schlug die Augen nieder, aber so wie mich selbst der Gedanke meines gräßlichen Dop¬ peltgängers stärker erfaßte, schrie ich auf: "Aurelie! um aller Heiligen willen, welche schreckliche Gestalt erblicktest Du hinter uns!" Sie sah mich voll Verwunderung an, immer starrer und starrer wurde ihr Blick, dann sprang sie plötzlich auf, als wolle sie fliehen, doch blieb sie und schluchzte, beide Hände vor die Augen gedrückt: "Nein, nein, nein -- er ist es ja nicht!" -- Ich erfaßte sie sanft, erschöpft ließ sie sich nieder. "Wer, wer ist es nicht? -- frug ich heftig, wohl Alles ah¬ nend, was in ihrem Innern sich entfalten mochte." -- Ach, mein Freund, mein Geliebter, sprach sie leise und wemüthig: würdest Du mich nicht für eine wahnsinnige Schwärmerin halten, wenn ich Alles ... Alles ... dir sagen sollte, was mich immer wieder so verstört im vollen Glück der reinsten Liebe? -- Ein grauenvoller Traum geht durch mein Leben, er stellte sich mit seinen entsetzlichen Bildern
zwischen
ſchlug die Augen nieder, aber ſo wie mich ſelbſt der Gedanke meines graͤßlichen Dop¬ peltgaͤngers ſtaͤrker erfaßte, ſchrie ich auf: „Aurelie! um aller Heiligen willen, welche ſchreckliche Geſtalt erblickteſt Du hinter uns!“ Sie ſah mich voll Verwunderung an, immer ſtarrer und ſtarrer wurde ihr Blick, dann ſprang ſie ploͤtzlich auf, als wolle ſie fliehen, doch blieb ſie und ſchluchzte, beide Haͤnde vor die Augen gedruͤckt: „Nein, nein, nein — er iſt es ja nicht!“ — Ich erfaßte ſie ſanft, erſchoͤpft ließ ſie ſich nieder. „Wer, wer iſt es nicht? — frug ich heftig, wohl Alles ah¬ nend, was in ihrem Innern ſich entfalten mochte.“ — Ach, mein Freund, mein Geliebter, ſprach ſie leiſe und wemuͤthig: wuͤrdeſt Du mich nicht fuͤr eine wahnſinnige Schwaͤrmerin halten, wenn ich Alles ... Alles ... dir ſagen ſollte, was mich immer wieder ſo verſtoͤrt im vollen Gluͤck der reinſten Liebe? — Ein grauenvoller Traum geht durch mein Leben, er ſtellte ſich mit ſeinen entſetzlichen Bildern
zwiſchen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0120"n="112"/>ſchlug die Augen nieder, aber ſo wie mich<lb/>ſelbſt der Gedanke meines graͤßlichen Dop¬<lb/>
peltgaͤngers ſtaͤrker erfaßte, ſchrie ich auf:<lb/>„Aurelie! um aller Heiligen willen, welche<lb/>ſchreckliche Geſtalt erblickteſt Du hinter uns!“<lb/>
Sie ſah mich voll Verwunderung an, immer<lb/>ſtarrer und ſtarrer wurde ihr Blick, dann<lb/>ſprang ſie ploͤtzlich auf, als wolle ſie fliehen,<lb/>
doch blieb ſie und ſchluchzte, beide Haͤnde<lb/>
vor die Augen gedruͤckt: „Nein, nein, nein —<lb/>
er iſt es ja nicht!“— Ich erfaßte ſie ſanft,<lb/>
erſchoͤpft ließ ſie ſich nieder. „Wer, wer iſt<lb/>
es nicht? — frug ich heftig, wohl Alles ah¬<lb/>
nend, was in ihrem Innern ſich entfalten<lb/>
mochte.“— Ach, mein Freund, mein Geliebter,<lb/>ſprach ſie leiſe und wemuͤthig: wuͤrdeſt Du<lb/>
mich nicht fuͤr eine wahnſinnige Schwaͤrmerin<lb/>
halten, wenn ich Alles ... Alles ... dir ſagen<lb/>ſollte, was mich immer wieder ſo verſtoͤrt<lb/>
im vollen Gluͤck der reinſten Liebe? — Ein<lb/>
grauenvoller Traum geht durch mein Leben,<lb/>
er ſtellte ſich mit ſeinen entſetzlichen Bildern<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zwiſchen<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[112/0120]
ſchlug die Augen nieder, aber ſo wie mich
ſelbſt der Gedanke meines graͤßlichen Dop¬
peltgaͤngers ſtaͤrker erfaßte, ſchrie ich auf:
„Aurelie! um aller Heiligen willen, welche
ſchreckliche Geſtalt erblickteſt Du hinter uns!“
Sie ſah mich voll Verwunderung an, immer
ſtarrer und ſtarrer wurde ihr Blick, dann
ſprang ſie ploͤtzlich auf, als wolle ſie fliehen,
doch blieb ſie und ſchluchzte, beide Haͤnde
vor die Augen gedruͤckt: „Nein, nein, nein —
er iſt es ja nicht!“ — Ich erfaßte ſie ſanft,
erſchoͤpft ließ ſie ſich nieder. „Wer, wer iſt
es nicht? — frug ich heftig, wohl Alles ah¬
nend, was in ihrem Innern ſich entfalten
mochte.“ — Ach, mein Freund, mein Geliebter,
ſprach ſie leiſe und wemuͤthig: wuͤrdeſt Du
mich nicht fuͤr eine wahnſinnige Schwaͤrmerin
halten, wenn ich Alles ... Alles ... dir ſagen
ſollte, was mich immer wieder ſo verſtoͤrt
im vollen Gluͤck der reinſten Liebe? — Ein
grauenvoller Traum geht durch mein Leben,
er ſtellte ſich mit ſeinen entſetzlichen Bildern
zwiſchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/120>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.