näherte, ihren Puls erforschte und ihr Arznei eintröpfelte.
Als der Morgen angebrochen, war Gior¬ gina wieder zusehends besser geworden. Andres dankte dem Fremden, den er seinen Schutzengel nannte, aus der Fülle seines Herzens. Auch Giorgina äußerte, wie ihn wol, auf ihr inbrünstiges Gebet, Gott selbst gesendet habe zu ihrer Rettung. Dem Fremden schienen diese lebhaften Ausbrüche des Danks in gewisser Art beschwerlich zu fallen; er war sichtlich verlegen und äußerte einmal über das andere, wie er ja ein Unmensch seyn müsse, wenn er nicht der Kranken mit seiner Kenntniß und den Arznei¬ mitteln, die er bei sich führe, habe beistehen sol¬ len. Uebrigens sei nicht Andres, sondern er zum Dank verpflichtet, da man ihn, der Noth unerachtet, die im Hause herrsche, so gastlich aufgenommen, und er wolle auch keinesweges diese Pflicht unerfüllt lassen. Er zog einen wohlgefüll¬ ten Beutel hervor und nahm einige Goldstücke
naͤherte, ihren Puls erforſchte und ihr Arznei eintroͤpfelte.
Als der Morgen angebrochen, war Gior¬ gina wieder zuſehends beſſer geworden. Andres dankte dem Fremden, den er ſeinen Schutzengel nannte, aus der Fuͤlle ſeines Herzens. Auch Giorgina aͤußerte, wie ihn wol, auf ihr inbruͤnſtiges Gebet, Gott ſelbſt geſendet habe zu ihrer Rettung. Dem Fremden ſchienen dieſe lebhaften Ausbruͤche des Danks in gewiſſer Art beſchwerlich zu fallen; er war ſichtlich verlegen und aͤußerte einmal uͤber das andere, wie er ja ein Unmenſch ſeyn muͤſſe, wenn er nicht der Kranken mit ſeiner Kenntniß und den Arznei¬ mitteln, die er bei ſich fuͤhre, habe beiſtehen ſol¬ len. Uebrigens ſei nicht Andres, ſondern er zum Dank verpflichtet, da man ihn, der Noth unerachtet, die im Hauſe herrſche, ſo gaſtlich aufgenommen, und er wolle auch keinesweges dieſe Pflicht unerfuͤllt laſſen. Er zog einen wohlgefuͤll¬ ten Beutel hervor und nahm einige Goldſtuͤcke
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naͤherte, ihren Puls erforſchte und ihr Arznei
eintroͤpfelte.
Als der Morgen angebrochen, war Gior¬
gina wieder zuſehends beſſer geworden. Andres
dankte dem Fremden, den er ſeinen Schutzengel
nannte, aus der Fuͤlle ſeines Herzens. Auch
Giorgina aͤußerte, wie ihn wol, auf ihr
inbruͤnſtiges Gebet, Gott ſelbſt geſendet habe
zu ihrer Rettung. Dem Fremden ſchienen dieſe
lebhaften Ausbruͤche des Danks in gewiſſer Art
beſchwerlich zu fallen; er war ſichtlich verlegen
und aͤußerte einmal uͤber das andere, wie er
ja ein Unmenſch ſeyn muͤſſe, wenn er nicht der
Kranken mit ſeiner Kenntniß und den Arznei¬
mitteln, die er bei ſich fuͤhre, habe beiſtehen ſol¬
len. Uebrigens ſei nicht Andres, ſondern er
zum Dank verpflichtet, da man ihn, der Noth
unerachtet, die im Hauſe herrſche, ſo gaſtlich
aufgenommen, und er wolle auch keinesweges dieſe
Pflicht unerfuͤllt laſſen. Er zog einen wohlgefuͤll¬
ten Beutel hervor und nahm einige Goldſtuͤcke
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/101>, abgerufen am 24.11.2024.
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