regrinus Tyß, "in der That jetzt ein herrlicher ta¬ "delsfreier Gewährsmann, da ich selbst verhaftet bin."
Peregrinus hatte dem Freunde ausführlich er¬ zählt, wie er bei seiner Rückkehr nach Frankfurt sich verwaist gefunden und seitdem in völliger Abgeschieden¬ heit nur in der Erinnerung an die früheren Tage mit¬ ten in der geräuschvollen Stadt ein einsames freuden¬ leeres Leben führe.
"O ja," erwiederte Pepusch mürrisch, "ich "habe davon gehört, mir sind die Narrenspossen er¬ "zählt worden, die du treibst, um das Leben zu ver¬ "bringen in kindischer Träumerei. Du willst ein Held "der Gemüthlichkeit, der Kindlichkeit seyn, nur dar¬ "rum verhöhnst du die gerechten Ansprüche, die "das Leben, die menschliche Gesellschaft an dich "macht. Du gibst eingebildete Familienschmäuse "und spendest die köstlichen Speisen, die theuern "Weine, die du für Todte auftischen ließest, den Ar¬ "men. Du bescheerst dir selbst den heiligen Christum "und thust, als seyst du noch ein Kind, dann schenkst "du aber die Gaben, welche von der Art sind, wie "sie wohl verwöhnten Kindern in reicher Eltern Hause "gespendet zu werden pflegen, armen Kindern. Aber "du bedenkst nicht, daß es den Armen eine schlechte "Wohlthat ist, wenn du einmal ihren Gaumen kiz¬
regrinus Tyß, »in der That jetzt ein herrlicher ta¬ »delsfreier Gewährsmann, da ich ſelbſt verhaftet bin.»
Peregrinus hatte dem Freunde ausführlich er¬ zählt, wie er bei ſeiner Rückkehr nach Frankfurt ſich verwaiſt gefunden und ſeitdem in völliger Abgeſchieden¬ heit nur in der Erinnerung an die früheren Tage mit¬ ten in der geräuſchvollen Stadt ein einſames freuden¬ leeres Leben führe.
»O ja,» erwiederte Pepuſch mürriſch, »ich »habe davon gehört, mir ſind die Narrenspoſſen er¬ »zählt worden, die du treibſt, um das Leben zu ver¬ »bringen in kindiſcher Träumerei. Du willſt ein Held »der Gemüthlichkeit, der Kindlichkeit ſeyn, nur dar¬ »rum verhöhnſt du die gerechten Anſprüche, die »das Leben, die menſchliche Geſellſchaft an dich »macht. Du gibſt eingebildete Familienſchmäuſe »und ſpendeſt die köſtlichen Speiſen, die theuern »Weine, die du für Todte auftiſchen ließeſt, den Ar¬ »men. Du beſcheerſt dir ſelbſt den heiligen Chriſtum »und thuſt, als ſeyſt du noch ein Kind, dann ſchenkſt »du aber die Gaben, welche von der Art ſind, wie »ſie wohl verwöhnten Kindern in reicher Eltern Hauſe »geſpendet zu werden pflegen, armen Kindern. Aber »du bedenkſt nicht, daß es den Armen eine ſchlechte »Wohlthat iſt, wenn du einmal ihren Gaumen kiz¬
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regrinus Tyß, »in der That jetzt ein herrlicher ta¬
»delsfreier Gewährsmann, da ich ſelbſt verhaftet bin.»
Peregrinus hatte dem Freunde ausführlich er¬
zählt, wie er bei ſeiner Rückkehr nach Frankfurt ſich
verwaiſt gefunden und ſeitdem in völliger Abgeſchieden¬
heit nur in der Erinnerung an die früheren Tage mit¬
ten in der geräuſchvollen Stadt ein einſames freuden¬
leeres Leben führe.
»O ja,» erwiederte Pepuſch mürriſch, »ich
»habe davon gehört, mir ſind die Narrenspoſſen er¬
»zählt worden, die du treibſt, um das Leben zu ver¬
»bringen in kindiſcher Träumerei. Du willſt ein Held
»der Gemüthlichkeit, der Kindlichkeit ſeyn, nur dar¬
»rum verhöhnſt du die gerechten Anſprüche, die
»das Leben, die menſchliche Geſellſchaft an dich
»macht. Du gibſt eingebildete Familienſchmäuſe
»und ſpendeſt die köſtlichen Speiſen, die theuern
»Weine, die du für Todte auftiſchen ließeſt, den Ar¬
»men. Du beſcheerſt dir ſelbſt den heiligen Chriſtum
»und thuſt, als ſeyſt du noch ein Kind, dann ſchenkſt
»du aber die Gaben, welche von der Art ſind, wie
»ſie wohl verwöhnten Kindern in reicher Eltern Hauſe
»geſpendet zu werden pflegen, armen Kindern. Aber
»du bedenkſt nicht, daß es den Armen eine ſchlechte
»Wohlthat iſt, wenn du einmal ihren Gaumen kiz¬
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/129>, abgerufen am 16.02.2025.
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