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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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muß der Geschäfte halber. Wie weise ist es, daß
Sie sich den Geschäften entzogen; unerachtet es bei
Ihren Einsichten Ihnen gar nicht fehlen könnte, den
Reichthum Ihres Herrn Vaters zu verdoppeln.

Die Gedanken lauteten: Wenn der Mensch nur
Geschäfte machen wollte, der verwirrte Einfaltspinsel
würde in kurzer Zeit seinen ganzen Reichthum ver¬
speculiren und das wäre dann ein Gaudium. Der
alte Herr Papa, der seine Freude daran hatte, an¬
dere ehrliche Leute, die sich durch ein klein Bankerott¬
chen aufhelfen wollten, schonungslos zu ruiniren,
würde sich im Grabe umdrehen. --

Noch viel mehr solche schneidende Widersprüche
zwischen Worten und Gedanken, liefen dem Pere¬
grinus in den Weg. Stets richtete er seine Antwor¬
ten mehr nach dem ein, was die Leute gedacht, als
nach dem, was sie gesprochen, und so konnt' es nicht
fehlen, daß, da Peregrinus in der Leute Gedanken
eingedrungen, sie selbst gar nicht wußten, was sie
von dem Peregrinus denken sollten. Zuletzt fühlte
sich Herr Peregrinus ermüdet und betäubt. Er schnippte
mit dem Daumen und sogleich verschwand das Glas
aus der Pupille des linken Auges.

Als Peregrinus in sein Haus trat, wurde er
durch ein seltsames Schauspiel überrascht. Ein Mann

muß der Geſchäfte halber. Wie weiſe iſt es, daß
Sie ſich den Geſchäften entzogen; unerachtet es bei
Ihren Einſichten Ihnen gar nicht fehlen könnte, den
Reichthum Ihres Herrn Vaters zu verdoppeln.

Die Gedanken lauteten: Wenn der Menſch nur
Geſchäfte machen wollte, der verwirrte Einfaltspinſel
würde in kurzer Zeit ſeinen ganzen Reichthum ver¬
ſpeculiren und das wäre dann ein Gaudium. Der
alte Herr Papa, der ſeine Freude daran hatte, an¬
dere ehrliche Leute, die ſich durch ein klein Bankerott¬
chen aufhelfen wollten, ſchonungslos zu ruiniren,
würde ſich im Grabe umdrehen. —

Noch viel mehr ſolche ſchneidende Widerſprüche
zwiſchen Worten und Gedanken, liefen dem Pere¬
grinus in den Weg. Stets richtete er ſeine Antwor¬
ten mehr nach dem ein, was die Leute gedacht, als
nach dem, was ſie geſprochen, und ſo konnt' es nicht
fehlen, daß, da Peregrinus in der Leute Gedanken
eingedrungen, ſie ſelbſt gar nicht wußten, was ſie
von dem Peregrinus denken ſollten. Zuletzt fühlte
ſich Herr Peregrinus ermüdet und betäubt. Er ſchnippte
mit dem Daumen und ſogleich verſchwand das Glas
aus der Pupille des linken Auges.

Als Peregrinus in ſein Haus trat, wurde er
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[134/0139] muß der Geſchäfte halber. Wie weiſe iſt es, daß Sie ſich den Geſchäften entzogen; unerachtet es bei Ihren Einſichten Ihnen gar nicht fehlen könnte, den Reichthum Ihres Herrn Vaters zu verdoppeln. Die Gedanken lauteten: Wenn der Menſch nur Geſchäfte machen wollte, der verwirrte Einfaltspinſel würde in kurzer Zeit ſeinen ganzen Reichthum ver¬ ſpeculiren und das wäre dann ein Gaudium. Der alte Herr Papa, der ſeine Freude daran hatte, an¬ dere ehrliche Leute, die ſich durch ein klein Bankerott¬ chen aufhelfen wollten, ſchonungslos zu ruiniren, würde ſich im Grabe umdrehen. — Noch viel mehr ſolche ſchneidende Widerſprüche zwiſchen Worten und Gedanken, liefen dem Pere¬ grinus in den Weg. Stets richtete er ſeine Antwor¬ ten mehr nach dem ein, was die Leute gedacht, als nach dem, was ſie geſprochen, und ſo konnt' es nicht fehlen, daß, da Peregrinus in der Leute Gedanken eingedrungen, ſie ſelbſt gar nicht wußten, was ſie von dem Peregrinus denken ſollten. Zuletzt fühlte ſich Herr Peregrinus ermüdet und betäubt. Er ſchnippte mit dem Daumen und ſogleich verſchwand das Glas aus der Pupille des linken Auges. Als Peregrinus in ſein Haus trat, wurde er durch ein ſeltſames Schauſpiel überraſcht. Ein Mann

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/139>, abgerufen am 21.11.2024.