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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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Fremde strebte sichtlich wieder unbefangen und
heiter zu scheinen; man merkte es indessen doch
nur zu deutlich, wie sehr ihn die Weigerung sei¬
ner Wirthsleute, ihm den Knaben zu geben, ver¬
drossen hatte. Statt, wie er gesagt, noch den¬
selben Abend fortzureisen, blieb er wieder drei
Tage, in welchen er jedoch nicht so, wie sonst bei
Giorgina verweilte, sondern mit Andres auf
die Jagd zog und sich bei dieser Gelegenheit viel
von dem Grafen Aloys von Vach erzählen
ließ. Als in der Folge Ignaz Denner wie¬
der bei seinem Freunde Andres einsprach, dachte
er nicht mehr an seinen Plan, den Knaben mit
sich zu nehmen. Er war nach seiner Art freund¬
lich wie vorher, und fuhr fort, Giorgina
reichlich zu beschenken, die er noch überdem wie¬
derholt aufforderte, so oft sie Lust habe sich mit
den Juwelen aus dem Kistchen, das er Andres
in Verwahrung gegeben, zu schmücken, welches
sie auch wol dann und wann heimlich that.
Oft wollte Denner, wie sonst mit dem Knaben

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Fremde ſtrebte ſichtlich wieder unbefangen und
heiter zu ſcheinen; man merkte es indeſſen doch
nur zu deutlich, wie ſehr ihn die Weigerung ſei¬
ner Wirthsleute, ihm den Knaben zu geben, ver¬
droſſen hatte. Statt, wie er geſagt, noch den¬
ſelben Abend fortzureiſen, blieb er wieder drei
Tage, in welchen er jedoch nicht ſo, wie ſonſt bei
Giorgina verweilte, ſondern mit Andres auf
die Jagd zog und ſich bei dieſer Gelegenheit viel
von dem Grafen Aloys von Vach erzaͤhlen
ließ. Als in der Folge Ignaz Denner wie¬
der bei ſeinem Freunde Andres einſprach, dachte
er nicht mehr an ſeinen Plan, den Knaben mit
ſich zu nehmen. Er war nach ſeiner Art freund¬
lich wie vorher, und fuhr fort, Giorgina
reichlich zu beſchenken, die er noch uͤberdem wie¬
derholt aufforderte, ſo oft ſie Luſt habe ſich mit
den Juwelen aus dem Kiſtchen, das er Andres
in Verwahrung gegeben, zu ſchmuͤcken, welches
ſie auch wol dann und wann heimlich that.
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[115/0123] Fremde ſtrebte ſichtlich wieder unbefangen und heiter zu ſcheinen; man merkte es indeſſen doch nur zu deutlich, wie ſehr ihn die Weigerung ſei¬ ner Wirthsleute, ihm den Knaben zu geben, ver¬ droſſen hatte. Statt, wie er geſagt, noch den¬ ſelben Abend fortzureiſen, blieb er wieder drei Tage, in welchen er jedoch nicht ſo, wie ſonſt bei Giorgina verweilte, ſondern mit Andres auf die Jagd zog und ſich bei dieſer Gelegenheit viel von dem Grafen Aloys von Vach erzaͤhlen ließ. Als in der Folge Ignaz Denner wie¬ der bei ſeinem Freunde Andres einſprach, dachte er nicht mehr an ſeinen Plan, den Knaben mit ſich zu nehmen. Er war nach ſeiner Art freund¬ lich wie vorher, und fuhr fort, Giorgina reichlich zu beſchenken, die er noch uͤberdem wie¬ derholt aufforderte, ſo oft ſie Luſt habe ſich mit den Juwelen aus dem Kiſtchen, das er Andres in Verwahrung gegeben, zu ſchmuͤcken, welches ſie auch wol dann und wann heimlich that. Oft wollte Denner, wie ſonſt mit dem Knaben H 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/123>, abgerufen am 21.11.2024.