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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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schlug die Augen nieder, aber so wie mich
selbst der Gedanke meines gräßlichen Dop¬
peltgängers stärker erfaßte, schrie ich auf:
"Aurelie! um aller Heiligen willen, welche
schreckliche Gestalt erblicktest Du hinter uns!"
Sie sah mich voll Verwunderung an, immer
starrer und starrer wurde ihr Blick, dann
sprang sie plötzlich auf, als wolle sie fliehen,
doch blieb sie und schluchzte, beide Hände
vor die Augen gedrückt: "Nein, nein, nein --
er ist es ja nicht!" -- Ich erfaßte sie sanft,
erschöpft ließ sie sich nieder. "Wer, wer ist
es nicht? -- frug ich heftig, wohl Alles ah¬
nend, was in ihrem Innern sich entfalten
mochte." -- Ach, mein Freund, mein Geliebter,
sprach sie leise und wemüthig: würdest Du
mich nicht für eine wahnsinnige Schwärmerin
halten, wenn ich Alles ... Alles ... dir sagen
sollte, was mich immer wieder so verstört
im vollen Glück der reinsten Liebe? -- Ein
grauenvoller Traum geht durch mein Leben,
er stellte sich mit seinen entsetzlichen Bildern

zwischen

ſchlug die Augen nieder, aber ſo wie mich
ſelbſt der Gedanke meines graͤßlichen Dop¬
peltgaͤngers ſtaͤrker erfaßte, ſchrie ich auf:
„Aurelie! um aller Heiligen willen, welche
ſchreckliche Geſtalt erblickteſt Du hinter uns!“
Sie ſah mich voll Verwunderung an, immer
ſtarrer und ſtarrer wurde ihr Blick, dann
ſprang ſie ploͤtzlich auf, als wolle ſie fliehen,
doch blieb ſie und ſchluchzte, beide Haͤnde
vor die Augen gedruͤckt: „Nein, nein, nein —
er iſt es ja nicht!“ — Ich erfaßte ſie ſanft,
erſchoͤpft ließ ſie ſich nieder. „Wer, wer iſt
es nicht? — frug ich heftig, wohl Alles ah¬
nend, was in ihrem Innern ſich entfalten
mochte.“ — Ach, mein Freund, mein Geliebter,
ſprach ſie leiſe und wemuͤthig: wuͤrdeſt Du
mich nicht fuͤr eine wahnſinnige Schwaͤrmerin
halten, wenn ich Alles ... Alles ... dir ſagen
ſollte, was mich immer wieder ſo verſtoͤrt
im vollen Gluͤck der reinſten Liebe? — Ein
grauenvoller Traum geht durch mein Leben,
er ſtellte ſich mit ſeinen entſetzlichen Bildern

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[112/0120] ſchlug die Augen nieder, aber ſo wie mich ſelbſt der Gedanke meines graͤßlichen Dop¬ peltgaͤngers ſtaͤrker erfaßte, ſchrie ich auf: „Aurelie! um aller Heiligen willen, welche ſchreckliche Geſtalt erblickteſt Du hinter uns!“ Sie ſah mich voll Verwunderung an, immer ſtarrer und ſtarrer wurde ihr Blick, dann ſprang ſie ploͤtzlich auf, als wolle ſie fliehen, doch blieb ſie und ſchluchzte, beide Haͤnde vor die Augen gedruͤckt: „Nein, nein, nein — er iſt es ja nicht!“ — Ich erfaßte ſie ſanft, erſchoͤpft ließ ſie ſich nieder. „Wer, wer iſt es nicht? — frug ich heftig, wohl Alles ah¬ nend, was in ihrem Innern ſich entfalten mochte.“ — Ach, mein Freund, mein Geliebter, ſprach ſie leiſe und wemuͤthig: wuͤrdeſt Du mich nicht fuͤr eine wahnſinnige Schwaͤrmerin halten, wenn ich Alles ... Alles ... dir ſagen ſollte, was mich immer wieder ſo verſtoͤrt im vollen Gluͤck der reinſten Liebe? — Ein grauenvoller Traum geht durch mein Leben, er ſtellte ſich mit ſeinen entſetzlichen Bildern zwiſchen

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/120>, abgerufen am 04.12.2024.