich in dem dumpfen Brau¬ ſen des Sturms, der durch die zerſchlagenen Fenſter ins Chor hineinfuhr, klaͤgliche war¬ nende Stimmen, ja, als riefe mir meine Mut¬ ter zu aus weiter Ferne: Sohn Medardus, was beginnſt du, laß ab von dem gefaͤhrli¬ chen Unternehmen! — Als ich in die Reli¬ quienkammer getreten, war alles ſtill und ruhig, ich ſchloß den Schrank auf, ich ergriff das Kiſtchen, die Flaſche, bald hatte ich einen kraͤftigen Zug gethan! — Glut ſtroͤmte durch meine Adern und erfuͤllte mich mit dem Gefuͤhl unbeſchreiblichen Wohl¬ ſeyns — ich trank noch einmal, und die Luſt eines neuen herrlichen Lebens ging mir auf! — Schnell verſchloß ich das leere Kiſtchen in den Schrank, eilte raſch mit der wohlthaͤti¬ gen Flaſche nach meiner Zelle, und ſtellte ſie in mein Schreibepult. — Da fiel mir der kleine Schluͤſſel in die Haͤnde, den ich da¬
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Bilder in der Kirche ſich zu regen, es war,
als blickten ſie mitleidsvoll auf mich herab,
es war, als hoͤre ich in dem dumpfen Brau¬
ſen des Sturms, der durch die zerſchlagenen
Fenſter ins Chor hineinfuhr, klaͤgliche war¬
nende Stimmen, ja, als riefe mir meine Mut¬
ter zu aus weiter Ferne: Sohn Medardus,
was beginnſt du, laß ab von dem gefaͤhrli¬
chen Unternehmen! — Als ich in die Reli¬
quienkammer getreten, war alles ſtill und
ruhig, ich ſchloß den Schrank auf, ich
ergriff das Kiſtchen, die Flaſche, bald hatte
ich einen kraͤftigen Zug gethan! — Glut
ſtroͤmte durch meine Adern und erfuͤllte mich
mit dem Gefuͤhl unbeſchreiblichen Wohl¬
ſeyns — ich trank noch einmal, und die Luſt
eines neuen herrlichen Lebens ging mir auf!
— Schnell verſchloß ich das leere Kiſtchen in
den Schrank, eilte raſch mit der wohlthaͤti¬
gen Flaſche nach meiner Zelle, und ſtellte ſie
in mein Schreibepult. — Da fiel mir der
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/91>, abgerufen am 21.11.2024.
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